Читать книгу Vatter - es heißt donde - Hans Jürgen Kampe - Страница 13
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Andrea, Klaus und die Kinder zogen sich gleich ihre Badesachen an und bekamen von Herbert und Gisela Bademäntel. “Und vergesst nicht, Bademützen aufzuziehen, das ist hier Pflicht“, erinnerte Herbert.
Dann marschierte die Familie zu Fuß mit Badetaschen, Handtüchern und bereits mit Badesachen, Bademänteln und Flipflops bekleidet den Kilometer Straße bis zum Eingang des Thermalbades. Die Höhe des Eintritts schockierte Klaus zwar, denn sie mussten jeder eine Tageskarte kaufen. In Anbetracht seiner bisherigen, sinnlosen Ausgaben, biss er aber die Zähne zusammen und zahlte widerwillig.
Weil die Kinder nicht vom Beckenrand springen durften, hatten sie zwei Tauchringe mitgenommen. Wenigstens das war erlaubt.
Andrea übte mit Emma im flachen Teil des Beckens tauchen und Klaus schwamm mit Emil und Anton in den hinteren, tieferen Bereich.
Das Bad war noch nicht allzu voll, aber es hatten schon einige deutsche Rentner mitbekommen, dass Kesselmanns Besuch hatten. Und so umkreisten nach wenigen Minuten sechs Rentner mit ihren Bademützen Andrea und Klaus, so wie Haie Schiffbrüchige umkreisen.
Letztlich konnten sich Andrea und Klaus schon aus Höflichkeitsgründen einem Gespräch nicht entziehen, und die älteren Herrschaften waren entzückt über die Enkel von Gisela und Herbert. Das gab dann für die nächste Woche wieder genügend Gesprächsstoff in der deutschen Siedlung, und Gisela und Herbert wurden mit Sicherheit mehrmals eingeladen.
Die besten Freunde von Kesselmanns waren Theo und Jutta aus der deutschen Siedlung. Beide waren anfang siebzig und kamen aus dem Rheinischen unweit von Köln. Während Theo seinen Ruhestand genoss, viel las, mit Herbert Boccia spielte und dem herben Landwein frönte, war Jutta anderweitig aktiv. Sie bot Yoga -, Qigong -, und Trommelkurse in ihrem kleinen Bungalow an, führte unausgeglichene Rentner mit ihren Meditationskursen auf den Pfad der Erleuchtung und arbeitete zusätzlich noch als „Warzenbesprecherin„. Für die Zukunft plante sie noch, in die Handleserei zu expandieren.
Hin und wieder war nach ihren Beschwörungen tatsächlich die ein oder andere Warze verschwunden. Und manchmal war nach ihrem Ritual leider auch eine neue Warze erschienen, was Jutta aber wohlweislich verschwieg. Denn die Zahl warzengeplagter Senioren an der Costa Blanca nahm ständig zu. Und so konnte sich Jutta mit ihren Kursen und den Warzenbesprechungen mittlerweile ein erkleckliches Zubrot verdienen. Netto – versteht sich.
Als Klaus und Andrea mit den Kindern im Bad waren, beobachtete Theo Andrea mit Argusaugen.
„Hörma, Mädchen, du jehst aber leeicht unrund“, befand Theo fachmännisch, der nebenbei als Akquisiteur für Jutta arbeitete.
„Ich hab‘ auch seit einem halben Jahr eine Warze unter dem Fuß. Und egal, was ich mache, die kommt immer wieder und drückt beim Laufen.“ Andrea hatte seit einiger Zeit unter dem rechten Fußspann eine Warze. Obwohl ihr Hautarzt die Warze weggeschnitten hatte, war sie wiedergekommen und der Vereisungsstift hatte auch versagt. Auch das altbekannte Hausmittel gegen Warzen, Schildkraut, hatte bei Andrea nur wie ein Düngemittel gewirkt.
„Also dat is eein Fall für dat Jutta. Die is eeine Spezialistin.“
Jutta hatte das Gespräch mitbekommen und holte Andrea ein. „Andrea, isch hätt da eeinen Tipp für disch. Wenn du Zeeit hast, machen wir eeinen Termin für eeine Besprechung. Völlig schmerzlos und hundertprozentisch.“
Andrea versprach, darüber nachzudenken, wollte die Sache aber doch lieber nochmal mit Klaus besprechen. Der lehnte das Ganze aber sofort als Spinnerei, Voodoo Zauber und reine Abzocke ab. Das Einzige, was nach Klaus Meinung unter Garantie verschwinden würde, wären die 100 Euro, die Jutta kulanterweise für ihre Warzenbesprechung in Rechnung stellte. Ein reiner Freundschaftspreis, nur ohne jede Garantie.
Bei ihren Eltern erwähnte Andrea das selbstlose Angebot von Jutta vorerst nicht.
Zum Mittagessen gab es die Reste vom Hühnerfrikassee, dazu Herberts roten, herben Landwein bzw. Omas Zitronensaft und zum Nachtisch Stracciatella Eis - Emils Lieblingseis.
Bevor die Kinder mit Klaus und Herbert zum Steinbruch fahren konnten, musste Herbert aber noch sein obligatorisches Mittagsschläfchen im Schatten halten.
Die Zeit nutzte Emma, um in Omas Schmuckkasten zu kramen und sich Ringe, Ketten und Ohrringe auszusuchen und zu probieren. Emma liebte Schmuck über alles und betrachtete sich voller Stolz im Spiegel von Giselas Schlafzimmer. Sie hatte ihre Oma schon zweimal gefragt, ob sie den Schmuck mal erben dürfte. Das hatte ihr Oma Gisela lachend versprochen.
Danach ging es zur “Schatzsuche“ in den großen Steinbruch hinter Capres in den Bergen. Herbert kannte Ignacio, den Wächter, gut, sodass sie keine Probleme hatten, in den sonst abgesperrten Talkessel zu gelangen. Aber Ignacio, Herberts Amigo, bestand darauf, dass alle einen Sicherheitshelm aufsetzten.
Die Kinder fanden das allerdings spannend und überhaupt nicht lästig. Herbert wusste, an welchen Stellen die Chance größer war, eine Versteinerung zu finden. Klettern war den Kindern aber streng verboten. Nach einer Viertelstunde hatte Anton, der die am Boden liegenden Steine mit Argusaugen überprüfte, seine erste Versteinerung entdeckt. Ein skelettierter kleiner Fisch, dessen Umrisse sich deutlich ockerfarben auf dem hellen Kalkstein abzeichneten. Emil und Emma waren ganz neidisch.
Herbert und Klaus halfen intensiv bei der Suche und tatsächlich, sie fanden ein versteinertes Farn und ein kleines Amonhorn, welches sie Emma und Emil schenkten. Die Kinder waren überglücklich und stolz.
Leider war Emma in einem sehr wissbegierigen Alter und wollte wissen, wie alt ihr Amonhörnchen nun wäre. Klaus schaute seinen Schwiegervater hilflos an. Da Herberts geologische Kenntnisse auch nicht sonderlich ausgeprägt waren, er aber sein Enkelchen zufrieden stellen wollte, murmelte er verlegen das erst Beste, was ihm gerade in den Sinn kam:“ Wahrscheinlich aus dem sehr frühen Gerundium“. Das war zwar vollkommener Unsinn, hörte sich aber kompliziert und wissenschaftlich an. Emma war allerdings noch nicht wirklich zufriedengestellt und wollte wissen, wie viel Jahre das denn nun wären. Klaus beendete die peinliche Befragung, indem er Emma erklärte, dass ihr Hörnchen bestimmt schon älter als 1000 Jahre wäre. 1000 war sehr viel, und damit war Emma dann auch sehr zufrieden. Nur die beiden Jungs schauten sehr skeptisch drein, und Emil beschloss heimlich, zu Hause mal Herrn Google zu befragen, ob es jemals in Spanien ein frühes Gerundium gegeben hätte.
Auf dem Rückweg fuhren sie über den kleinen Ort Mula. Es gab da eigentlich nichts Interessantes, außer zwei Felsenbäder. Das waren Grotten, in denen warmes Thermalwasser mit einiger Geschwindigkeit floss, und wo die Kinder, ohne Eintritt zu zahlen, noch mal ins Wasser durften. Klaus freute der kostenlose Spaß am meisten, und auch er krempelte die Hosenbeine hoch und stapfte im warmen Wasser herum. Er zückte sein Handy und wollte die Kinder samt Opa im warmen Naturbad fotografieren.
Was er nicht bedacht hatte, war die starke Strömung an einer Stelle mit einer deutlichen Vertiefung und einem entsprechenden Strudel.
Die Kinder feixten, als Klaus wegrutschte, vergeblich versuchte, sich irgendwo festzuhalten, was aber nicht gelang, und letztlich mit einem “Scheiße“ auf den Lippen kurzzeitig komplett im Wasser verschwand.
Lediglich sein rechter Arm mit dem Handy in der Hand schaute noch aus dem Wasser, krampfhaft bemüht, dass das Handy ja nicht nass wurde. Emil nahm seinem Vater schnell das Handy aus der Hand, sodass Klaus wieder beide Hände frei hatte, um ins Flache zu waten.
Auf der Rückfahrt musste Klaus dann zwei weiß blaue Plastiktüten eines deutschen Supermarktes unter sich legen, damit sein Sitz halbwegs trocken blieb.
Abends hatte Herbert seinen selbst gebauten Grill auf der Terrasse angemacht. Verschiedene Fleischsorten, auch Fisch vom Markt und Gemüse wurde gegrillt. Und dazu gab es unterschiedliche, von Gisela selbst hergestellte Saucen. Besonders stolz war sie auf ihren Feigensenf aus selbstgezogenen Feigen und Meerrettich.
Es herrschte eine eigentümliche, romantische Stimmung. Die angenehm warme Temperatur, das tiefe Schwarz der Nacht, der sternklare Himmel, das Zirpen der Zikaden und dazu zwei große Dattelpalmen, die von unten angestrahlt und von Fledermäusen umflogen wurden. Alles war friedlich und harmonisch.
Zum Abschluss machte Herbert in einem eisernen Feuerkorb noch ein gemütliches Feuer und die Kinder durften sich an einem Stock ihr Stockbrot braten. Den Hefeteig hatte Andrea nachmittags noch selbst gemacht.
Bei Emma musste allerdings die Hälfte weggeschmissen werden, denn ihre Stockbrote waren total verkohlt. Emil und Anton hatten aus der Erfahrung von vielen Kindergeburtstagen den Dreh raus und hielten ihren Stock mit dem Teig in gebührender Entfernung über das Feuer, sodass ihr Stockbrot goldbraun und knusprig wurde.
Beide waren so großzügig und gaben ihrer kleinen Schwester jeweils ein Stück ab. Was Emma dann mit sehr viel Ketchup veredelte.
Am nächsten Morgen gab Oma Gisela jedem der drei Kinder eine gerecht geteilte Portion Möhrenkuchen für ihren weiteren Urlaub mit.
Emma und Emil waren immer vernünftig mit Kuchen, Plätzchen oder Süßigkeiten. Sie konnten sich ihre Sachen einteilen und immer nur ein Stück genießen. So hätten sie im Normalfall eigentlich lange etwas von den süßen Sachen gehabt. Wenn, ja wenn nicht Anton seine Portionen regelmäßig mit Heißhunger in kürzester Zeit verdrückt hätte. Und dann nach einer halben Stunde nichts mehr hatte, während Emil und Emma noch einen fast vollen Teller besaßen.
Das fand Anton etwas ungerecht. Also machte er sich regelmäßig heimlich über die Teller seiner Geschwister her, stibitzte hier ein Stück und da ein Schokoladenstückchen, sodass es Emil und Emma natürlich merkten. Das gab größten Protest und Streit.
Emil und Emma gewöhnten sich darauf an, ihre Kuchen - und Plätzchenteller sorgsam zu verstecken, quasi wie ein Eichhörnchen, das sich einen heimlichen Vorrat in einem Versteck anlegt.
Es half alles nichts. Anton war nicht nur so gierig und verfressen wie ein Heuschreckenschwarm, sondern auch super geschickt im Aufspüren von Kuchenteller - Verstecken.
Und dann begann der ganze Ärger von vorn. Emmas und Emils sorgsam gehütete Portionen schmolzen auf wundersame Weise dahin.
Deswegen waren Emil und Emma jetzt auch sehr skeptisch, als sie ihre Teller mit Möhrenkuchen für ihren Urlaub in Empfang nahmen.
Plötzlich hatte Emma eine Idee. Sie stieß Emil in die Seite und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der nickte kurz, dann rief er seinen älteren Bruder Anton. Als Anton auftauchte, bauten sich Emil und Emma vor ihm auf und zeigten ihrem Bruder demonstrativ ihren Teller.
Dann sammelten Emma und Emil hörbar viel Spucke im Mund und jeder spuckte auf seinen Kuchen. Beide verrieben voller Wonne ihre Spucke auf dem Kuchen, so dass sich ein schleimiger Film über den Kuchenstücken bildete.
Anton schüttelte sich voller Ekel. “So, Anton, falls du noch mal an meinen Kuchen gehst, weißt du jetzt, was du dann isst.“ Emma wurde jetzt etwas resolut. Anton verließ angewidert das Wohnzimmer, und Emil schlug seiner kleinen Schwester bewundernd auf die Schulter. Ihr Kuchen war für alle Zeiten gesichert, denn es gibt nichts Ekligeres als Geschwisterspucke. Obwohl Anton ohne zu zögern regelmäßig an Lutschers angebotener und angetrunkener Cola sukkelte. Aber Geschwisterspucke-nie im Leben.
Dann hieß es Abschied nehmen und jeder war etwas traurig. Die Kinder liebten ihre Großeltern und das schöne Haus in Spanien. Auch Andrea und Klaus waren gern bei Andreas Eltern und ließen sich bereitwillig etwas verwöhnen. Herbert und Gisela versprachen, Thalers vielleicht mal in Nerja zu besuchen. Und Emma verriet ihrer Oma zum Abschied noch ein kleines Geheimnis.
“Du, Oma, heute Morgen hab‘ ich dir aber noch einen schönen Streich gespielt.“ “So, was denn, mein Schatz?“
“Ja, ich hab‘ mir mit deinem Popo Waschlappen das Gesicht gewaschen.“ Nach einem kurzen Moment der Verblüffung lachten Oma und Opa herzlich über diesen Streich von Emma, und Thalers fuhren winkend aus dem Tor, um das letzte Stück in den Süden von Spanien zu fahren.