Читать книгу Tigerflagge heiß vor! - Hans Bartels - Страница 14
Kurs nordwärts.
ОглавлениеZusammen mit drei weiteren Booten der Minensuchflottille werden um 5.45 Uhr des 8. April 1941 die Anker gelichtet. In Marschformation verlässt die Flottille, voran das Führerboot, die Reede von Neuwerk. – Kurs nordwärts.
Eine spiegelglatte See und leichter SO-Wind versprechen einen flotten Fahrtverlauf. In der Deutschen Bucht empfängt uns ein herrlicher, sonniger Apriltag. Er lässt schnell den langen, harten Winter vergessen. Nach und nach kommen alle Landser an Deck. Staunend blicken sie auf das weite, im Sonnenglast funkelnde Meer, das sie noch nie zuvor gesehen haben. Mit vollen Lungenzügen genießen sie nach der drangvollen Enge unter Deck die frische, reine Seebrise.
Auch die beiden Offiziere haben sich – vorzüglich geschlafen, wie sie behaupten – in der Messe eingefunden. Zu dem vorgesetzten Frühstück lassen sie sich nicht lange nötigen. Ihrer Behauptung nach hat ihnen die Seefahrt bereits kräftigen Hunger gemacht. Der Pantrygast, der sie bedient, lächelt in sich hinein. Was so ein Landser schon alles unter Seefahrt versteht! –
Um 8 Uhr treffen wir mit dem Minenwurfverband und den restlichen Booten der M. S. Fl. zusammen. Während der Minenwurfverband, unter dem wir auch unsere guten alten Hamburger Seebäderdampfer „Cobra“ und „Königin Luise“ wiedererkennen, in Marschformation Fahrt aufnimmt, bilden wir M-Boote einen Gürtel zur U-Boots-Sicherung. – Mit Höchstfahrt geht es jetzt gen Norden. –
Die Kriegswache ist aufgezogen. Alle Gefechtsstationen sind besetzt. Ständig wird scharfer Ausguck gehalten, besonders nach Westen. Trotz strengster Geheimhaltung kann der Brite durch sein Spionagesystem doch Kenntnis von unserer Aktion erhalten haben. In diesem Falle wird er alles daran setzen, uns den Weg zu verlegen und uns abzufangen.
Ich brauche aber meine Männer gar nicht mehr zur besonderen Aufmerksamkeit zu ermahnen. Seit sie ihre Aufgabe kennen, herrscht eine derartige Begeisterung und Einsatzfreudigkeit, dass ich ihren Drang, den ersten Gegner zu erspähen, etwas dämmen und die Freiwache unter Deck zum Schlafen schicken muss.
„Kinder, macht, dass ihr in die Koje kommt! Ihr werdet noch oft genug Wache halten müssen!“
Was die Vernunft aber einsieht, macht die Neugierde der Landser wieder zuschanden. Auf und unter Deck ist sehr bald ein buntes Treiben entstanden. Es gibt kein Luk und keinen Raum, durch den nicht irgendeiner der Mecklenburger und Westfalen zu krauchen versucht. Alles wollen sie sehen, alles wollen sie wissen und – wenn es geht – auch möglichst alles einmal ausprobieren. Matrosen und Maschinenpersonal der Freiwache sind den feldgrauen Kameraden bei der Befriedigung ihrer Neugierde soweit wie möglich behilflich. Mit Lammesgeduld erklären sie ihnen dies und das und jenes. Dass dabei natürlich mancher Ulk getrieben wird, ist jedem, der die „Seelords“ kennt, verständlich. Da auch die Landser nicht gerade zart besaitet sind, herrscht an Bord sehr bald ein herzliches Einvernehmen zwischen Grau und Blau.
Allerdings gibt es auch kritische Momente. Da stiefelt doch weiß Gott so ein urwüchsiger Gefreiter aus „Land Ein“, der außer einem Fischerkahn auf seinem Mecklenburger See noch nie ein schwimmendes Fahrzeug gesehen hat und sich daher ganz besonders für unser Boot und seine Einrichtungen interessiert, durch die untersten Räume des Schiffes. Hier dreht er in einem unbewachten Augenblick aus purer Neugier, „was nun geschieht“, wie er meint, an einem der allerorts befindlichen Handräder. Wenn nicht zufällig ein Mann vom Maschinenpersonal dazukommt, öffnet dieser brave Landser tatsächlich die Flutventile! Das hätte für uns sehr unangenehme Folgen haben können. Hilflos wären wir in die Tiefe gegangen. Von Stund an haben meine Männer ein wachsames Auge. Wo sich ein Landser allzu neugierig zeigt, wird er höflich aber bestimmt an Deck hinauskomplimentiert. –
Am begeistertsten über die Seefahrt und das Leben an Bord ist aber der Führer der Radfahrschwadron. „Wenn ich einen blassen Schimmer von der Marine gehabt hätte, wäre ich nicht Kavallerist, der ich ja nun auch nicht einmal mehr bin, sondern Seeoffizier geworden!“ bekennt er freimütig. Seit dem Frühstück ist er nicht mehr von der Kommandobrücke herunterzukriegen. „Lieber Kapitänleutnant, tun Sie mir den einzigen Gefallen und lassen Sie mich hier oben, das heißt, wenn ich Ihnen wirklich nicht im Wege stehe!“
Zwar steht er uns gelegentlich doch einmal ein wenig im Wege, aber das macht nichts. Wir Seeleute sind höflich, auch wenn die Landratten das Gegenteil behaupten, und versichern, dass es nicht der Fall sei, um der Begeisterung des Rittmeisters keinen Abbruch zu tun. –
Den ganzen Tag über bleibt das Wetter herrlich und die See ruhig, so dass wir bei unserer ständigen Höchstfahrt ein gutes Stück vorwärts kommen. Gegen Abend aber fällt das Wetterglas ziemlich rasch. Neptun macht sich – besonders bei den Feldgrauen – plötzlich unbeliebt. Dieser schon etwas reichlich alt gewordene Herr scheint seinen klaren Blick für die Notwendigkeit des deutschen Vorgehens verloren zu haben. Vielleicht ist er auch von Mister Churchills Lügenmärchen schon betört. Es sieht jedenfalls so aus, als ergreife er Partei für ihn und seine verbündeten „Neutralen“. Er tut nämlich das, was uns am wenigsten willkommen ist. Er bedeckt die Nordsee mit einem Nebelbrei, der es in sich hat, so dass das Fahren im geschlossenen Verbande langsam zu einem artistischen Kunststück wird.
Zum Glück wird nach Einbruch der Dunkelheit unsere Gruppe zur Erledigung ihrer Sonderaufgabe entlassen, so dass wir jetzt nur noch vier Boote sind.
Der Nebel, der schon bei Tageslicht eine Sicht von höchstens 50 Metern gestattete, ist jetzt in der Dunkelheit so dicht geworden, dass wir bald nicht mehr die Hand vor Augen erkennen können. Trotzdem wird mit Höchstfahrt weiter vorgestoßen. Der Befehl lautet, am kommenden Morgen um 5.15 Uhr vor dem Hafen Egersund zu stehen. Dieser Befehl muss unter allen Umständen ausgeführt werden, koste es, was es wolle. Es wird also gefahren, und wenn die Fetzen fliegen.
Wir laufen direkt hinter dem Führerboot. Sein Scheinwerfer, den es am Heck aufgestellt hat, ist kaum zu erkennen. Und das, was wir von ihm sehen, dürfen wir unter keinen Umständen aus den Augen lassen. Verlieren wir erst den Anschluss, dann ist der ganze Erfolg unseres Unternehmens in Frage gestellt.
Ich postiere also die ganze Nacht hindurch zwei Männer am Bug unseres Bootes. Sie müssen den Heckscheinwerfer des Führerbootes beobachten und durch Telefon die Abstandes und Richtungsveränderungen auf die Brücke geben. Dass bei dieser Fahrt auf Biegen oder Brechen sämtliche Wachoffiziere des Bootes, obgleich es keineswegs notwendig ist, auf der Brücke stehen, ist nahezu selbstverständlich. Denn welcher Seeoffizier kann bei einer solchen Höchstfahrt im dicksten Nebelbrei ruhig unter Deck bleiben? – Es wird jetzt geschlossene Formation gefahren, das heißt: Ein Meter Abstand vom Vordermann, Bug an Heck. Es ist unwahrscheinlich anstrengend, kitzlig – aber doch irgendwie schön und gewaltig. Bei einer Geschwindigkeit, die der eines gutfahrenden Personenzuges entspricht, will es etwas heißen, so zu fahren. Eine kleine Unachtsamkeit, und wir sitzen dem Vordermann mitten im Heck. In dieser Nacht bekommt unser Rittmeister zur See, wie wir ihn wegen seiner Begeisterung für die Marine getauft haben, einen schon bedeutend besseren Einblick in den Dienst auf einem deutschen Kriegsschiff. Seine Lust an der Seefahrt wird aber dadurch nicht gemindert. Dagegen steigt seine Achtung vor den Seeleuten- und dem technischen Personal. Sie sind zwar nicht immer ganz so militärisch wie ein alter Infanterist, harren aber auf ihrem schweren und verantwortungsvollen Posten bis zum Umfallen aus und lassen sich durch nichts von der Erfüllung ihrer Pflicht abhalten.
Eine gute Seite aber hat der Nebel doch. Sie ist gar nicht zu unterschätzen. Die britischen U-Boote werden uns schwerlich finden. Sie sind, um erfolgreich zu sein, auf besseres Wetter angewiesen. Selbst bei einem zufälligen Zusammentreffen ist es bei diesem Wetter für ein U-Boot undenkbar, einen Torpedo auf uns abzuschießen. Ehe es uns erkennt und ehe es zum Angriff übergehen kann, sind wir in diesem Nebelbrei längst wieder seinen Blicken entschwunden. — Zum Glück befinden wir uns vorläufig noch im offenen Gewässer. Untiefen gibt es hier noch nicht. Wir können also aus den Maschinen alles herausholen. Kurz vor Mitternacht bekomme ich die Meldung, dass die zweite Rotte, also die beiden letzten Boote, den Anschluss an uns verloren haben. Ich gebe die Meldung an das Führerboot weiter. Trotzdem wird mit der Fahrt um keinen Deut heruntergegangen. Die zweite Rotte muss selbst zusehen, wie sie die Einfahrt von Egersund erreicht.