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Der Befehl des Führers.

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Noch nie bin ich so voller Erwartung in einen Hafen eingelaufen, wie an diesem Mittag in Cuxhaven. Kaum hat das Boot an der Pier festgemacht, als ich auch schon von Bord steige. Scherry, der mich an der Pier erwartet, klärt mich sogleich über die interne Lage der letzten 24 Stunden auf. Die Minensuchflottille liegt bereits seeklar. Ein Minenwurfverband, bestehend aus den ehemaligen Seebäderdampfern der Hapag und des Norddeutschen Lloyds, befindet sich bereits auf Ausgangsposition. Sämtliche Kommandanten weilen beim Flottillenchef zu einer letzten Besprechung.

Ich gehe sogleich an Bord des Führerbootes und melde mich beim Flottillenchef. Dort erfahre ich die notwendigen Einzelheiten. Der Befehl für die Minensuchflottille, der „M 1“ jetzt zugeteilt ist, lautet: Die im Laufe des Nachmittages an Bord zu nehmenden Truppen des Heeres sind am 9. April 1940 um 5.15 Uhr in dem norwegischen Hafen Egersund zu landen. Anschließend kehrt die Flottille zur Entgegennahme neuer Aufgaben nach dem Einsatzhafen zurück.

Was dieser Befehl für uns M-Boote bedeutet, wissen wir. Von der Riesenarbeit aber, die unser dort droben harrt und die besonders „M 1“ wochenlang keinen einzigen Tag zur Ruhe kommen lässt, habe ich noch keine Ahnung. Die Tatsache aber, dass auch die M-Boote dazu auserkoren sind, an der Lösung einer strategisch wichtigen, geradezu einmaligen Aufgabe mitzuwirken und wir dabei unser ganzes Können und unser Leben entscheidend in die Schanze schlagen dürfen, erfüllt uns Kommandanten mit Stolz und Genugtuung. Wir werden der Welt, besonders den Briten dort drüben aus der Insel, einmal zeigen, was eine zwar kleine, aber zähe und vorbildlich geleitete deutsche Kriegsmarine zu leisten vermag. –

Als ich an Bord meines M-Bootes zurückkehre, sehe ich wieder einmal, genau wie seinerzeit vor dem Poleneinsatz, fragende Gesichter auf mich gerichtet. Aber niemand der Besatzung erfährt ein Wort von dem, was ich soeben gehört habe. Nur Scherry erhält von mir einige Anweisungen, die sich auf die Vorbereitungen zu dem großen Angriff beziehen. Sie geben dem I. W. O. genügend zu verstehen.

Natürlich ahnt die Besatzung, dass etwas Besonderes vor sich geht. Große Ereignisse pflegen ja bekanntlich ihre Schatten vorauszuwerfen. Hier tun sie es in Form von allgemeiner Urlaubs- und Postsperre und strenger Abriegelung des gesamten Hafengebietes durch Wehrmacht und Polizei. Das ist deutlich genug. Natürlich kommen an Bord bald die tollsten Gerüchte in Umlauf. Sie beweisen aber nur, wie sehr sich die Männer mit den Dingen beschäftigen. Mancher Wunsch wird hierbei laut. Die meisten tippen aus einen Großangriff gegen England. Andere wieder glauben an eine Besetzung der französischen Kanalhäfen. Die ganz Schlauen aber sehen sich bereits auf Island stehen.

Als dann gar am Nachmittag der erste Truppentransportzug eintrifft, unzählige Stoßtrupps aussteigen und schier unglaubliche Mengen an Gerätschaften und Kriegsmaterial ausgeladen werden, da reißen die Männer der Minensuchboote Mund und Nase auf.

„Wat? — Dat sollen wir alles an Bord nehmen?“ höre ich einen Gefreiten ausrufen, der misstrauisch die auf der Pier stehenden Riesenstapel von Kisten und Kasten betrachtet. Neben dem umfangreichen Gepäck der Schützen kommen immer mehr Fahrräder, Motorräder, leichte und schwere Maschinengewehre, Panzerabwehrgeschütze, leichte Feldhaubitzen und das dazugehörige Kriegsgerät zum Vorschein. Das alles soll nicht nur auf unseren Minensuchbooten untergebracht, sondern auch seefest gezurrt werden. Beim Anblick dieser Massengüter klappt mein Stabsobersteuermann, der sonst die Ruhe immer weg hat, den Mund einmal wortlos auf und zu. Er sieht im Geiste schon das Tohuwabohu an Deck, wenn sich das Boot auf See befindet und gehörig zu schlingern anfängt. – Ihr armen Landser! – Und unser armes Schiff! –

Schließlich geht alles viel besser, als es zuerst den Anschein hat. Ein großer Teil einer Radfahrschwadron, bestehend aus zwei Offizieren und rund 50 Soldaten, wird mit allem Gepäck und Gerät auf „M 1“ untergebracht. Die Männer sind vernünftig genug, einzusehen, dass ein Minensuchboot kein Luxus-Fahrgastschiff ist. Sie sind mit dem vorhandenen knappen Platz zufrieden. Und unsere Leute helfen bereitwillig, den feldgrauen Kameraden ein warmes und trockenes Plätzchen zu verschaffen und ihr Gepäck so zu verstauen, dass es später auf See nicht schon beim ersten Brecher über Bord gespült wird. Die meisten von ihnen stellen sogar den Landsern, wie die Männer des Heeres an Bord rundweg genannt werden, ganz unaufgefordert ihre Kojen zur Verfügung. Sie sollen die ungewohnte Seefahrt einigermaßen gut überstehen, um an ihrem Bestimmungsort mit frischen Kräften ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Natürlich haben die Gerüchte über das „Wohin?“ durch das Erscheinen der Stoßtrupps neue Nahrung gefunden. Das Rätselraten nimmt jetzt erst recht kein Ende. Die Männer, die auf Island tippten, schwenken plötzlich auf Belgien oder Holland um. Sie müssen sich sagen lassen, dass es auf Island nur sehr wenig Straßen gibt, dort also auch keine Radfahrschwadronen erfolgreich eingesetzt werden können. Von den bereits in der letzten Nacht ausgelaufenen Zerstörern, die Gebirgstruppen an Bord haben und mit Kurs Narvik in See gegangen sind, hat ja niemand eine Ahnung. Nur sehr wenige erraten daher das wahre Ziel. Und diese werden auch noch ausgelacht.

Ich begrüße den Führer der Schwadron, einen Rittmeister, und stelle ihm meine Kammer zur Verfügung, was er jedoch nicht annehmen will. Erst meine lachende Bemerkung, dass ich hier an Bord der Herr im Hause bin, macht ihn gefügig. Nur allzu gern steigt er unter Deck, um sein Gepäck zu verstauen und sich um seine Leute zu kümmern. –

Ich aber steige noch einmal kurz an Land. Da sehe ich einen mir bekannten jungen Assistenzarzt mit traurigem Gesicht auf der Pier stehen, der gerade in Cuxhaven angekommen ist. „Nanu, Doktor, welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?“

„Ich komme mir bei der Kriegsmarine überflüssig vor, Herr Kaleu, weil ich noch immer kein Bord-Kommando habe!“

„Großartig! – Ich habe keinen Arzt an Bord! – Nehmen Sie Ihre Hebammentasche, Doktor, und steigen Sie ein!“

Da strahlt er über das ganze Gesicht, um gleich darauf wieder Trübsal zu blasen. „Das geht doch nicht, Herr Kaleu! – Wenn man mich sucht, – dann – – –“

„– – – sind Sie längst auf See! Alles andere bringe ich in Ordnung!“

Jetzt drückt mir der Doktor dankbar die Hand. Ich habe noch nie einen Menschen so freudig an Bord steigen sehen, wie unseren „Mister Serum“, der uns später noch unschätzbare Dienste leisten soll.

Um 20.30 Uhr werfen wir die Leinen los und verlassen den Hafen. Werden wir ihn jemals wiedersehen? - Niemand von uns kennt sein Schicksal, niemand weiß, was ihm die nächsten Tage bringen werden. Aber auch niemand ist unter uns an Bord, sei es unter der Besatzung oder unter den eingeschifften Leuten, der beim Ablegen des Bootes lange achteraus schaut. Voraus liegt der Kampf, von vorn weht der Wind. Alle sind, obgleich noch niemand die bevorstehende Aufgabe kennt, zuversichtlich gestimmt. Sie haben volles Vertrauen zum Führer und seinen Offizieren. Der Kampf um Deutschlands Freiheit und Weltgeltung geht einer zweiten, entscheidenden Phase entgegen. Auch hier werden wir den Sieg erringen – oder unser Leben für das Vaterland lassen. –

Auf der Reede von Neuwerk, jener dem Festland an der Elbemündung vorgelagerten Insel mit dem mehr als 500 Jahre alten Leuchtturm, wird geankert. Hier sammelt sich die Flottille und wartete den Zeitpunkt des Auslaufens ab.

Jetzt, nachdem auch die letzte Verbindung mit dem Lande abgebrochen ist, halte ich den Zeitpunkt für gekommen, den Schleier zu lüften und den Männern ihre bevorstehende Aufgabe bekanntzugeben.

„Alle Mann auf dem Achterdeck antreten!“ heißt der Befehl, den der Bootsmaat der Wache auspfeift. Wenige Minuten später wird mir vom I. W. O. die Besatzung vollzählig zur Stelle gemeldet. Nur die notwendigen Wachen unten in der Maschine, im F. T.-Raum und auf der Brücke sind auf ihren Stationen geblieben.

Ich steige auf jene Erhöhung, die man an Bord zwar etwas respektlos aber treffend mit „Palaverkiste“ bezeichnet. Das ist für die Besatzung das sichere Zeichen, dass der Kommandant etwas Besonderes zu sagen hat. Und ich habe etwas Besonderes zu sagen. Aufmerksam, mit spannungsvollen Gesichtern, hören sie mir zu, als ich ihnen den Einsatzbefehl des Flottillenchefs und den Erlass des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vorlese.

Dieser Erlass lautet:

„Der Führer und Oberste Befehlshaber hat der Wehrmacht zur Sicherung der deutschen Lebensinteressen eine Aufgabe gestellt, deren Erfüllung höchste Bedeutung zukommt.

Im Rahmen dieser Unternehmung treten an die Kriegsmarine im besonderen Maße Anforderungen höchster Verantwortlichkeit heran. Von der Leitung und Einsatzbereitschaft aller beteiligten Seestreitkräfte, von der Entschlossenheit jedes einzelnen mit einer Führungsaufgabe betrauten Offizieres der Kriegsmarine hängt der Erfolg der Gesamtoperation ab.

Die Durchführung und Sicherung der Landungsoperation durch die Kriegsmarine wird überwiegend in einem Raume stattfinden, in dem nicht Deutschland, sondern England mit überlegenen Seestreitkräften die Seeherrschaft auszuüben in der Lage ist. Die Erfüllung unseres Kampfauftrages muss und wird uns trotzdem gelingen, wenn jeder Führer in der Erkenntnis der Größe seiner Aufgabe das Äußerste daransetzt, das ihm gesteckte Ziel zu erreichen.

Der Ablauf der Ereignisse und die im Verlauf der Einzelunternehmungen an Ort und Stelle sich ergebenden Lagen können nicht vorhergesehen werden. Die Erfahrung lehrt, dass Glück und Erfolg auf der Seite desjenigen stellen, der höchste Verantwortungsfreudigkeit mit Kühnheit, Fähigkeit und Geschicklichkeit verbindet.

Überraschung und schnelles Handeln sind die Voraussetzung für das Gelingen der Operation. Ich erwarte, dass die Führer aller Gruppen und alle Kommandanten von dem unbeirrbaren Willen beherrscht sind, den ihnen befohlenen Zielhafen trotz aller auftretenden Schwierigkeiten zu erreichen, dass sie beim Einlaufen in die Ausschiffungshäfen mit größter Entschlossenheit austreten und sich nicht durch Anhalte- und Abwehrmaßnahmen örtlicher Befehlshaber oder durch Wachfahrzeuge und Küstenbefestigungen von der Erreichung ihres Zieles abschrecken lassen. Alle Versuche, den Vormarsch der Streitkräfte aufzuhalten oder zu verhindern, sind abzuwehren. Widerstand ist nach Maßgabe der in den Operationsbefehlen erteilten Weisungen mit rücksichtsloser Entschlossenheit zu brechen.

Der Einsatz der Kriegsmarine bei der befohlenen Operation ist groß, der Wille, aller sich der Durchführung entgegenstellenden Hemmnisse Herr zu werden, soll noch größer sein. Der Glaube an die Gerechtigkeit unserer Sache und das unbedingte Vertrauen zu unserem Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht geben uns die Gewissheit, dass der Sieg auch bei der Erfüllung dieser Aufgabe auf unserer Seite sein wird.

Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine

R a e d e r

Großadmiral.“

„Jungens“, so schließe ich meine kurze Ansprache, „wir werden in den nächsten Tagen allerhand zu tun bekommen. Lange genug haben wir ja auf diesen Augenblick gewartet. Jetzt werden wir einmal zeigen, was ein Minensuchboot, besonders aber unser Boot, alles leisten kann. – Ich verlasse mich auf euch, weil ich euch kenne. Dass ihr euch auf mich verlassen könnt, wisst ihr! –Wir werden die Tommies schlagen, wo wir sie treffen! – Unser Ziel heißt: England!“

Nach einem dreifachen „Sieg-Heil!“ auf unseren Führer, dessen Donnern die ganze, helle Begeisterung meiner Leute verrät, schließe ich den einzigartigen Appell, den wohl niemand mehr, der dabei ist, vergessen wird.

Tigerflagge heiß vor!

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