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7. Die Rehabilitation der Metaphysik

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In dieser Hinsicht war die nachpositivistische Wissenschaftstheorie Teil eines allgemeineren Trends. Durch den zuvor erwähnten Widerruf des verifikationistischen Sinnkriteriums war der Weg für die Rehabilitierung der Metaphysik freigemacht worden. In diesen Boden pflanzten nun die analytischen Philosophen eine dreifache Saat.

Die erste war Quines naturalistischer Ansatz in der Ontologie. Nach Carnap waren die einzig echten Existenzfragen wissenschaftliche Fragen wie »Gibt es Neutrinos?« oder »Gibt es Primzahlen, die größer sind als 1010?«. Diese Fragen betreffen bestimmte Gruppen von Entitäten und können innerhalb eines bestimmten »sprachlichen Bezugssystems« gelöst werden. Im Gegensatz dazu sind philosophische Fragen wie »Gibt es materielle Gegenstände?« oder »Existieren Zahlen wirklich?«, die ganze Kategorien von Entitäten betreffen, entweder sinnlos oder aber »praktischer Natur«. Sie reduzieren sich auf die pragmatische Frage, ob es für wissenschaftliche Zwecke nützlich ist, sich eines sprachlichen Bezugssystems wie das der natürlichen Zahlen zu bedienen.

Im Gegensatz dazu führte Quines Naturalismus zu »einem Verschwimmen der Grenzen zwischen spekulativer Metaphysik und Naturwissenschaft« (1951: 20). Der Philosophie gehe es um »die Darstellung der allgemeinsten Züge der Wirklichkeit«. Sie untersuche die grundlegende »Einrichtung unseres Universums« und unterscheide sich von der Wissenschaft nur quantitativ, in der Allgemeinheit und im Umfang ihrer Fragen. Quine ist »kein Verfechter der traditionellen Metaphysik«. Er bestreitet, dass philosophische Reflexion a priori, im Stil des Rationalismus, nachweisen kann, welche Arten von Dingen es gibt. Nichtsdestoweniger findet er einen Platz für die Ontologie (dt. 1980: 282, 438/1960: 161, 254; 1966: 203–204). Ähnlich wie die traditionelle Ontologie versucht Quines naturalistische Spielart nachzuweisen, welche Arten von Dingen es gibt. Dieses Ziel verfolgt sie allerdings nicht auf direkte Weise oder isoliert. Stattdessen hilft sie der Wissenschaft dabei, ein Inventar der Welt aufzustellen. Sie übersetzt unsere wissenschaftlichen Theorien in eine ideale formale Sprache (»kanonische Notation«) und klärt dadurch und reduziert, wo dies möglich ist, deren »ontologische Verpflichtungen«, diejenigen Typen von Entitäten, deren Existenz diese Theorien voraussetzen. Eine kanonische Notation zeigt uns unsere ontologischen Verpflichtungen auf und erlaubt es uns, diese so zu paraphrasieren, dass wir sie auf ein Minimum beschränken können. Während

(9) Rot ist eine Farbe

den Namen für eine Eigenschaft enthält und uns dadurch auf die Existenz einer intensionalen Entität festzulegen scheint, vermeidet die Paraphrase

(9’) ∀x (x ist rot → x ist eine Farbe)

jegliche derartige Festlegung. Entscheidungen darüber, ob man Entitäten zulassen sollte, die man nicht wegparaphrasieren kann, werden durch eine pragmatische Abwägung beeinflusst zwischen der systematischen Effizienz (erklärenden Kraft), die man gewinnt, wenn man diese zulässt, und der ontologischen Ökonomie, die man erreicht, wenn man sie ausschließt.

Ebenso wenig wie Carnap analysiert Quine unsere existierenden Begriffe, sondern expliziert sie, d.h. ersetzt sie durch Entsprechungen, die er für wissenschaftlich respektabler hält. Aber während die logischen Positivisten nach einer idealen Sprache trachteten, die metaphysische Probleme vermeidet, zielt Quines ideale Sprache darauf ab, die Metaphysik der Wissenschaft zu enthüllen. Dies ist zu einem Leitprinzip zeitgenössischer Naturalisten geworden. Indem sie erforschen, welche Dinge unsere besten gegenwärtigen Theorien für existent halten, behaupten sie auch, die beste Darstellung dafür liefern zu können, welche Dinge tatsächlich existieren.

Eine dieser Deutung entgegengesetzte Rehabilitierung der Metaphysik stammt von Strawson. Seine frühen Schriften kritisierten orthodoxe Ergebnisse der logischen Analyse mit Verweis auf den gewöhnlichen Gebrauch. In seinem Werk Einzelding und logisches Subjekt (engl. Individuals) verlagerte sich Strawsons Interesse jedoch auf das, was er deskriptive Metaphysik nannte. Dieses kantische Unternehmen unterscheidet sich von der früheren begrifflichen Analyse durch seine größere Reichweite und Allgemeingültigkeit, denn es zielt darauf ab, die »allgemeinsten Grundzüge unserer begrifflichen Strukturen freizulegen«. Diese sind nicht im Sammelsurium unseres gewöhnlichen Gebrauchs erkennbar, sondern in den fundamentalen Funktionen der Rede, insbesondere jenen der Bezugnahme – wodurch ein einzelner Gegenstand herausgegriffen wird – und der Prädikation – wodurch etwas über diesen gesagt wird. Die deskriptive Metaphysik begnügt sich damit, »die tatsächliche Struktur unseres Denkens über die Welt zu beschreiben«, im Gegensatz zur revisionären Metaphysik, die das Ziel verfolgt, »eine bessere Struktur hervorzubringen«, die entweder auf apriorischen Einsichten beruht, wie in der traditionellen Metaphysik, oder auf den vermeintlichen Forderungen der Wissenschaft, wie im Naturalismus. Sie unterscheidet sich auch darin von diesen beiden, dass sie nicht die abstraktesten Merkmale der Welt verdeutlicht, sondern die Bedingungen unseres Denkens über diese Welt, »unseres Begriffssystems« (dt. 1980: 9, 12/1960: 9, 11).

Diese Idee ist auch in Strawsons Erkenntnistheorie von zentraler Bedeutung, in der die Vorstellung transzendentaler Argumente wiederbelebt wurde. Mithilfe derartiger Argumente soll gezeigt werden, dass skeptische Zweifel widersprüchlich sind oder sich selbst widerlegen, da sie Bedingungen jeglicher sinnvoller Rede in Frage stellen, die auch für die Zweifel des Skeptikers selbst gelten. Der Skeptiker sägt den Ast ab, auf dem er sitzt, da seine Zweifel von Begriffen Gebrauch machen, die nur dann sinnvoll sind, wenn man stillschweigend die begrifflichen Verknüpfungen voraussetzt, die er ausdrücklich zurückweist.

Einige Kritiker haben den Einspruch erhoben, transzendentale Argumente würden bestenfalls zeigen, dass wir Begriffe wie den eines geistesunabhängigen Gegenstands verwenden müssen, jedoch ohne gleichzeitig nachzuweisen, dass ihnen in der Wirklichkeit tatsächlich irgendetwas entspricht (Stroud 1968). Nichtsdestoweniger inspiriert die Vorstellung, man könne die Bedingungen der Erfahrung, des Denkens oder der Rede aufzeigen, weiterhin jene Philosophen, die sowohl die Skylla des Skeptizismus als auch die Charybdis der naturalisierten Erkenntnistheorie vermeiden wollen, wobei Letztere die normative Frage, ob unsere Überzeugungen gerechtfertigt sind, einfach übergeht. Dasselbe gilt für die deskriptive Metaphysik, den Versuch, die grundlegenden Begriffe und Implikationen unseres Begriffssystems zu explizieren (z.B. Jackson 1998: 31–33).

Die letzte Quelle der heutigen analytischen Metaphysik hat zwei miteinander verknüpfte Ursprünge: Erstens das Florieren der Modallogik, insbesondere der Vorstellung, dass die Logik solcher Terme wie »notwendigerweise« oder »möglicherweise« mithilfe von Leibniz’ Begriff einer möglichen Welt expliziert werden könne. Der zweite ist das Aufkommen von Theorien der »direkten Bezugnahme«, denen zufolge viele Ausdrücke, insbesondere Eigennamen und Bezeichnungen für natürliche Arten, direkt auf ihre Denotate Bezug nehmen, ohne die Vermittlung von fregeschen Sinnen, d.h. »Arten des Gegebenseins«, die sich am Leichtesten als Eigenschaften auffassen lassen, die einzig ihre Denotate besitzen. Quine war den logischen Positivsten darin gefolgt, das Notwendige, das Analytische und das Apriorische als äquivalent zu behandeln. Dies widerspricht nicht nur Kant, sondern auch dem gegenwärtigen Essentialismus. Für Kripke (1980: 34–9) ist das Apriori eine erkenntnistheoretische, die Notwendigkeit eine metaphysische und die Analytizität eine logische Kategorie. Im Anschluss an Kripke sind die folgenden Definitionen auf Gegenliebe gestoßen: Eine Wahrheit ist a priori gdw sie unabhängig von Erfahrung erkannt werden kann; sie ist notwendig gdw sie in allen möglichen Welten wahr ist; und sie ist analytisch gdw sie kraft ihrer Bedeutung wahr ist. Nach Kripkes und Putnams »realistischer Semantik« unterschieden sich diese Kategorien nicht nur in ihrer Intension, sondern auch in ihrer Extension. Theoretische Identifikationen wie

(10) Wasser ist H2O

sind sowohl a posteriori, weil sie durch die Wissenschaft entdeckt werden, als auch notwendig. Denn genau wie Eigennamen sind auch Bezeichnungen für natürliche Arten »starre Bezeichnungsausdrücke«. In allen möglichen Welten, in denen sie überhaupt etwas herausgreifen, greifen sie dasselbe heraus, nämlich eine Substanz mit einer bestimmten Mikrostruktur (in unserem Fall H2O), und diese Mikrostruktur konstituiert das Wesen der natürlichen Art.

Mit der für ihn charakteristischen Weitsicht hatte Quine die essentialistischen Implikationen der Modallogik vorweggenommen. Dennoch belächelte er die Vorstellung, Philosophen seien in der Lage, Wesenheiten ins Fadenkreuz ihrer philosophischen Sehrohre zu bekommen. Statt die Modallogik zu untergraben, haben Quines Warnungen paradoxerweise zu einer Neubelebung des Essentialismus geführt. Hinzu kommt: Diese Neubelebung kann sich auf Quines eigenen Naturalismus berufen. Quine ist der Ansicht, die Philosophie müsse die Kategorien Notwendigkeit und Wesen aufgeben, da diese in einem Kontinuum mit der Wissenschaft stehe. Wenn jedoch einige notwendige Wahrheiten – Wahrheiten über das Wesen der Dinge – a posteriori sind, kann die Philosophie genau deshalb in einem Kontinuum mit der Wissenschaft stehen, weil sie ein solches Wesen erforscht.

Dies setzt jedoch voraus, dass sich modalen Begriffen wie dem der möglichen Welten Sinn abgewinnen lässt. In Einklang mit seinem generellen Angriff auf Intensionen beklagte Quine, dass es keine Kriterien für transweltliche Identität gebe. Die wesentlichen Eigenschaften eines Individuums sind jene, die es in allen möglichen Welten hat, in denen es existiert. Was aber bestimmt, wer in verschiedenen möglichen Welten wer ist? Ein weiteres Problem stellt der ontologische Status möglicher Welten dar. Dem Hyperrealismus von Lewis zufolge sind mögliche Welten ebenso real wie wirkliche Welten. Jede Welt ist eine selbstgenügsame Raum-Zeit-Einheit, die keine Verbindung zu einer anderen Welt aufweist. Nach Kripkes Realismus hingegen ist eine mögliche Welt das, was diese Welt hätte sein können; es ist folglich etwas Reales und doch Abstraktes. Und dem Fiktionalismus zufolge ist eine mögliche Welt eine Fiktion, eine Gesamtheit konsistenter Darstellungen. Zu sagen, es sei möglich, dass p, heißt, es gibt eine konsistente Beschreibung einer Welt, der zufolge p der Fall ist. Wirklichkeit kommt nicht den nichtverwirklichten Möglichkeiten zu, sondern unseren Darstellungen dieser Möglichkeiten (vgl. Glock 2003a: 95–101; Baldwin 2001: Kap. 6).

Ungeachtet dieser Debatten hat der Essentialismus ein neues Genre hervorgebracht, in dem metaphysische Fragen mit Berufung auf modale Intuitionen beantwortet werden, Intuitionen hinsichtlich der Frage, ob es eine mögliche Welt gibt, die bestimmte Bedingungen erfüllt. Zum Beispiel könnte man die Frage, ob der Geist mit dem Körper gleichzusetzen ist, angehen, indem man darüber nachdenkt, ob es eine mögliche Welt mit »Zombies« gibt, Geschöpfen, die mit uns physisch identisch sind, aber jegliches geistige Leben vermissen lassen (Chalmers 1996).

Trotz ihrer metaphysischen Ambitionen halten alle drei Projekte der Wende zur Sprache insofern die Treue, als sie anhand von Reflexionen über die Sprache vorgehen. Quines Beitrag zur Untersuchung der Wirklichkeit besteht darin, dass er eine kanonische Notation für die ontologisch sparsame Formulierung wissenschaftlicher Theorien entwickelt hat. Für Strawson sind diejenigen Kategorien metaphysisch gesehen fundamental, die eine zentrale Rolle in unserem sprachlich verkörperten Begriffssystem spielen. Und obwohl es dem Essentialismus um Notwendigkeiten die Realität betreffend geht und nicht um die Notwendigkeiten unseres Begriffssystems, ermittelt er diese durch die Funktionsweisen der Sprache, insbesondere durch die starre Weise, in der Eigennamen und Bezeichnungen natürlicher Arten bezeichnen. Aus diesem Grund berufen sich Kripke und Putnam (1975) auch ständig auf das, »was wir über« kontrafaktische Situationen »sagen würden«, z.B. eine »Zwillingserde«, auf der eine Substanz, die alle oberflächlichen Eigenschaften von Wasser teilt, letztlich jedoch eine andere chemische Zusammensetzung als H2O aufweist.

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