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4. Ausnahmsweise: Weitergeltung unionsrechtswidrigen nationalen Rechts
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Zwingende Erfordernisse
In bestimmten Konstellationen stellt sich die Frage einer zeitlich beschränkten Weitergeltung unionsrechtswidrigen nationalen Rechts. Dies ließe sich – insbesondere zur Gewähr von Rechtssicherheit sowie des Schutzes öffentlicher Interessen – etwa annehmen, wenn eine Unanwendbarkeit zu einem Zustand führte, der von dem von der Unionsrechtsordnung vorgesehenen Zustand noch weiter entfernt wäre[313], wenn also durch die Nichtanwendung eine „inakzeptable Gesetzeslücke“ entstünde.[314] Der EuGH drängt in dieser unionsrechtlich zu entscheidenden[315] Frage zuvörderst darauf, dass die nationalen Gerichte – etwa in Form von Richterrecht – Lösungen finden, die einen Vorrang des Unionsrechts durchsetzen, ohne zugleich das öffentliche Interesse am Fortbestand einer Regelung übermäßig einzuschränken.[316] Scheidet dies aus, hat der EuGH die vorübergehende Anwendung unionsrechtswidrigen Rechts bis zur Schaffung einer unionsrechtskonformen Rechtslage nicht kategorisch ausgeschlossen, allerdings auf „Ausnahmefälle“ aus „zwingenden Erwägungen der Rechtssicherheit“ begrenzt.[317] So konnten im Fall Winner Wetten auch verfassungsrechtliche Verpflichtungen keine übergangsweise Anwendung des unionsrechtswidrigen nationalen Rechts rechtfertigen, werde doch ansonsten die einheitliche Geltung und Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt.[318] Die Rechtssicherheit scheint gleichwohl nicht der einzige denkbare Rechtfertigungsgrund für eine mögliche Relativierung des Anwendungsvorrangs zu sein. So hat der EuGH zuletzt im Hinblick auf die Verwirklichung des Umweltschutzes als Ziel der Union – unter engen Voraussetzungen – eine befristete Fortgeltung nationalen Rechts ermöglicht.[319] Auch die Stromversorgungssicherheit hat er als möglichen Grund benannt.[320]