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Der erste Einsatz

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„Beide Maschinen – Stopp!“ Langsam tauchen vor uns aus der nachtschwarzen Dunkelheit die Umrisse eines großen deutschen Kriegsschiffes auf. Es ist das Linienschiff „Schleswig-Holstein“. Völlig abgeblendet liegt es weit draußen in der mittleren Ostsee und wartet auf uns. Wir sind am Ziel unserer nächtlichen, streng geheim gehaltenen Fahrt. Vorsichtig schiebt sich die 1. Minensuchflottille zu beiden Seiten an den ruhig im Wasser liegenden Koloss heran. Auf den Decks unserer M-Boote stehen dichtgedrängt einsatzmäßig ausgerüstete Stoßtrupps der Marine-Artillerie. Wir haben sie in der vergangenen Nacht in Memel eingeschifft und uns tagsüber draußen auf See weitab jeden Schiffsverkehrs aufgehalten. Kein fremdes Fahrzeug hat uns gesehen. Jetzt sollen die Männer an das Linienschiff abgegeben werden.

Niemand weiß, wozu. Wohl haben wir seit zwei Tagen den Mobilmachungszustand. Der Pole wird von Tag zu Tag dreister. Englands Freibrief hat ihm den letzten Rest von Vernunft genommen. Der Beginn einer kriegerischen Auseinandersetzung mit diesem kümmerlichen Staat ist nur noch eine Frage von Stunden. Noch aber ist kein Schuss gefallen. Noch herrscht offiziell Friede. Die Kräfte aber sind nicht müßig. Alle Vorbereitungen für einen schlagartigen Einsatz der deutschen Wehrmacht geschehen daher in aller Stille.

Dieses Gebot überträgt sich auch auf die Marine-Stoßtrupps. Lautlos verlassen sie die M-Boote und steigen an Deck des ehrwürdigen Veteranen. Nur das Scharren ihrer Stiefel und das Klappern der Waffen und Stahlhelme ist zu hören. Sonst herrscht geisterhafte Lautlosigkeit.

Eine Stunde später nimmt die „Schleswig-Holstein“ mit östlichem Kurs Fahrt auf. Die M-Flottille übernimmt dabei die U-Boot-Sicherung. Dem Polen ist zuzutrauen, dass er ohne formelle Eröffnung der Feindseligkeiten ein deutsches Kriegsschiff torpediert. Zwar besitzt er außer einigen alten Torpedo- und Kanonenbooten nur vier neuere Zerstörer und fünf U-Boote. Es wird aber damit gerechnet, dass ihm der Engländer noch in diesen Tagen eine der zugesagten Unterstützungen in Form von einigen Schnell- und Unterseebooten zukommen lässt. Vorsicht ist also in jedem Fall geboten. –

Die Fahrt verläuft jedoch ohne Zwischenfall. Im Morgengrauen nimmt ein Schlepper vor Zoppot das Linienschiff auf, um es in den Danziger Hafen zu geleiten. Sämtliche Marine-Artilleristen sind dabei unter Deck verschwunden. Der Pole soll die deutsche Absicht, die kurz zuvor in Danzig aufgestellten Heimwehrregimenter bei der Verteidigung ihrer Stadt wirksam zu unterstützen, nicht ahnen. Die Sturmkompanie geht dort in der Nacht von Bord. Wir aber werden an der Hafeneinfahrt mit Dank entlassen und können nach unserem Stützpunkt Pillau zurückkehren.

Hier beginnen die letzten Vorbereitungen für den kriegsmäßigen Einsatz. In einer Kommandantensitzung beim Flottillenchef wird die Lage besprochen. Die Aufgaben der deutschen Seekriegsführung im Allgemeinen und die der Minensuch- und Minenräumverbände im Besonderen werden festgelegt. Jeder Kommandant erhält genaue Anweisung über den Einsatz seines Fahrzeuges. Eine allgemeine Post- und Urlaubssperre für alle fahrenden Verbände wird erlassen. Niemand darf mehr an Land, kein Brief darf mehr in die Heimat abgehen. Es scheint nun also doch ernst zu werden. Als ich auf mein Boot, „M 1“, zurückkehre und die Offiziersmesse betrete, werde ich von allen Seiten erwartungsvoll angesehen. Dass seit Tagen etwas „in der Luft liegt“, ist allgemein bekannt. Nicht umsonst werden täglich Tausende von Reservisten eingezogen. Gerüchte mannigfacher Art schwirren umher. Aber niemand weiß etwas Bestimmtes. Nun soll ich endlich Klarheit bringen.

„Meine Herren, wir dürfen uns auf allerlei Beschäftigung und Abwechslung gefasst machen. Der Pole bekommt etwas aufs Fell!“ Aus den Gesichtern meiner Offiziere lese ich, dass sie mit meinen Worten nur zum Teil zufrieden sind. Ich habe ihnen ja eigentlich auch nichts Neues erzählt. Sie möchten nun gerne Einzelheiten wissen. Aber selbst seinem Ersten Offizier gegenüber, der seine rechte Hand ist, muss ein Kommandant schweigen. Und mein erster Wachoffizier, Leutnant z. See B., ist ein vernünftiger Mensch. Er fragt nicht, sondern wartet in Ruhe auf die Dinge, die da kommen werden.

„Lassen Sie das Boot gefechtsbereit machen, Scherry!“ Dieser Befehl genügt ihm. Ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. „Scherry“ ist eigentlich nur ein Spitzname. Es sein in die Cocktail-Sprache umgewandelter Familienname. Dass er sich diesen vom ganzen Offizierskorps der Flottille lächelnd gefallen lässt, kennzeichnet seinen humorvollen Charakter. Er ist überhaupt ein prachtvoller Kerl, was sich besonders in den kommenden Kampftagen zeigt. „Scherry“ ist also jetzt der Mann, der an Bord überall und gleichzeitig seine Nase in alle Dinge steckt, der allen unnötigen Ballast von Bord schickt, für die Proviant- und Geräteübernahme sorgt, der hartherzig jeden Anlandgeh-Schein verweigert und alles, was aus dem M-Boot Beine hat, in Bewegung bringt. Mit einem Wort: er ist der für den kriegsmäßigen Zustand des Schiffes verantwortliche Offizier. Ohne eine solche rechte Hand stände jeder Kriegsschiffkommandant auf verlorenem Posten.

Die nächsten Tage sind mit diesen Vorbereitungen angefüllt. Die Maschinen werden noch einmal gründlich überholt, Übungsfahrten gemacht und abwechselnd, mit „M 3“ die U-Boots-Sicherung auf Pillau-Reede übernommen. Aber noch immer herrscht der Vorkriegszustand.

Am 30. August kommt die erste Meldung über eine vorbereitende Aktion der Polen. Ihre drei Zerstörer „Grom“, „Blyscawina“ und „Burza“ sind mit Kurs England aus Gdingen in See gegangen. An Bord befindet sich der größte Teil des polnischen Staatsgoldes. Die Brüder bringen also bereits ihren Schatz in Sicherheit. Wahrscheinlich ahnen sie schon, was ihnen in den nächsten Tagen blüht.

Teile der deutschen Seestreitkräfte heften sich an ihre Fersen. Mehr als einmal haben die Verfolger die enteilenden polnischen Zerstörer prachtvoll in der Visierlinie ihrer Torpedos. Leider dürfen sie aber nicht auf bewussten Knopf drücken, denn noch ist der Krieg nicht ausgebrochen. Als dann endlich die Meldung von dem Einmarsch in Polen kommt, befinden sich die Zerstörer bereits in englischen Hoheitsgewässern. Schade! Auf dem Grunde der Nordsee würde das polnische Gold weniger Unheil anrichten, als in den Stahlkammern der Bank von London.

Tigerflagge heiß vor!

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