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4. Folgerungen: Unauflösbarer Dissens und pragmatische Konfliktbewältigungsstrategien
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Produktive Kraft einer Schwebelage
In der Sache prägt weitgehende Akzeptanz des Vorrangs des Unionsrechts das Bild. Aufgrund der divergierenden Begründungen bleibt aber ein Spannungsverhältnis zwischen den miteinander unversöhnlichen Ansätzen eines umfassenden Vorranganspruchs des Unionsrechts und der in der mitgliedstaatlichen Souveränität wurzelnden Ansprüche nationalen Rechts bestehen. Auswirkungen hat diese Divergenz hauptsächlich in der Frage, ob die mitgliedstaatlichen Gerichte die Letztentscheidungsgewalt über Ausmaß und Grenzen des Vorrangs behalten.[253] Der „Schwebelage“[254] lassen sich aber auch positive Aspekte abgewinnen: Sie sorgt für produktive Reibungen, die die unionalen und mitgliedstaatlichen Kompetenzen permanent austarieren. Überdies wird so eine effektive (mitgliedstaatliche) Kontrolle der Einhaltung der Grenzen der Unionskompetenzen gewährleistet. Dies zeigte sich früh an den Wirkungen der Solange (I)-Judikatur auf die Entwicklung des EU-Grundrechtsschutzes[255] und zuletzt etwa daran, dass es nicht zuletzt ein Appell des BVerfG[256] gewesen sein dürfte, der den EuGH veranlasst hat, bei der Auslegung von Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh nach der vorausgegangenen, richterrechtlich contra legem forcierten EU-Kompetenzerweiterung[257] teilweise wieder zurückzurudern.[258] Man kann diesem Zustand eines checks and balances somit auch eine präventive Warnfunktion, Impulsfunktion sowie „befruchtend[e] und befriedend[e]“[259] Wirkung beimessen, die eine konstruktiv-kooperative[260] und maßvolle Fortentwicklung des europäischen Rechts(schutz)systems befördern.[261]