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2. Behörden

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Nichtanwendung oder „Verwerfung“?

Aufgrund der umfassenden Bindung der Mitgliedstaaten müssen nach unionsrechtlicher Position auch Behörden unionsrechtswidrige nationale Normen selbstständig außer Anwendung lassen (Nichtanwendungspflicht).[332] Dagegen lassen sich freilich gewichtige Argumente anführen: Praktisch motiviert ist der Einwand, dass eine solche Nichtanwendungspflicht das Risiko einer höchst unterschiedlichen Behördenpraxis birgt, die von den individuell variierenden Unionsrechtskenntnissen und der Verve des Amtswalters abhängt.[333] Aus rechtlicher Sicht problematisch erscheint, dass eine Nichtanwendung einer Verwerfung im Einzelfall zumindest faktisch gleichkommt. Die Verwerfungskompetenz ist aber rechtlich ausdrücklich bei den Aufsichtsbehörden und Gerichten, für Parlamentsgesetze beim BVerfG monopolisiert. Anders als im nationalen Recht steht dies einer Nichtanwendungskompetenz im Hinblick auf das Unionsrecht gleichwohl nicht entgegen. Denn die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts geht insoweit auch den nationalen Zuständigkeiten vor.

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Nichtanwendungspflicht bei evidenten Rechtsverstößen

Daher ist im Ergebnis eine behördliche Nichtanwendungskompetenz zu bejahen,[334] diese ist jedoch auf evidente Rechtsverstöße zu begrenzen.[335] Zwar lassen sich dagegen die Einwände nicht hinreichender Umsetzung des Anwendungsvorrangs[336] und mangelnder Trennschärfe[337] erheben. Tatsächlich wird aber so ein gebotener Gleichlauf zum „hinreichend qualifizierten Verstoß“ für einen – für die innerstaatliche Verteilung von Nichtanwendungskompetenzen blinden[338] – unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch und mithin insgesamt die auch unionsrechtlich gebotene Rechtssicherheit und -klarheit erreicht.[339] Der Evidenz-Maßstab ist auch in anderen Kontexten (vgl. z. B. § 44 Abs. 1 VwVfG) verbreitet und durch richterrechtliche Kasuistik hinreichend konkretisierbar. Die teilweise vorgeschlagene[340] Monopolisierung der Nichtanwendungsentscheidung bei der Verwaltungsspitze ist hingegen abzulehnen. Dies schränkte – wie auch die Rechtsprechung des EuGH nahelegt[341] – die effektive Durchsetzung des Unionsrechts über Gebühr ein.[342]

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Einführung eines Vorlagerechts?

Die Verwaltung wird somit zu einer „Richterin“ über die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht. Überdenkenswert erscheint, dass die (juristisch ausgebildeten) Gerichte durch eine Vorlage an den EuGH Auslegungsschwierigkeiten ausräumen können, der Verwaltung eine solche Vorlage aber nicht möglich ist.[343] Um einer „anarchischen“ administrativen Nichtanwendungspraxis vorzubeugen, aber auch angesichts der Tatsache, dass die Verwaltung durch den nationalen Amtshaftungsanspruch (bei rechtswidriger Nicht-Anwendung des nationalen Rechts) und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch (bei rechtswidriger Nicht-Anwendung des Unionsrechts) einem doppelten Haftungsrisiko ausgesetzt ist, könnte de lege ferenda ein Vorlagerecht der nationalen Verwaltung(sspitze) an den EuGH zu erwägen sein.[344]

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