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Flugzeuge in Seenot.

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Seit zwei Wochen durchkreuzen wir nun schon die Deutsche Bucht nach allen Himmelsrichtungen. Unser Auftrag heißt: U-Boots-Jagd. Wir jagen also, Tag und Nacht. Es gibt keine Quadratseemeile in der Deutschen Bucht, die wir nicht schon mindestens viermal durchfahren haben. Von feindlichen U-Booten keine Spur. Der Tommy hat sich anscheinend bislang noch nicht hierher gewagt. Positive Meldungen von anderen Schiffseinheiten über erfolgten U-Bootsangriff liegen ebenfalls nicht vor. Trotzdem sind wir auf dem Posten.

Zum Glück ist das Wetter in diesen Spätsommertagen recht günstig. Tagsüber haben wir fast ständig herrlichsten Sonnenschein. Petrus will uns anscheinend den regenvermasselten Sommer entschädigen. Unsere Langeweile und unsere aufkommende Verzweiflung über die Ergebnislosigkeit unserer Fahrten vermag er aber nicht zu vertreiben.

„Herrgott im Himmel! – Hat der Engländer uns nun eigentlich den Krieg erklärt? – Warum lässt er sich dann nicht einmal sehen, damit wir endlich ein bisschen Abwechslung bekommen?“

Claus, unser III. W. O., stürzt wütend sein Glas Bier herunter und stolpert an Deck. Sein Wachtörn beginnt. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, irgendeinen Engländer zur Strecke zu bringen, und sei es nur ein elender Fischdampfer. Der Tommy tut ihm aber nicht den Gefallen, vor seine Nase zu kommen, so dass sich Claus nach seiner Ablösung ärgerlich auf seine Koje wirft und in den darauffolgenden Träumen ganze U-Boot-Schwärme auf sich zukommen sieht. Jetzt aber hat der Unglückliche nicht eine einzige Granate, nicht einmal einen Schuss Infanteriemunition zur Hand. Er muss es sich daher zähneknirschend gefallen lassen, von den Tommies gejagt zu werden. Als dann ein Tommy gar noch die Dreistigkeit besitzt, ihn zu torpedieren, springt er mit einem Satz hoch. Es gibt einen furchtbaren Knall. Dann sackt unser Claus aufstöhnend in die Koje zurück. Er ist mit dem Kopf gegen die eiserne Kante der über ihm stehenden Koje gerannt. Seither träumt er nicht mehr von U-Boote-Angriffen. Die Beule an seinem Kopf aber trägt er noch tagelang. –

Am 8. Oktober müssen wir nach List auf Sylt zur Ölergänzung. In der folgenden Nacht, während wir im Hafen liegen, brist es kräftig auf. Als der Tag graut, steht ein steifer Nordost auf der See. Selbst in dem leichten Hafenbecken hinter dem Ellenbogen haben die kurzen Wellen Schaumkronen.

Am Nachmittage sind wir wieder seeklar. Trotzdem bleiben wir liegen. Es ist zwecklos, bei diesem Wetter auszulaufen. Wir würden draußen nur kopfstehen und alle Hände voll mit uns selbst zu tun haben. An eine U-Boots-Jagd ist dabei gar nicht zu denken. Und wenn, dann müsste der Brite überhaupt erst einmal vorhanden sein. Da er sich aber bei dem schönsten Jagd-Wetter nicht hat sehen lassen, wird er jetzt erst recht zu Hause bleiben. – Also bleiben auch wir vor Anker liegen und warten noch eine Nacht ab. Ewig kann ein solcher Sturm ja nicht dauern.

Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Eine Meldung läuft ein. Zwei Maschinen des Lister Fliegerhorstes sind auf dem „Lister Tief“ notgelandet. Sie können sich in dem herrschenden Seegang nicht lange halten.

Wir machen sofort Dampf auf. Am 17.40 Uhr laufen wir zusammen mit einem im Hafen liegenden Flugsicherungsschiff aus. Sobald wir den schützenden Hafen verlassen, beginnt „M 1“ in der hohen, langen Nordost-Dünung mächtig zu rollen. Es wird eine Seefahrt, wie sie viele meiner Männer, die erst kurz vor Beginn des Krieges an Bord gekommen sind, überhaupt noch nicht erlebt haben.

Mit der höchstmöglichen Fahrt, die bei diesem bewegten Teppich noch zu verantworten ist, lasse ich das Boot auf das angegebene Ziel zusteuern. Es ist jetzt völlig gleichgültig, ob bei den ununterbrochen über das Schiff hinwegrollenden schweren Brechern alle Männer an Deck und auf der Brücke völlig durchnässt werden; es ist auch ganz schnuppe, ob von der Wucht der Wassermassen die Reling verbogen oder irgendein nicht seefest gezurrter Gegenstand über Bord gerissen wird. Die Hauptsache ist, wir erreichen noch rechtzeitig die Stelle, an der zwei deutsche Aufklärungsflugzeuge aus unbekannten Gründen auf das Wasser niedergehen mussten. Jetzt geht es nicht nur darum, wertvolle Maschinen zu retten, sondern vor allen Dingen, Kameraden aus höchster Seenot zu befreien.

Wir jagen also durch die Brecher, dass es in allen Fugen dröhnt. Ständig ist das Boot von einer dicken Gischtschicht bedeckt. Niemand auf der Brücke hat einen trockenen Faden mehr am Leibe. Jedes Mal, wenn der Vorsteven unseres M-Bootes mit Wucht in die See haut, stiebt eine hohe Wasserwolke auf uns zu. Im Nu sind wir in einen dichten Sprühregen getaucht, aus dem wir jedes Mal von neuem triefend und glänzend auftauchen.

Trotzdem – so ist die Seefahrt erst richtig! – Wenn die Fahrt nicht gerade einen ernsten Grund hätte, könnte man an dem wilden Tanz des Bootes und an dem Toben des nassen Elementes seine helle Freude haben. Eine spiegelblanke, vom Abendrot übergossene See ist zweifellos ein schöner Anblick. Herrlich aber wird das Meer erst, wenn es sich, vom Sturm gepeitscht, mit seiner Urkraft aufbäumt.

Wenn grünschillernde Wogen, von unzähligen weißen Schaumadern durchsetzt, kraftgeladen heranrollen, wenn sie donnernd gegen die Bordwand des Stahlschiffes prallen und sich wütend über das Vorschiff ergießen. Glücklich ist der Mensch zu preisen, der einen solchen Aufruhr des Elementes miterlebt, der dabei Muße hat, die Schönheit dieser Urgewalt zu erkennen und dabei nicht den Kopf über die Reling halten muss, weil der Magen dieses Erlebnis nicht zu würdigen weiß.

Wehe aber dem Unglücklichen, der auf zerbrechlichem Fahrzeug steuerlos, hilflos auf offener See dem Sturm ausgesetzt ist. Das Meer lässt selten seine einmal gegriffenen Opfer aus den Krallen.

Dieses Bewusstsein treibt uns unermüdlich vorwärts. Wir wissen, dass sich die beiden Maschinen nicht lange in diesem Sturm auf dem Wasser halten können. Ein einziger ungünstig anlaufender Brecher genügt, sie zu zertrümmern und in die Tiefe zu ziehen.

Ständig haben wir die Gläser vor den Augen und suchen die Wellenberge nach den Flugzeugen ab. Wir haben das angegebene Quadrat erreicht. Hier irgendwo müssen die Maschinen sein, wenn sie überhaupt noch auf dem Wasser liegen. Es ist sehr unwahrscheinlich. Trotzdem suchen wir eine – zwei – drei Stunden lang. Immer wieder kreuzen wir gegen die Dünung an. Sternsignale werden geschossen. Gespannt warten wir auf eine Antwort, die von irgendwoher aus dem Meer auftauchen muss. Nichts geschieht! Langsam kommen wir mit zunehmender Dunkelheit zu der bitteren Erkenntnis, dass die Suche vergebens ist.

Wir lassen aber nicht locker. Solange noch ein Funke Hoffnung besteht, die Kameraden zu finden, wird gesucht. Der Scheinwerfer tritt in Tätigkeit. Ununterbrochen tastet sein gleißender Lichtkegel die in unverminderter Stärke rollenden Wellen nach Flugzeugwracks ab. Stunde um Stunde vergeht. Nichts ist zu sehen. – Da – im Lichtkegel blitzt es metallisch auf. Wir halten darauf zu. Minuten später haben wir den Gegenstand an Bord gehievt. Es ist ein halber Propeller. Im Morgengrauen wird die andere Hälfte und weitere Wrackstücke eines Flugzeuges gefunden. Damit haben wir die sicheren Beweise, dass die Maschinen und mit ihnen die Besatzungen den Tod in den Wellen gefunden haben. Das Meer hat seine Opfer gefordert. Kameraden, die täglich im schweren Aufklärungsdienst bei jedem Wind und Wetter aufgestiegen und gegen England geflogen sind, haben ihr Leben in treuer Pflichterfüllung für das Vaterland gelassen. —

Ziemlich niedergeschlagen kehren wir am Morgen des nächsten Tages in den Lister Hafen zurück. Hier erleben wir die freudige Nachricht, dass es einem anderen Boot gelungen ist, eine der beiden Maschinen in den Hafen zu schleppen. Das andere Flugzeug aber, dem auf offener See durch den starken Gegenwind der Brennstoff ausgegangen war, ist verloren.

Tigerflagge heiß vor!

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