Читать книгу Tigerflagge heiß vor! - Hans Bartels - Страница 6
Eine kuriose Spur.
ОглавлениеDie Frage, wo die polnischen U-Boote geblieben sind, lässt mir keine Ruhe. Stehen sie überhaupt noch in der Ostsee? Dann können sie eigentlich nur in dem polnischen Kriegshafen Gdingen oder in einem der kleinen, längs der Außenküste der langgestreckten, schmalen Halbinsel Hela liegenden Häfen stecken. Einer dieser in Frage kommenden Orte ist der kleine Hafen Großendorf. Diesen Hafen werden wir einmal unter die Lupe nehmen.
In einer mondhellen Nacht pirschen wir uns bis dicht an das Hafenbecken von Großendorf heran. Alle Gläser treten in Tätigkeit. Im Hafen ist aber nirgends der Schattenriss eines polnischen U-Boots zu entdecken. „Ausgekniffen!“ meint mein II. W.O., Fähnrich z. See Sch., lakonisch. Er wird vom Offizierskorps an Bord nur stets bei seinem Vornamen Edmund genannt. Auch an Land regt sich nichts. Polnische Batteriestellungen sind nirgendwo auszumachen. Die Polen sind also tatsächlich mit dem Ausbau der Halbinsel Hela noch längst nicht fertig. Und dabei wollen sie in drei Tagen in Berlin einmarschieren? O ihr einfältigen Pinsel! – Durch F. T. mache ich meinem Flottillenchef Meldung von unseren Beobachtungen. Ich hätte es lieber nicht tun sollen. Denn als am Nachmittag das Führerboot mit dem Flottillenchef vor Großendorf erscheint, um sich von der Richtigkeit meiner Meldung zu überzeugen, bekommt es von Land aus plötzliches Artilleriefeuer. Die Polen sind erst am Vormittag mit der Aufstellung ihrer fahrbaren Batterie fertig geworden. –
Als Antwort auf meine neugierige Suche nach den polnischen U-Booten erhalte ich in der Nacht zum 2. September die Meldung, dass in der Nähe der Halbinsel Hela ein deutscher Zerstörer von einem feindlichen Unterseeboot angegriffen worden sei. Der Angriff konnte zwar abgewehrt, das U-Boot jedoch nicht vernichtet werden.
Das ist endlich ein brauchbarer Hinweis. Diesen Burschen werden wir uns jetzt kaufen. Die ganze Nacht hindurch kreuzen wir im angegebenen Quadrat umher. Niemand denkt an Schlaf. Ein jeder an Bord will dabei sein, wenn wir dem Gegner den Garaus machen. – Hoffentlich finden wir ihn! –
Bis zum Morgengrauen verläuft die Suche jedoch ergebnislos. Weder „M 1“ noch die übrigen Boote der Flottille finden eine Spur. Ist uns der Bursche doch wieder durch die Lappen gegangen? – Da hallt jedoch plötzlich – es ist 6.25 Uhr – ein Ruf vom Ausguck herab: „Torpedolaufbahn an Backbord!“
Im Nu bin ich aus der Messe, in der ich mich gerade zu einem kleinen Morgenimbiss niedergelassen habe, wieder auf der Brücke. Der Wachhabende Offizier hat bereits das Boot hart Steuerbord gedreht. Der Torpedo verfehlt sein Ziel. Mit hoher Fahrt zieht die Blasenbahn an Backbord an uns vorbei. Wir atmen auf. Das ist noch einmal gut gegangen. Von dem U-Boot ist jedoch nirgends etwas zu sehen. Es hat wahrscheinlich, ohne erst das Ergebnis seines Angriffes abzuwarten, schleunigst das Weite gesucht! Mit deutschen Wasserbomben mag es nicht gerne Bekanntschaft machen.
Während die eine Hälfte der Besatzung noch immer nach dem U-Boot sucht, betrachte ich interessiert die etwas sehr auffällige Blasenbahn des davoneilenden Torpedos. Jetzt stutze ich und auch Scherry schüttelt verwundert den Kopf. Wir haben beide den gleichen Gedanken. „Das ist doch keine Torpedo-Blasenlaufbahn?“ Die Wasseroberfläche wird dabei in viel zu eigenartigen Formen aufgesprüht. Ich möchte auf ein dicht unter der Wasseroberfläche entlang rauschendes Sehrohr tippen, wenn die Blasenbahn nicht zu breit dafür wäre. Mein Stabsobersteuermann aber ruft hastig aus: „Herr Kaleu! Ein U-Boot, das den Lukendeckel nicht richtig dicht bekommt!“
„Donnerwetter! – Das wäre ein netter Fang! – Alle Mann auf Gefechtsstation! · Beide Maschinen volle Kraft voraus!“ Wir jagen der Blasenspur nach und müssen mächtig aufdrehen, um sie einzuholen. Währenddessen stehen die Männer an den Kanonen und zittern förmlich vor Begeisterung. Sie warten jetzt nur noch auf das Auftauchen des U-Bootes. Sekunden später kann es die letzte Fahrt in die Tiefe antreten. –
Aufmerksam und mit immer wachsendem Erstaunen beobachten wir die Blasenbahn, die mit einer geradezu unheimlicher Geschwindigkeit in schnurgeradem Kurse vor uns dahinzieht. Dabei haben wir alle Mühe, sie einzuholen.
„Eine solche Geschwindigkeit kann nie und nimmer ein U-Boot entwickeln!“ lässt sich jetzt Scherry vernehmen, der das Glas nicht von den Augen nimmt. Auch ich zweifle längst daran, dass wir hier einen der langgesuchten Gegner geschnappt haben. Oder sollte es doch eine bisher streng geheim gehaltene neue Art von Unterseebooten mit einer bedeutend höheren Geschwindigkeit sein? Wenn schon, dann besitzt aber der Pole bestimmt keine solche moderne Waffe. Also müsste es sich hier um etwas anderes handeln. — Schließlich ist das nebensächlich. Wir werden jedenfalls der Sache sogleich auf den Grund gehen.
Endlich haben wir den Ursprung der eigenartigen Blasenspur erreicht. In unverminderter Geschwindigkeit eilt sie an der Wasseroberfläche entlang. Wir laufen jetzt dicht neben ihr. Aber alle Bemühungen, unter ihr ein U-Boot oder wenigstens einen Torpedo zu entdecken, bleiben umsonst. Außer der wie kochendes Wasser emporhüpfenden Spur ist nichts zu finden.
Die Geschichte fängt langsam an, kurios zu werden. Irgendeine Ursache muss ja schließlich diese Erscheinung haben. So mir nichts, dir nichts bildet sich mitten auf dem Meer kein solch sonderbarer Schaumstreifen.
Wahrscheinlich würden wir noch sehr lange daran herumraten und auf alle möglichen Ursachen tippen, wenn nicht einer der Männer zufällig den Blick nach oben wirft. Was er sieht, lässt uns alle den Kopf in den Nacken werfen. An einem nur leicht bewölkten Himmel hängt ein riesiger Windtrichter, dessen schlauchartiges Ende bis auf die Meeresoberfläche herabreicht. Und dieser rotierende Zipfel der rasch dahinziehenden Windhose verursacht auf der Wasseroberfläche jene eigenartige Blasenerscheinung, die wir aufmerksam verfolgten. Petrus hat uns also einmal richtig zum Narren gehabt.
Jetzt werden wir ihm aber den Spaß verderben. Mit äußerster Maschinenkraft laufen wir voraus, drehen hart bei und legen uns vor die Laufbahn der Windhose. Wir sind jetzt neugierig, ob sie einfach über unser Schiff hinwegspringen und jenseits weitereilen, oder mit uns Fangball spielen wird.
Rasch kommt die Windröhre näher, während wir ruhig liegen bleiben. – Jetzt hat sie das Schiff erreicht und jetzt – fliegen einige Mützen hoch. Was locker im Winde weht, wird plötzlich im scharfen Wirbel emporgerissen. Aber schon im nächsten Augenblick ist der Spuk vorbei. Abgeschnitten durch unser Boot, hat die Windhose den anscheinend notwendigen Anschluss an das Wasser verloren. Zusehens schrumpft sie zusammen, wird kleiner, steigt höher — aus ist der Traum.