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Eine Idee nimmt neue Formen an
ОглавлениеErneute Rufe nach einem Nationalpark in Deutschland während der 50er Jahre blieben zwar noch ungehört, doch Mitte der 60er Jahre schlug die Stunde eines weiteren Visionärs. Bei seinem Antritt als ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter der Regierung von Niederbayern stieß der Diplomforstwirt Hubert Weinzierl 1966 auf umfangreiche Akten über einen geplanten Nationalpark Bayerischer Wald/Böhmerwald. Sie stammten aus den 20er und 30er Jahren und bewegten Weinzierl dazu, die Begründung des ersten Nationalparks in Deutschland zu seiner Aufgabe zu machen.
Weinzierl war mit Dr. Bernhard Grzimek befreundet und begleitete den berühmten Tierfilmer und Präsidenten des Deutschen Naturschutzrings auf Reisen in afrikanische Nationalparke, vor allem die Serengeti. Auf einer zweitägigen gemeinsamen Wanderung 1967 durch den Bayerischen Wald gelang es Weinzierl, den Freund für seine Idee zu gewinnen. Fortan hatte Weinzierl einen prominenten Mitstreiter an seiner Seite. Im Juni 1967, bei einer Abendveranstaltung in Freyung, konnte Grzimek rund 700 Waldler für die Nationalparkidee begeistern.
Hubert Weinzierl und Bernhard Grzimek, 1970.
(Foto: Schmiedl, Seewiesen)
Bereits ein Jahr zuvor, am 15. Juli 1966, trafen sich mehrere einflussreiche Persönlichkeiten zu einem vertraulichen Gespräch mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Alfons Goppel. Der Geschäftsführer des „Bund Naturschutz“, Ludwig Rueß, der Ministerialrat im Innenministerium, Dr. Heigl, der Generaldirektor der „Staatlichen naturwissenschaftlichen Sammlungen“, Dr. Wolfgang Engelhard, Hubert Weinzierl und Dr. Bernhard Grzimek überreichten dem Ministerpräsidenten eine Denkschrift. Darin priesen sie die prächtigen Wälder, Schachten und Filze entlang der bayerischtschechischen Grenze und plädierten für die Schaffung eines Nationalparks in Bayern als „einer staatsmännischen Tat von großer Weitsicht.“
In der Pressemitteilung der Staatskanzlei vom selben Tag hieß es, die bayerische Regierung werde die Möglichkeiten zur Errichtung eines Nationalparks in Bayern prüfen. Diese Ankündigung löste bundesweite Diskussionen aus. Gegner der Nationalparkidee warfen Grzimek und Weinzierl zum Beispiel vor, sie wollten aus dem Bayerischen Wald einen Safaripark machen, obwohl Grzimek dem von Anbeginn widersprach.
„Der Mensch wird hier Gast in der Natur sein, nicht aber in erster Linie Gestalter, wie in der übrigen Landschaft.“
(Bernhard Grzimek, 1970 zum Nationalpark Bayerischer Wald)
Wie sehr sich Menschen auch außerhalb des Bayerischen Waldes mit dem Thema befassten, beweisen viele Zeitungsartikel von damals, die sich auf Experten beriefen, die statt der Rettung die Zerstörung der Natur vorhersagten. So zum Beispiel im „Münchner Merkur“ vom 21. Mai 1968, wo aus Verlautbarungen des „Verein Naturschutzpark“ wie folgt zitiert wurde: „Bei Grzimeks Nationalparkplan, gleichgültig ob es sich um 6.000 oder 10.000 ha handelt, kann nicht von Naturschutz oder Landschaftsschutz, sondern nur von zwangsläufiger Naturzerstörung und Waldvernichtung die Rede sein, die auch wirtschaftlich nicht zu verantworten wäre.“
Der Unternehmer Alfred Töpfer, damals Vorsitzender des „Verein Naturschutzpark“, nannte es unsinnig, ausgestorbene Tierarten in diesem Gebiet wieder heimisch zu machen, zumal der geplante Nationalpark in diesem Fall eingezäunt werden müsse und deshalb den Wanderern nicht mehr zugänglich sei. Ferner wurde behauptet, dass die Wälder „Horden von pflanzenfressenden Großsäugern quasi zum Fraß“ vorgeworfen werden sollten.
Andere fürchteten um das Wohl der Tiere, die während der langen und kalten Winter doch sicherlich erfrieren müssten. In dem bereits erwähnten Bericht des „Münchner Merkur“ äußerte sich Graf Lennart Bernadotte, Sprecher des „Deutschen Rates für Landespflege“: „Der Deutsche Rat für Landespflege vertritt die Auffassung, daß die in der Öffentlichkeit verbreitete Vorstellung, im Bayerischen Wald könne ein Nationalpark in der Art eines Großwildreservates eingerichtet werden, nicht an den natürlichen Gegebenheiten dieses Raumes orientiert ist. Die dortigen Klima-, Boden- und Vegetationsverhältnisse verbieten die Haltung eines so großen frei lebenden Wildbestandes, der touristisch attraktiv sein und für die wirtschaftliche Entwicklung des Raumes ins Gewicht fallen könnte … Das Ergebnis einer kritischen Untersuchung der Möglichkeiten lässt eindeutig erkennen, daß die Voraussetzungen für einen deutschen Nationalpark im Bayerischen Wald nicht gegeben sind.“