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d) Verwaltungsakte
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Durchbrechung der Bestandskraft als Ausnahme
Für Verwaltungsakte ist die Durchsetzung des Anwendungsvorrangs problematisch, soweit sie in Bestandskraft erwachsen sind und damit der Vorrang die Rechtssicherheit auf die Probe stellt. Der EuGH betonte hier zunächst, dass auch gegenüber bestandskräftigen Verwaltungsakten von einem Vorrang des materiellen Rechts auszugehen sei,[302] verneint allerdings zugleich ausdrücklich, dass daraus stets eine Pflicht folge, bestandskräftige belastende Verwaltungsakte aufzuheben, soweit diese unionsrechtswidrig sind.[303] Denn Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sind im Unionsrecht anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze. Nach der in der Rechtssache Kühne & Heitz begründeten und später weiter ausdifferenzierten Rechtsprechung kann eine Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Überprüfung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts allerdings ausnahmsweise bestehen, wenn (1.) die Behörde zur Aufhebung des Verwaltungsakts befugt ist, (2.) der Verwaltungsakt auf Grundlage eines letztinstanzlichen Urteils bestandskräftig geworden ist, wobei das entscheidende Gericht das Unionsrecht fehlerhaft ausgelegt hat und von der Möglichkeit zur Vorlage an den EuGH (Art. 267 Abs. 3 AEUV) keinen Gebrauch gemacht hat, und (3.) die Adressatin bzw. der Adressat sich wegen der Überprüfung fristgemäß[304] an die zuständige Behörde gewandt hat, nachdem sie bzw. er Kenntnis von einer der nationalen Entscheidung widersprechenden Entscheidung des EuGH erlangt hat.[305] Im deutschen Recht kann dieser Verpflichtung durch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiten Sinne gemäß § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 VwVfG Rechnung getragen werden. Allein insoweit reicht allerdings die unionsrechtliche Überprüfungsverpflichtung, das behördliche Rücknahmeermessen bleibt hingegen grundsätzlich bestehen.[306]
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Parallele: Rechtskraft von Urteilen
Eine ähnliche Rechtsfrage tritt im Hinblick auf rechtskräftige Urteile auf. Der EuGH betont insoweit, dass die Modalitäten der Rechtskraft der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unterfallen und daher nur an den Maßstäben der Äquivalenz und Effektivität gemessen werden können.[307] Insbesondere der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unionsrechts kann im Einzelfall (vor allem im Beihilferecht zur Sicherung eines unverfälschten Wettbewerbs und zur Wahrung der Kompetenz der Kommission als Hüterin des Beihilfeaufsichtsverfahrens) ausnahmsweise die Durchbrechung der nach nationalem Recht angeordneten Rechtskraft gebieten.[308] Grundsätzlich verlangt er eine solche Durchbrechung allerdings nicht, da die Rechtssicherheit auch ein Grundsatz des Unionsrechts ist.[309]