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Die neue Perspektive

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Wenn du deine Umstände nicht ändern kannst, ist es an der Zeit, die Perspektive zu ändern. Und was könnte für eine neue Perspektive hilfreicher sein, als auf einen Berg zu steigen?

Nach meinem langen Krankenhausaufenthalt packte ich meinen Rucksack und war einige Tage in den Alpen unterwegs. Dazu muss man wissen, dass ich ein norddeutscher Jung bin. Ich hatte davor noch nie einen richtigen Berg gesehen – von hinaufklettern ganz zu schweigen. Entsprechend geschafft war ich, wenn ich abends auf der nächsten Hütte ankam, um mein Lager für diese Nacht zu beziehen. Ich lud meinen Rucksack ab, in dem sich alles befand, was ich auf dieser Reise dabei hatte. Es war ein wundervoller Tausch: ein Krankenzimmer mit Sicherheitsschleuse und Personal, das sich immer in Plastikanzüge kleidete, die ich sonst nur aus Filmen über Alieninvasionen kannte, gegen das offene Panorama der Alpen. Und so stand ich mitten in den Bergen, der kalte Nachtwind fuhr mir durchs Gesicht, und ich war mit einem Mal weit weg von allem Bekannten. Von allem, was mich festhielt. Wenn das mal kein Perspektivwechsel war!

Ich blickte zu den Sternen und dachte an Abraham. Tausende Jahre zuvor hatte Gott zu diesem Mann gesagt: »Schau hinauf zum Himmel. Kannst du etwa die Sterne zählen?« (1. Mose 15,5). Gott verbindet die simpelsten Dinge zu einer Geschichte des Neuanfangs. Die Sterne am Himmel waren schon immer da. Abraham hatte sie schon unzählige Male angeschaut. Hatte vielleicht in einer ruhigen Minute versucht, sie zu zählen, immerhin hatte er kein Smartphone, um die Zeit totzuschlagen. Aber in dieser Nacht war alles anders. Gott gab ihm eine Verheißung. Das Versprechen, ihn an den Ort zu führen, an den er gehörte. Ihm Nachkommen zu schenken. Ein ganzes Volk, das aus ihm entstehen sollte.

Ich blickte in den Himmel, wie Abraham es damals getan hatte. Er wusste nicht, wie es für ihn weitergehen sollte. Er wusste nicht, was der nächste Tag bringen würde. Er wusste nicht mal genau, wer er war. Er saß einfach nur irgendwo in der Wüste, hinter sich das Zelt, neben sich das Kamel, doch tief in ihm brannte das unauslöschliche Vertrauen, dass Gott jeden Moment seines Lebens in der Hand hielt. Dass es nichts gab, das außerhalb von Gottes Willen lag, und dass er sich einfach nur auf diesen Gott einlassen musste.

Und in dieser Situation sprach er ein einfaches Gebet. Ganz leise sagte er die Worte in die Dunkelheit der Nacht. Hauchte sie beinahe, weil er wusste, dass Gott ihn hörte.

»Hier bin ich.«

Hier beginnt das Leben der Nachfolge: Wenn wir realisieren, dass Gottes Wille in jedem Moment alles trägt. Daraus wächst die unglaubliche Freude des christlichen Lebens. Es ist zugleich die Schönheit und die Ernsthaftigkeit der Nachfolge, dass sie immer nur im Hier und Jetzt möglich ist. Ich kann nicht in einem Moment der Vergangenheit nachfolgen und ich kann ebenso wenig jetzt sagen, was ich tun werde, wenn ich einmal in dieser oder jener Situation sein werde. Nachfolge ist immer nur jetzt möglich. Die Vergangenheit mag mich an diesen Punkt gebracht haben und die Zukunft ist das Ergebnis meiner heutigen Entscheidung. Aber nachfolgen kann ich einzig und allein in diesem Moment.

Das mag simpel klingen, aber für mich war es eine großartige Entdeckung, denn es befreite mich zum einen davon, meine Vergangenheit ständig durchzuspielen, und zum anderen davon, mir die schlimmsten Szenarien für meine Zukunft auszumalen. Alles, was Gott von mir wollte, war mein Jetzt. Als ich mit diesem Gedanken in den Alpen umherwanderte, fühlte ich mich befreit. Es ging nur um diese Zeit. Alles andere konnte ich hinter mir lassen.

Immer wieder habe ich mit Menschen gesprochen, die auf der Suche nach Gottes Willen waren: Für ihr Leben, ihren Beruf, ihre Ehe, ihre Gemeinde. Ich habe es genauso gemacht. Immer wieder. Bis zu diesem Moment der Hingabe. Mit einem Mal wurde mir klar, dass Gottes Wille viel einfacher ist, als ich dachte. Ich suche nicht nach seinem Willen, sondern ich antworte auf seinen Willen. Gott setzt sich durch. Im Hier und Jetzt.

»Hier bin ich.«

Abraham ist der Erste, der diese Worte in der Bibel spricht (1. Mose 22,1). Aber er ist bei Weitem nicht der Einzige. Eine lange Kette von Glaubenden haben dieselben oder ähnliche Worte gebraucht. Menschen, denen Gott begegnet ist. Menschen, die das dringende Bedürfnis hatten, immer mehr von Gott zu erfahren.

Abraham sucht nach dem nächsten Schritt und folgt Gott auf dem Weg ins Unbekannte hin zu großen Verheißungen. Mose wird aus seinem Alltag geholt und führt eine neue Generation von Menschen zu Gott zurück. Samuel wird von Gott aus dem Schlaf gerissen und lebt als sein Prophet für ein taubes Volk. Jesaja steht mit allen Fehlern, Schwächen und Sünden vor Gott und wird ausgerüstet für Großes. Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen: Debora, Ruth und Ester, Gideon, David und Josia. Maria, die Mutter von Jesus, und Johannes der Täufer. Timotheus, Paulus, Lydia und Priscilla. All diese Menschen stellen sich in den entscheidenden Momenten Gott ganz zur Verfügung, weil sie wissen, worauf es ankommt, wenn Gott mit Macht in ein Leben bricht und mit Macht die Perspektive neu ausrichtet. Ein hebräisches Wort, drei kleine Worte auf Deutsch:

»Hier bin ich.«

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