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Kapitel zwölf

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Wo sollen wir hin?

Ahmed und Bashir hatten das Übergangswohnheim hinter sich gelassen und als Bashir sich ängstlich umdrehte, stellte er erleichtert fest, dass das Gebäude außerhalb ihres Sichtfeldes lag. Offensichtlich war Ihnen auch niemand gefolgt. Ob ihr Verschwinden überhaupt registriert wurde? Wenn sie doch niemand gesehen hatte, dann waren sie doch nie dort gewesen.

Dass die Anzahl der Flüchtlinge, die mit dem Bus angekommen waren, aber festgehalten worden war, dieser Gedanke kam bei den beiden nicht an.

Bei ihrer Flucht gab es zwei Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen: der Weg hinunter in die verkehrsreiche Innenstadt oder aber die entgegengesetzte Richtung, wo sich die Stadt ins weite Land verlief, wo es vereinzelt Weinberge gab, die nach einiger Zeit in bebautes Flachland mündeten.

„Wir müssen einen Unterschlupf finden für die kommende Nacht“, sagte Ahmed. „Dann können wir auch überlegen, wie es weitergehen soll.“

„Ich habe Hunger, Bruder“, antwortete Bashir. „Wir haben lange nichts gegessen. Wo sollen wir etwas herbekommen?“

„Wir werden nach Früchten suchen. Irgendetwas Essbares wird doch hier wachsen. Komm, da hinauf!“

Ahmed zeigte auf eine Anhöhe, auf der man Wein angebaut hatte. „Vielleicht sind die Weintrauben schon reif.“

„Im September? Ist das nicht zu früh? Wir könnten krank werden.“

Ahmed sah seinen Bruder lächelnd an. „Wir werden krank, wenn wir nichts essen.“

So irrten sie durch eine Landschaft, wie sie zuvor nie eine sahen, ernährten sich von Weintrauben und Äpfeln, und irgendwann kamen sie auf einer Anhöhe an, von der man auf der einen Seite über die Stadt schauen konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite fielen ihre Blicke ins Tal, wo ihnen mehrere Ortschaften ins Auge fielen, umgeben von Flur, Wiesen und Wald. Ein Anblick, der so anders war als die Dürre in ihrer Heimat und das Elend auf den Straßen und in den Häusern.

„Es ist schön hier“, flüsterte Bashir andächtig. „Wenn das unsere Mutter und unsere Schwestern sehen könnten.“

„Wir können nicht ewig umherziehen, Bashir“, sagte Ahmed plötzlich. „Wir brauchen eine Bleibe.“

„Du willst doch nicht zurück in das Wohnheim“, klagte Bashir und sah seinen Bruder groß an. „Was sollen wir deiner Meinung nach tun?“

Ahmed überlegte kurz. Dann wirkte er entschlossen. „Wir werden zurückgehen … nein, keine Sorge“, wehrte er den geplanten Einwand seines Bruders ab. „Wir werden vorsichtig sein. Niemand von der Security darf uns bemerken. Wir müssen mit denjenigen reden, die schon länger dort wohnen. Landsleute. Es sind sicherlich welche unter ihnen. Sie kennen sicher Leute in der Stadt, die uns weiterhelfen können.“

Sie blieben noch einige Stunden dort oben und erfreuten sich an den für sie neuen Eindrücken. Als es zu dämmern begann, machten sie sich auf den Rückweg, schlichen an den Häusern der Innenstadt entlang, stets darauf bedacht, keiner Polizeistreife, oder, was noch schlimmer gewesen wäre, der Security des Wohnheims in die Hände zu laufen.

Aus sicherer Entfernung beobachteten sie das Treiben der Migranten auf dem eingezäunten Vorplatz des Gebäudes. Vor dem Eingang lehnten mehrere stiernackige, durchtrainierte Männer in Uniform, Mitglieder der Security, und unterhielten sich, ohne groß ihre Blicke auf die in Gruppen Umherstehenden zu richten.

Unmittelbar am Zaun hatte sich eine Gruppe von drei afrikanischen Männern zusammengetan, die sich, Zigaretten rauchend, leise unterhielten.

Ahmed packte seinen Bruder am Arm und sprach auf ihn ein: „Ich werde versuchen, mit der Gruppe dort zu sprechen.“ Er zeigte auf die drei Männer am Zaun. „Vielleicht haben sie ja Kontakte nach außen, zu irgendjemandem, der uns helfen kann.“

Bashir legte seine Hand auf die von Ahmed und schaute ihm ängstlich die Augen. „Wenn sie dich fassen, bin ich alleine. Denk bitte immer daran!“

„Hab keine Angst, Bruder. Mich wird niemand sehen. Es ist doch auch schon viel zu dunkel, um mich zu erkennen. Bleib hier und sieh zu, dass man dich nicht sieht.“

Ahmed überquerte die schmale Straße im Schutz des Hauses und tastete sich langsam in Richtung des Zauns, der sich an das Haus anschloss.

„Pst“, machte er leise und als keine Reaktion kam, versuchte er es mit einem leisen „he!“

Wie auf Kommando drehten die Männer ihre Köpfe in seine Richtung und er stellte fest, dass es sich bei allen um Afrikaner handelte. Hastig stellte er die Frage: „Versteht ihr mich?“

Einer der Männer, ein hochgewachsener, schlanker Mittzwanziger, nickte. „Afghanistan“, sagte er knapp.

„Ich komme aus Somalia“, sagte Ahmed leise. Mein Bruder und ich suchen eine Unterkunft und etwas zu essen. Kannst du uns weiterhelfen?“

„Klar“, sagte der Lange und grinste über das ganze Gesicht. „Geht zum Haupteingang und kommt zu uns. Hier werdet ihr gerne aufgenommen.“

Ahmed schüttelte den Kopf. „Nein, das wollen wir nicht. Also?“

„Wenn euch die Polizei aufgreift, landet ihr sowieso hier. Dann könnt ihr auch gleich hierbleiben.“

„Kannst du uns helfen oder nicht? Kennst du jemanden in der Stadt?“

„Na gut, wenn du es so willst. Geht zu der Brücke, die von den Römern erbaut wurde. Ihr müsst in diese Richtung gehen.“ Er zeigte in Richtung Westen. „Geht dort hinunter zum Fluss, dann werdet ihr sie sehen. Bei den Pfeilern. Fragt nach Ali. Sagt, Hanad hat euch geschickt, dann wird euch geholfen.“

Ahmed sah hinüber zu der Security, von denen sich einer aufmachte, in ihre Richtung zu kommen. „Danke … äh, Hanad.“

Er hob die Hand zum Gruß und schlich rückwärts in den Schutz des Hauses. Dann rannte er über die die Straße und versteckte sich bei Bashir hinter der Deckung eines Gebüschs. Von dort aus sahen sie, wie einer der Security über den Zaun schaute und in alle Richtungen sah.

Sie warteten, bis er weg war und machten sich auf den Weg, in die Richtung, wie von Hanad beschrieben.

Als der Security-Mann auf ihn zukam, grinste Hanad über das ganze Gesicht.

„Wer waren die?“, fragte der Mann.

„Zwei Namenlose. Ich habe sie zu Ali geschickt. Er wird sich um sie kümmern. Was ist mit meinem …?“ Er machte eine eindeutige Bewegung, indem er Daumen und Zeigefinger aneinander rieb.

„Wir werden sehen“, sagte der Mann abweisend. „Du weißt doch: vor dem Preis steht der Erfolg.“

Der Duft von Milch und Honig

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