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Musikunterricht

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Als Ludwig vier Jahre alt ist, beginnt der Vater höchstpersönlich mit dem Unterricht. Das Fach heißt natürlich Musik. Die Begabung dafür muss der Junge schließlich von ihm geerbt haben. Der Lehrer ist streng, mitunter grausam. Endlich, nach dem Tod des übermächtigen Vaters, hat er das Sagen, ist er der Herrscher! Und so unterrichtet er seinen Sohn, seinen Schüler, auch. Doch um Johann gerecht beurteilen zu können, darf nicht unerwähnt bleiben, dass er als gefragter Musiklehrer wohl nur zu gut weiß, wie man ein Talent wie Ludwig zielgerichtet aufbaut.

Geduld gehört leider nicht zu Johanns Stärken. Das zeigt sich sicher schon in der ersten Stunde, als er den nichtsahnenden Jungen vor das Klavier führt und ihm die schwarzen und weißen Tasten erklärt. Ludwig hat erst auch seinen Spaß daran. Wenn er sich ein wenig streckt, kann er mit seinen Fingerchen die etwas muffig riechenden Holzstäbchen runterdrücken – dann kommt ein Ton, immer ein anderer. Aber er soll jetzt nicht klimpern, er soll sich die Namen der Tasten merken und nachsagen. Das kann er nicht. Der Schüler Ludwig hat versagt. Er wird vom Lehrer durchgeprügelt und muss ins Bett.

Man muss Verständnis haben. Geduld ist hier völlig fehl am Platze. Denn es darf nicht allzu lange dauern, bis Ludwig als Wunderkind – wie der sechsjährige Mozart – öffentlich auftreten kann. Schließlich will der von Schulden geplagte Vater auch viel Geld mit ihm verdienen. Aber er ist doch noch recht klein, der Vierjährige. Vor das Klavier muss daher ein Bänkchen gestellt werden, auf das er sich zum Üben stellen kann. Es sind nur wenige Tage, an denen er das freiwillig macht.


Denn unten im Haus duftet es so gut. Immer nach frisch gebackenem Brot, manchmal sogar nach Kuchen. Nach der Geburt des dritten Sohnes wohnt man nämlich im Haus des Bäckermeisters Gottfried Fischer, im zweiten Stock. Unter ihnen lebt der Bäcker mit seiner älteren Schwester Cäcilia und drei Kindern, über ihnen befindet sich der Mehlspeicher. Die von Johanns Vater vererbte Wohnungseinrichtung der Beethovens kann sich durchaus sehen lassen: Reich möbliert sind die sechs Zimmer, Ölgemälde – darunter das des Großvaters – schmücken die Wände. Das Silberservice, vergoldetes Porzellan und Glaswaren sind in Vitrinen zu bestaunen. Die Mutter sorgt für feine Tischwäsche. Sie selbst stammt aus einer wohlhabenden Familie, soll ein Faible für kostbare Kleidung aus ostindischen Stoffen gehabt haben.

Den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbringt Ludwig in dieser Wohnung und diesem Haus, das übrigens als das höchste private von ganz Bonn gilt. Der Junge liebt es, dem Bäckermeister bei der Arbeit zuzusehen. Ungeduldig wartet er, bis er den Rest des Teiges zusammenkratzen und verputzen darf. Nicht nur bei schönem Wetter möchte er gerne auch zum Spielen mit den anderen Kindern nach draußen. Auch wenn Bonn, seine Heimat, eher ein Dorf als eine Stadt ist: Zu sehen gibt es mehr als genug. Biegt man am Marktplatz um die Ecke, steht man bald schon vor dem gewaltigen Schloss des Erzbischofs und kann beim Glockenspiel mitsingen, das zur vollen Stunde vom Turm herunterschallt. Hinter dem Schloss ist der herrliche Hofgarten mit seinen ausgedehnten Alleen und den Taxushecken, die so viele Verstecke bieten. Wie oft ist der kleine Ludwig hier zusammen mit seinem Großvater spazieren gegangen … und dann noch zum Münsterplatz, in die wunderschöne alte Kirche. Einmal sogar sind sie den Kreuzberg hoch, zu der einsamen Klosterkapelle. Wie herrlich der Ausblick war von da oben! Und nicht zu vergessen: der Rhein. Er ist ganz nah. Man braucht ja nur ein paar Schritte die steile Rheingasse hinabzulaufen, durch das alte Rheintor. Dahinter liegt schon der ungeheure Fluss, wo man so viel erleben kann: stromabtreibende Flöße aus gewaltigen Stämmen, schwer beladene, tief gehende Frachtkähne. Man kann den Schiffern winken, die bis nach Holland fahren, oder Verstecken spielen in den dichten Weidengebüschen am Ufer.

Doch ganz egal, wo Ludwig gerade ist: Der Vater findet ihn auch dort und zerrt ihn nach Hause, prügelt ihn zur Not vor das Klavier. Die Spielkameraden, die neugierig durch das Fenster spähen, sehen das Kind weinend auf dem Bänkchen stehen. Reichen selbst die Schläge nicht aus, um ihn zum Üben zu bringen, wird der Junge eben kurzerhand in den Keller gesperrt, bis er einsichtig ist. Trotz oder wegen der Strenge des Vaters: Der Unterricht ist erfolgreich. Schon am 26. März 1778 tritt Ludwig van Beethoven, achtjährig, das erste Mal als Solist öffentlich auf. Johann hat das Konzert mit modernsten Mitteln beworben, die sich grundlegend bis heute kaum verändert haben. Der Vater setzt eine Annonce auf, in der er persönlich das Ereignis ankündigt und auf die „Wunderkind-Karte“ setzt, die ja schon bei Mozart bestens gestochen hat. Das Alter Ludwigs wird mit „6 Jahren“ angegeben. Ist es Taktik, dass hier geschummelt wird? Beginnt eine der großartigsten Musikerkarrieren aller Zeiten mit einer dicken Lüge? Es ist eher unwahrscheinlich. Doch die Irritationen über das richtige Geburtsjahr des Komponisten beginnen, der fortan selbst glaubt, jünger zu sein, als er eigentlich ist.


Kurz vor seinem sechsten Geburtstag kommt Ludwig in die Schule, das Tirocinium in der Bonner Neugasse. Religion, Gesang, Lesen, Schreiben, Rechnen sind die Unterrichtsfächer, später auch Latein. Ein notwendiges Übel, findet Vater Johann. Schließlich hat er selbst dort nicht allzu viel gelernt. Und? Ist aus ihm denn nichts geworden? Der Klavierunterricht hat also Vorrang, die Schulaufgaben sind weniger wichtig.

Das sieht allerdings der strenge Magister Johann Krengel ganz anders. Und da Prügel auch sein Haupterziehungsmittel sind, muss er bei seinem Schüler Ludwig van Beethoven reichlich Gebrauch davon machen. Denn der versagt auf ganzer Linie. Doch sehr lange wird Ludwig nicht unter Lehrer Krengel, seinen Schlägen und der Schule leiden müssen. Im Alter von elf Jahren verlässt er sie – auf Nimmerwiedersehen.

Der Gymnasiast Zambona kommt stattdessen ins Haus. Dass man mit solch einem Namen nur Fremdsprachen unterrichten kann, liegt auf der Hand. Ludwig büffelt mit ihm Latein, Französisch und Italienisch. Hat Vater Beethoven etwa von sich aus ein Einsehen gehabt? Oder ist er nur der Bitte eines durchaus lernwilligen Kindes nachgekommen? Wie dem auch sei: Man darf jedenfalls nicht behaupten, Beethoven habe in jungen Jahren keine Bildung genossen.


Nach einigen Jahren stellt Johann van Beethoven fest, dass er seinem Sohn musikalisch nichts mehr beibringen kann. Ein Mann namens Tobias Pfeiffer, mittelmäßiger Schauspieler und Musiker in einer Person, übernimmt nicht nur die Lehrerrolle, sondern auch die des Saufkumpans des Vaters – Letztere spielt er übrigens besonders überzeugend. Wie praktisch, dass er mit den Beethovens unter einem Dach wohnt.

Oft kommen die beiden Musikpädagogen nämlich erst um Mitternacht aus der Weinschenke, wo man gemeinsam gezecht hat, nach Hause und lassen sich von der Magd Kaffee und einen „guten Tropfen“ bringen. Die Zeit erscheint günstig, um jetzt den Unterricht fortzusetzen. Dass der Schüler Ludwig schon schläft, darf dabei keine Rolle spielen. Er wird geweckt und weinend vor das Klavier gezerrt. Bis zum Morgengrauen macht Pfeiffer sich die Mühe, neben dem übenden Jungen sitzenzubleiben – und dabei dem einen oder anderen Gläschen Rheinwein zuzusprechen. Dass der Unterricht bevorzugt in den Nachtstunden abgehalten wird, hat allerdings auch einen anderen Grund: Man wohnt schließlich zur Miete im Haus eines Bäckers, und Meister Fischer pflegt nachmittags zu ruhen und verbittet sich ausdrücklich jegliches Geklimpere, Gestreiche und Geplärre. Doch ob tagsüber oder nachts: Ein großes Vergnügen sind die Stunden für Ludwig ohnehin nicht, denn er muss strikt nach Noten spielen, sowohl auf dem Klavier als auch auf der Geige. Darauf wird streng geachtet. Die große Begabung des Jungen jedoch zeigt sich schon früh darin, dass er frei – ohne Noten eben – spielen, „phantasieren“ kann und möchte. Kreativität ist allerdings nicht erwünscht. „Ist denn das nicht schön?“, sagt Ludwig zu seinem Vater, als er auf dem Klavier nach eigenen Ideen improvisiert. Johann aber will das „dumme Zeug“ nicht hören und jagt ihn unter Androhung einer Ohrfeige weg.

Dennoch: Die große Begabung seines Sohnes erfüllt den Vater mit Stolz. Sie bietet nebenbei eine gute Gelegenheit, das eigene, leicht ramponierte Image ein wenig aufzupolieren. Er lädt recht bald Musikliebhaber nach Hause ein, um den Knaben – gegen Eintritt selbstverständlich – spielen zu hören. Dem Saufkumpan und Musikpädagogen Pfeiffer folgen in den nächsten Jahren mehrere andere Lehrer, die ihn in verschiedenen Instrumenten unterweisen: Klavier, Orgel, Violine, Horn.

Sonderbar ist jedoch, dass der Vater gerade das kreative Talent des Sohnes nicht fördert und sogar unterdrückt. Ob er innerlich vielleicht doch nicht will, dass Ludwig es dem Großvater nachmacht? Dieser ist nämlich – selbst nach seinem Tod – immer noch gegenwärtig. Und zwar nicht nur in Öl an der Wand. Dafür sorgt Maria Magdalena, seine Frau. Sie hält die Erinnerung an den so übermächtig großen Mann aufrecht – und zeigt ihrem Gatten dadurch umso mehr, wie mittelmäßig er selbst ist. Das klingt nicht gerade nach einer harmonischen Ehe. Kein Wunder also, dass man Beethovens durchaus hübsche, schlanke Mutter angeblich nie lachen sieht, dass sie – wie die eigene – zusehends schwermütig wird. Als „stille, leidende Frau“ bleibt sie nach ihrem Tod in Erinnerung.

»Echte Kunst ist eigensinnig!«

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