Читать книгу Tigerflagge heiß vor! - Hans Bartels - Страница 9

Höchstens einen Tag soll der Aufenthalt im Kieler Hafen dauern. Sieben Tage werden daraus. Das Boot muss noch in die Werft. Irgendwo in der Maschine klappert es. Da hilft kein Brummen und kein Fluchen. Was sein muss, muss sein. Äußerste Betriebssicherheit des Bootes ist erstes Gebot. Also hinein ins Dock.

Eine ganze Woche lang ist man nun zur Untätigkeit verurteilt. Es ist zum – Kuchenbacken! Allerlei mäßige Gedanken gehen einem dabei durch den Kopf. In der Messe sehe ich ebensolche Gesichter wie das meinige. Das Nichtstun behagt keinem von uns. Der einzige, der den Kopf voller Sorgen und alle Hände voll Arbeit hat, ist der Leitende Ingenieur, Stabsobermaschinist P., dessen langen Namen wir in alter Tradition des M. A. F. (Marine-Abkürzungs-Fimmel) auf „Rax“ vergewaltigt haben. Besagter Rax wagt sich kaum noch in die Messe. Die ewigen Fragen nach dem „Seeklar“ gehen ihm auf die Nerven. Dabei wissen alle, dass er sein Bestes tut, das Boot schnellstens wieder unter Dampf zu bringen. Hexen kann aber auch er nicht. — An einem Abend dieser Werftliegezeit macht unsere Phantasie besondere Sprünge. Ich beschäftige mich seit langer Zeit mit U-Booten und kann mir keine schönere Aufgabe als die eines U-Boot-Komman-danten denken. Leider aber hat die Kriegsmarine entweder etwas anderes mit mir vor, oder der Andrang zur U-Boots-Waffe ist so groß, dass man auf meine Person verzichten kann. Mit meiner Sehnsucht stehe ich aber nicht allein. – In Scherry, meinem I. W. O., habe ich einen verständigen und zu allen Schandtaten bereiten Leidensgefährten gefunden. Auch er liebäugelt mit der Unterwasser-Konkurrenz. Wir wollen etwas erleben. Vor allen Dingen: wir wollen dem Tommy endlich einmal gehörig auf den Pelz rücken. Mit unserem braven „M 1“ werden wir aber schwerlich jemals gen England marschieren, jedenfalls nicht zum Angriff auf die Home Fleet Seiner britischen Majestät. Aber gerade diese hat es uns angetan. So als U-Boot-Kommandant — wie einst Otto Weddingen – einen oder gar mehrere dieser dicken Plätteisen zu knacken und damit das Gesicht des ollen Mister Chamberlain noch um einige Zoll länger werden zu lassen, stellen wir uns als eine ideale Lebensaufgabe vor. Ich würde mir die dicksten Pötte, am liebsten den protzigen „Hood“, herausgreifen und ihn solange mit meinen „Aalen“ besticken, bis ihm die Luft ausgeht. Das ist natürlich leichter gedacht als getan, aber trotzdem! Der Wunsch ist jedenfalls da!

Genau den gleichen Wunsch hat auch Scherry. – Was machen nun zwei solche Leidensgefährten? – Erst versuchen sie sich durch einige Cocktails und dann gegenseitig zu trösten. Schließlich aber haben sie eine Idee. Sie ist zwar sehr ausgefallen, entspricht daher nicht ganz den Organisationsbestimmungen der Kriegsmarine und sonstigen Vorschriften über den schriftlichen Verkehr mit Vorgesetzten, hat aber dafür den erfolgversprechenden Vorteil, einmalig zu sein. Diese Idee bringen wir beide sogleich zu Papier. Sie besteht aus einem an den Chef der Organisationsabteilung der U-Boote gerichteten Silbenrätsel. Ich simuliere, Scherry schreibt: 1. Navigatorischer Begriff. 2. Zusammenstellung von Landkarten. 3. Zahlungsmittel. Und so weiter. Immer eine Frage nach der anderen. Darüber, alphabetisch geordnet, die zur Verfügung stehenden Silben. Und darunter die Erklärung: Die ersten und letzten Buchstaben der Lösung ergeben, von oben nach unten gelesen, eine alte Bauernregel. – Und sie lautet: „Bartels und Scherry müssen sofort zur U-Boots-Waffe.“ – Ob das etwas nützt? – Frisch gewagt ist halb gewonnen. Also hinein in den Briefumschlag und weg damit! – Jetzt haben wir erst recht einen Grund, einen neuen Cocktail zu mixen. Es bleibt nicht bei einem. Schuld hat Scherry. Er kennt meine Vorliebe für diese Arznei. – Als wir uns am anderen Morgen wiedersehen, ziehen wir in Erinnerung des abgeschickten Silbenrätsels nun doch die Stirnen kraus und kratzen uns nachdenklich das Kinn. Es ist, wie man so sagt, ein toller Bolzen. Wenn der Chef der Organisationsabteilung keinen Humor besitzt, gibt es eine meterlange Zigarre. Klappt es aber, das heißt, werden wir zur U-Boots-Waffe kommandiert, dann sind wir Hahn im Korbe. Wenn nicht, dann wird sich eine andere Gelegenheit finden.