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Last als Familienoberhaupt

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Johann van Beethoven verliert nicht nur seine Ehefrau, sondern auch jeden Halt, jeden Bezug zur Wirklichkeit. Er trinkt mehr denn je, treibt sich bis in die Morgenstunden in Lokalen herum, ist eine Schande für seine Kinder. Ein ums andere Mal muss Ludwig mit seinen beiden jüngeren Brüdern mitten in der Nacht auf die Suche nach ihrem Vater gehen. Verzweifelt verhandelt der Sohn sogar mit der Polizei und kann verhindern, dass der Sturzbetrunkene verhaftet wird. Schließlich kommt es, wie es kommen muss: Johann wird – mit 50 Jahren – wegen Alkoholismus vorzeitig aus dem Dienst entlassen. Immerhin gelingt es Ludwig, durch einen Bittbrief den Kurfürsten davon zu überzeugen, die Hälfte der Pension an ihn, den Sohn, auszuzahlen, damit er die Familie versorgen kann. Das Geld jedoch reicht alleine nicht. Der junge Beethoven muss neben seiner durch Neefe vermittelten Stellung bei Hof zusätzlich Klavierstunden geben, was er nur sehr ungern tut. „Nebenher“ kümmert er sich um die Ausbildung seiner Brüder: Karls musikalische Begabung muss gefördert werden, Johann wird bei einem Apotheker in die Lehre gegeben. Ein weiterer Schicksalsschlag hat ihm auch die Schwester genommen, die kleine Maria, die er beschützen sollte. Keine sechs Monate später folgt sie ihrer Mutter in den Tod, nicht einmal zwei Jahre ist sie alt geworden.

Welche eine ungeheure, unvorstellbare Leistung ist es, dass Beethoven neben seinen vielen Verpflichtungen auch noch die Zeit für das Üben und Komponieren findet! Eine Fülle von Jugendwerken – etwa 50 – entstehen in diesen schweren Jahren. Wie viele Stunden muss sein Tag gehabt haben? Und wie prägend sind solche Erfahrungen für das weitere Leben? Glücklicherweise steht ihm eine Frau zur Seite, die eine Art Ersatzmutter für ihn wird und eine wichtige Stütze: die Witwe von Breuning, die – wie wir wissen – selbst einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat. Ihr Mann, der Hofrat, ist einer der 14 Toten des Stadtbrandes. In ihrem Haus kann Beethoven unbeschwerte Stunden verleben, hier findet er Wärme, Geborgenheit und – Liebe, und zwar wohl nicht nur ersatzmütterliche. Denn Eleonore, das hübsche Töchterchen der Frau Hofrätin, wird „die erste Frauengestalt, die ihm innerlich stärker zu schaffen macht“, wie ein Biograph des Komponisten mit unübertrefflicher Wärme formuliert. Dass die Siebzehnjährige ihrem nur wenig älteren Klavierlehrer in der Tat so einiges bedeutet haben muss, lässt sich an einem Geschenkwunsch Beethovens ablesen. Fern der Heimat bittet er sein Lorchen in einem Brief aus Wien um „eine von Haasen-Haaren [sic] gestrickte Weste von Ihrer Hand“.

Mal ehrlich: Kann es etwas Romantischeres geben?

Es ist leider nicht bekannt, ob der zum Frösteln neigende Ludwig van Beethoven diese Weste auch trug, als er ein Jahrzehnt später seine Oper „Fidelio“ komponierte, die übrigens zunächst einen ganz anderen Titel tragen sollte: „Leonore“ … Zur Erinnerung ihr Inhalt noch mal in Kürzestfassung: Frau bringt mittels Liebe Licht ins Dunkel eines Mannes. In erster Linie sind es aber natürlich rein ideelle Gründe gewesen, die den Komponisten zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Stoff verführten. Wohl kaum die Erinnerung an die erste Liebe, sein Lorchen, von der er nicht wissen konnte, dass er sie in seinem Leben nie mehr wiedersehen würde. Im Breuning‘schen Hause jedenfalls weitet sich zu dieser Zeit nicht nur das Herz, sondern auch die Bildung des Siebzehnjährigen. Die beiden ältesten Söhne studieren immerhin Recht und Philosophie in Bonn. Auch Ludwig schreibt sich an der Universität als „philosophischer Kandidat“ ein – das ist damals ohne Gymnasialausbildung möglich – und besucht zumindest zeitweise Vorlesungen in Logik, Metaphysik, griechischer Literatur und Moralphilosophie, wenn es seine Zeit erlaubt. Woher er überhaupt noch welche nimmt, bleibt sein Geheimnis.

Doch so schön und interessant Liebe und Bildung auch sein mögen: Der für die Karriere Beethovens bedeutendste Effekt des engen Kontaktes zu der Familie von Breuning ist, dass er durch sie die Leute kennen lernt, auf die es manchmal ankommt im Leben. Als besonders wichtig soll sich für ihn ein Förderer erweisen, dem er eine seiner berühmtesten Klaviersonaten widmen wird: Ferdinand Graf von Waldstein.

»Echte Kunst ist eigensinnig!«

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