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Die feierliche Eröffnung rückt näher
ОглавлениеAm 7. Oktober 1970 sollte der Nationalpark mit einem Festakt eröffnet werden. Dass bis dahin ein Wisent-, ein Luchs- und ein Rothirschgehege fertig würden, war kaum vorstellbar. Es wäre auch nicht gelungen, wenn nicht Hermann Puchinger von der Waldarbeitsschule Buchenbühl bei Nürnberg, den Georg Sperber kannte und dessen hervorragende Arbeit er schätzte, ans Nationalparkamt abgeordnet worden wäre. Ihm ist es zu verdanken, dass diese großflächigen Einrichtungen in der Gehegezone noch rechtzeitig fertig wurden. Parallel dazu hatte der „Bund Naturschutz“ 1970 mit außerordentlichem Erfolg eine Spendenaktion für Tiere für die Gehege im Nationalpark gestartet. 600 D-Mark wurden für einen Bären angesetzt, der dann den Namen des Spenders erhalten sollte, 1.000 D-Mark für eine Gämse und 6.000 D-Mark für einen Wisent. Geld für mehrere hundert Bären wurden gespendet! Aber wo sollten die im Nationalpark leben? Ein Problem, das zum Glück nicht wir, sondern der „Bund Naturschutz“ den Spendern klarmachen musste. Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl, dem wir bei einem Besuch die Schäl- und Verbissschäden zeigten, stiftete einen Luchs, „um das Schalenwild besser regulieren zu können.“
Selbstverständlich mussten außerdem Spazier- und Wanderwege nicht nur in der Gehegezone, sondern möglichst bald auch in anderen ortsnahen Gebieten des Nationalparks geschaffen werden. Die heruntergekommene Forststraße zur Racheldiensthütte musste befahrbar gemacht werden, da diese zu einem Waldgasthof ausgebaut werden sollte. Das Klosterfilz bei Riedlhütte stellte uns vor ein besonderes Problem: Eines der größten und ursprünglichsten Hochmoorgebiete im Bayerischen Wald am Rande des Nationalparks wollte die Gemeinde St. Oswald in einen Stausee verwandeln. Investoren hatten sich schon Grundstücke gekauft. Der Lebensraum der letzten Birkhühner in der Region wäre damit zerstört worden, ebenso wie der für die letzten Fischotter in Süddeutschland. Auf Weinzierls Betreiben stiftete Bernhard Grzimek einige 10.000 D-Mark, sodass der „Bund Naturschutz“ noch im Frühjahr 1970 etwa 20 Hektar des 100 Hektar großen Gebietes ankaufen konnte. Dank der Unterstützung von Landrat Bayer verschwand der Stauseeplan daraufhin in der Schublade.
„Müllhappening“: Mehrere, mit im Nationalpark „entsorgten“ Autos vollbeladene LKWs wurden 1970 aus dem Wald gefahren.
(Fotos: Hans Bibelriether)
Die Zusammenarbeit mit den Forstämtern, insbesondere mit meinem Studienkollegen Franz Cronauer, dem Forstamtsleiter von St. Oswald, wurde immer schwieriger. Eine Woche vor der Eröffnung am 7. Oktober ließ er die Wanderwege in der Gehegezone, dem heutigen Tierfreigelände, durch Gräben unterbrechen, angeblich um Regenwasser abzuleiten. Außerdem ließ er Zäune bauen, damit die Besucher der Gehegezone nicht in den Wald nebenan gehen konnten.
Immer mehr Reporter und Fernsehteams kamen in den Nationalpark, aber auch ausländische Gäste, Wissenschaftler, Tourismusexperten und auch Jäger. Dem Vizepräsidenten des Bayerischen Jagdverbandes Seubert gegenüber äußerte Ministerialdirektor Haagen, er hätte „zwei Verrückte im Nationalpark“. Der Zweckverband unter dem Vorsitz von Landrat Bayer dagegen unterstützte uns konstruktiv. In seiner Sitzung am 24. Juli 1970 beschloss der Zweckverband sechs Punkte als Forderung an das Ministerium:
– die Zuständigkeit für die Tierwelt (Jagd und Fischerei) müsse an das Nationalparkamt übertragen werden;
– die Waldbehandlung müsse den Naturschutzzielen untergeordnet werden;
– das Nationalparkamt brauche mehr Geld, mindestens zwei Millionen D-Mark jährlich;
– das Nationalparkgebiet solle vollständig unter Naturschutz gestellt werden;
– das Nationalparkgebiet solle im Süden bis an die Staatswaldgrenze und im Nordwesten bis zum Kleinen Rachel erweitert werden;
– für den Ankauf wertvoller Randgebiete müsse Geld bereitgestellt werden.
Ähnliche Forderungen vom „Bund Naturschutz“ wurden auch einstimmig vom Zweckverband unterstützt.