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aa) Abwägungsausfall

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Ein vollständiger Abwägungsausfall, in dem Sinne, dass die Gemeinde gar keine Abwägung vornimmt, dürfte nur in sehr seltenen Ausnahmefällen anzunehmen sein. In vielen Fällen, in denen ein – häufig partieller – Abwägungsausfall diskutiert wird, stellt sich die Frage der Abgrenzung zum Abwägungsdefizit[443]. In Betracht kommt ein Abwägungsausfall etwa dann, wenn sich die Gemeinde zu Unrecht an eine vorangegangene planerische Entscheidung gebunden fühlt, obwohl dieser eine solche Bindungswirkung nicht zukommt[444]. Denkbar ist etwa der Fall der Fehlinterpretation des Entwicklungsgebots des § 8 Abs. 2 BauGB im Sinne einer strikten Bindung oder die falsche Auslegung eines Ziels der Raumordnung.

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Auch außerhalb des Bauleitplanverfahrens begründete Vorentscheidungen können einen Abwägungsausfall begründen. Es entspricht der Wirklichkeit der Planungspraxis, dass Gemeinden bereits zu Beginn eines Bauleitplanverfahrens vielfältigen Bindungen, etwa durch Absprachen mit Investoren, unterworfen sind, die die Planungsoptionen erheblich einschränken[445]. Diese Bindungen sind einerseits in vielen Fällen unvermeidlich, laufen aber andererseits den Anforderungen des Abwägungsgebots in der Tendenz zuwider[446]. Es besteht die Gefahr, dass die Gemeinde aus sachfremden, in den Vorabbindungen begründeten Erwägungen heraus bereits keine substantielle Abwägung mehr vornimmt. In diesem Fall handelt es sich um einen Abwägungsausfall. Möglich ist auch, dass sie im Rahmen der Abwägung Gewichtungen vornimmt, die den Anforderungen an die Abwägung nicht genügen, entweder weil Belange berücksichtigt werden, die nicht berücksichtigungsfähig sind (Abwägungsdefizit), oder weil ihnen ein Gewicht beigemessen wird, das ihnen bei objektiver Betrachtung nicht zukommt (Abwägungsfehleinschätzung). Auf den äußersten Fall der Vorabbindung, die vertragliche Begründung einer Verpflichtung zur Aufstellung von Bauleitplänen reagiert § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB demgemäß auch mit einem Verbot[447]. Allerdings weist die Planungspraxis durchaus vielfältige Beispiele von Vorabbindungen auf, die unterhalb der Schwelle der vertraglichen Verpflichtung zur Aufstellung eines Bauleitplans bleiben, gleichwohl aber schwere Bedenken bezüglich der verbleibenden Entscheidungsfreiheit der kommunalen Organe erzeugen. Auch wenn das Interesse an der Einbindung Privater in städtebauliche Entwicklungsprozesse nicht übersehen werden darf, sind etwa gegen Vereinbarungen zur Zahlung von Schadensersatz im Falle des Nichtzustandekommens eines Bebauungsplans Bedenken zu erheben[448].

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Bereits in der Flachglasentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht Kriterien definiert, unter denen Vorabbindungen zulässig sein können. Erforderlich ist danach zunächst, dass die Vorwegnahme von Teilen der Entscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Weiterhin muss die Zuständigkeitsordnung gewahrt bleiben, also insbesondere nötigenfalls der Gemeinderat die vorweggenommene Entscheidung treffen. Und schließlich darf die Entscheidung inhaltlich nicht zu beanstanden sein, muss also vor allem den Anforderungen des Abwägungsgebots genügen[449]. Zu Recht wird ergänzend gefordert, dass im Rahmen des „informellen“ Vorverfahrens auch eine Kompensation für die Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt, da dieses Verfahrenselement durch die bereits getroffene Vorentscheidung in seiner Wirksamkeit deutlich eingeschränkt wird[450].

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