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Mutterliebe

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Maria Magdalena bereut schon bald, diesen Mann überhaupt geheiratet zu haben, der vom Wesen her das Gegenteil von ihr ist. Man lebt in beengten Verhältnissen, die Wohnung muss häufiger gewechselt werden, wobei man sich jedoch nicht wirklich verbessert (der erwachsene Ludwig van Beethoven übrigens wird in drei Jahrzehnten mindestens 30-mal umziehen). Das Geld ist ständig knapp, der Mann säuft und vergrößert die Schulden nur noch. Drei weitere Kinder, darunter zwei Mädchen, sind nicht lange am Leben geblieben.

Dass der Älteste von dem Vater misshandelt worden ist, kann Maria Magdalena nicht verborgen geblieben sein. Ob der Sohn sich jemals Hilfe suchend an seine Mutter gewandt hat? Es ist nicht bekannt. Offensichtlich aber ist, dass sie Ludwig nicht sonderlich viel Zuneigung entgegenbringt: Sie protestiert nicht gegen die harte Behandlung seitens ihres Gatten, was man von einer liebenden Mutter erwarten dürfte. Ist es das eigene Leid, das es ihr verwehrt, die starken Gefühle ihres Sohnes zu erwidern, seinen Schrei nach Liebe zu erhören? Wie viele Stunden harrt der kleine Ludwig wohl in dem dunklen Keller des Hauses in der Bonngasse aus – in der Hoffnung auf Rettung durch seine Mutter; so wie er Jahrzehnte später seinen im Kerker schmachtenden Helden Florestan in „Fidelio“ durch eine geliebte Frau, Leonore, erlösen lässt. Ein Vater, der schlägt; eine Mutter, die ihre Augen davor verschließt: Vielleicht liegt hier schon die Ursache für das – von anderen als krankhaft empfundene – Misstrauen, das der erwachsene Ludwig später seinen Mitmenschen entgegenbringt.

Nicht nur auf Cäcilia Fischer macht der Junge einen schmutzigen, ungepflegten, beinahe verwahrlosten Eindruck. Auch dies spricht nicht gerade für mütterliche Fürsorge – wohl aber für den ersten Hilferuf eines Kindes, das Aufmerksamkeit und Liebe braucht. Es gibt nur eine einzige Geschichte aus Ludwig van Beethovens Kindheit, die Zärtlichkeit ansatzweise erahnen lässt: Während einer Mutter-Kind-Reise nach Holland will Maria Magdalena auf dem Schiff die Füße des elfjährigen Ludwig in ihrem Schoß gehalten haben, um sie vor Frost zu schützen. Immerhin. Bedenken wir an dieser Stelle, wie wichtig die Beziehung zwischen Sohn und Mutter für das Liebesleben eines Mannes ist.

Es erscheint auf den ersten Blick sonderbar, dass Beethoven später von der Mutter stets mit Liebe und Achtung spricht, sie – allerdings erst nach ihrem Tod – als „eine herzensgute Frau“ und seine „beste Freundin“ bezeichnet. Selbst über den Vater verliert er sein Leben lang nicht viele Worte – und wenn, dann niemals schlechte. Andere dürfen es in seiner Gegenwart nicht wagen. Vielleicht ist diese Lebenslüge ja die einzige Möglichkeit, um Kindheit (die er ansonsten in einen Mantel des Schweigens hüllt) und Eltern schönzufärben – und somit die eigene Seele vor Schaden zu bewahren. So, wie viel später die Vorstellung aufkommt, gar nicht der Sohn dieses Vaters zu sein.

»Echte Kunst ist eigensinnig!«

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