Читать книгу Vatter - es heißt donde - Hans Jürgen Kampe - Страница 15
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Am nächsten Tag wollte Andrea aber zuerst nach Frigiliana, einer wunderschönen kleinen Ortschaft 15 Minuten Autofahrt oberhalb von Nerja. Die Kinder maulten, denn sie fanden das langweilig und wären lieber wieder zum Pool gegangen. Vor allem Anton, denn Marcs und Patricias Urlaub neigte sich dem Ende.
Also versprachen Thalers den Kindern, nur vormittags in das idyllische Bergdorf zu fahren, um nachmittags wieder Zeit zum Schwimmen zu haben.
Für Emma gab das Versprechen den Ausschlag mitzufahren, dass Andrea mit ihr in die kleinen Schmuckgeschäfte und Boutiquen in Frigiliana gehen würde. Denn Emma interessierte sich sehr für Modeschmuck und probierte mit ihrer Mutter furchtbar gerne Ringe, Ketten, Spangen und Armreifen aus.
Klaus, der es immer wieder vollkommen unpassend fand, wenn Andrea bei einer Fahrt in die Berge eine Handtasche mitnahm, bat Andrea, doch diesmal auf ihre Handtasche zu verzichten. Um des lieben Friedens willen stimmte Andrea letztlich zu. Emmas kleinen rosa Rucksack akzeptierte Klaus aber als passend für das Bergdorf.
Die beiden Jungs ließen sich dann auch gern überreden mitzufahren, weil Klaus ihnen versprach, dass die Familie in Acebuchal essen würde. Das hörte sich spannend an.
Denn Acebuchal war ein vergessenes Dorf in einer einsamen Schlucht, ungefähr 5 km hinter Frigiliana in den Bergen der Sierra Tejada Almijara. Benannt war der 50 Seelen Ort nach den wilden Olivenbäumen, die hier wuchsen. Eben den Acebuche.
Das Dorf war Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts von den wenigen armen Menschen, die hier lebten und hart arbeiteten, aufgegeben worden. Denn die Bewohner wurden regelmäßig von der Guardia Civil, der Polizei, und den Soldaten des Diktators Franco verfolgt und eingesperrt, weil sich in dem Dorf Widerstandskämpfer gegen das Franco Regime versteckt hielten. Die Häuser verfielen und das einsame Dorf in der entlegenen Schlucht wurde vergessen.
Aber Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts fanden sich die Erben der früheren Hausbesitzer zusammen und beschlossen, die verlassenen und zerstörten Häuser wieder aufzubauen und zu renovieren.
Zwei schmale, rot geklinkerte Gassen mit Treppen verbinden die ungefähr 20 Häuser. Es gibt eine kleine Kapelle, einen gemeinschaftlichen Swimmingpool und ein gemeinschaftliches altes Backhaus, das wieder funktioniert.
Jedes Haus ist auf seine Weise ein liebenswertes Unikat.
Für die Instandsetzung wurden alte Holzbalken, alte Steine und historische Türen verwendet. Jedes der weiß gekalkten Häuser hat Pflanzbecken mit Blumen vor der Tür und große Sonnenterrassen erlauben einen schönen Blick über das Tal zum Wald.
Die denkmalgeschützten Häuser werden jetzt an Wanderer und ruhesuchende Naturliebhaber, die dem Trubel der Küste entfliehen wollen, als Feriendomizil vermietet.
Unterhalb des Ortes verläuft ein kleiner Bach, an dem Esel und Mulis grasen. Und am Ortseingang wurde eine kleine Bar ausgebaut, auf deren zwei Terrassen die Besucher selbst gemachtes Brot mit einheimischen Spezialitäten und leckeren Salaten genießen können.
Die Zufahrt nach Acebuchal ist schon etwas abenteuerlich. Die Abzweigung von der Landstraße nach Torrox ist nur unscheinbar ausgeschildert. Dann schlängelt sich die enge Straße in Serpentinen zwischen hübschen Fincas den Berg hoch, nur um dann als Schotterweg immer enger werdend durch einen Kiefer- und Pinienwald in das Tal zu führen.
Emil und Anton fanden die Wanderwege, das Flussbett und die Höhlen, die es in der Nähe gibt, aufregend.
Und Andrea und Klaus liebten es, auf der Terrasse der kleinen Bar zu sitzen und in absoluter Ruhe ihre Canas, die kleinen Bierchen, samt den Tapas zu genießen. Andrea kaufte hier auch gern den selbst gemachten Honig, den sie mit nach Deutschland nahm. Zwei Gläser mit Wildhonig wollte Andrea ihrer Schwiegermutter Alma und Fräulein Saurbier als Dankeschön für das Blumengießen mitbringen.
Der denkmalgeschützte Ort Frigiliana stand ebenfalls in jedem Urlaub auf dem Programm.
Frigiliana wurde zu Recht als das schönste Dorf von Spanien ausgezeichnet. Der kleine Ort mit ungefähr 2500 Einwohnern liegt ca. 6 km oberhalb von Nerja, angeschmiegt an hohe Bergausläufer auf einem Südhang mit herrlichem Blick bis zum Meer.
Der vordere, neuere Teil ist weniger interessant.
Die Familie parkte unterhalb des neuen Ortsteils und Andrea und Emma gingen zu Fuß in den historischen Ortskern mit der Fußgängerzone und den vielen kleinen Geschäften. Vor dem Eingang zum historischen Kern befindet sich ein gepflasterter Platz mit den Resten einer alten Zuckerrohrfabrik. Darin ist das erste von vielen Kunstgewerbegeschäften untergebracht. Die dann folgenden, gepflasterten Gassen sind eng, steil und erschließen die weiß geschlämmten alten Häuser.
Viele der aneinander gebauten Gebäude haben nur einen kleinen Innenhof und eine Dachterrasse. Fast alle, der im maurischen Mudejar Stil errichteten kubischen Flachdachhäuser haben bunte Holztüren, Blumentöpfe mit Geranien an den Fenstern und Bougainville, Jasmin, Lavendel und andere mediterrane Pflanzen in Terrakottatöpfen vor oder hinter dem Haus. Die kleinen geschützten Innenhöfe heißen Carmenes.
Zwölf Keramikschilder sind im alten Ortskern an den Häusern und Mauern angebracht und weisen auf die Geschichte des Dorfes hin.
Vor der alten Kirche aus dem 16. Jahrhundert, die auf den Resten einer Moschee erbaut wurde, lädt ein kleiner Platz mit einem geschützten Café zum Verweilen ein. Überall gibt es kleine Geschäfte mit Kunstgewerbe aus der Axarquia, dem Gebiet auf der Südseite der Sierra Nevada.
Viele alte Brunnen, eine liebevoll gepflegte Pflanzenvielfalt, Galerien von Malern, Bildhauern, Goldschmieden und Fotografen sowie steile Treppen, die in das obere Labyrinth der engen Gassen führen, prägen den pittoresken Eindruck dieses idyllischen Ortes.
Im oberen Teil gibt es mehrere Restaurants und Bars, von deren Terrassen der Besucher einen atemberaubenden Blick über den Campo, den unterhalb von Frigiliana gelegenen Grüngürtel, bis nach Nerja und das blaue Mittelmeer hat. Die Luft ist etwas frischer, denn der Ort liegt über 400 Meter hoch.
Andrea machte mit Emma einen Bummel durch die Gassen um sich die Auslagen der Geschäfte anzusehen. Und Klaus verschwand mit Mila und den beiden Jungs mit Badesachen im Pozo Batan Alberca, einem angestauten Arm des Rio Higueron, um zu baden.
Emil und Anton sprangen von den 3 Meter hohen Felsen in das angenehm kühle Naturbad und Mila hopste ebenfalls mit Klaus vom Ufer ins Wasser.
Später traf sich die Familie wieder und Klaus musste Emmas kleinen Armreif bewundern, den sie sich ausgesucht und von ihrem kleinen Taschengeld gekauft hatte.
Im Anschluss fuhr die Familie in das abgelegene Dorf Acebuchal, wo sich das Mittagessen auf der Terrasse des kleinen Restaurants gemütlich in die Länge zog.
Klaus und Andrea hatten die leckeren Salate, die mit Fleisch – und Obststücken garniert waren, probiert und die Kinder Pommes aus Süßkartoffeln. Im Anschluss spendierte Klaus noch großzügig jedem ein Eis und für Andrea und ihn einen Espresso mit Schokokuchen.
Träge winkte Klaus dem Kellner, ihm die Rechnung zu bringen. Als der junge Mann die Rechnung nebst 5 bunt verpackten Bonbons auf einem Teller diskret auf ihrem Tisch abstellte, bat Klaus seine Lieblingsfrau, ihm das Portemonnaie zu reichen, um zu bezahlen.
„Ich hab` aber kein Portemonnaie dabei. Du wolltest doch unbedingt, dass ich meine Handtasche zu Hause lasse. Und da ist das Portemonnaie drin. Aber Du hast doch sicherlich auch Geld dabei.“
Klaus rutschte jetzt etwas nervös auf dem weißen Plastikstuhl hin und her. „Äh, ich glaub`, ich hab` mein Portemonnaie in der anderen Hose gelassen. Ich hab` mir ja vor der Fahrt doch noch die kurze Hose angezogen, weil es so warm ist.“
„Vatter, das ist jetzt nicht Dein Ernst. Du lädst uns zum Essen ein, wir hauen uns den Bauch voll, und Du vergisst die Knete.“ Anton schüttelte grinsend den Kopf.
„Also vergessen kann man das so jetzt nicht nennen. Ich bin halt davon ausgegangen, dass die Mama ihr Portemonnaie trotzdem eingesteckt hat. Und sicherheitshalber nimmt keiner ein Bonbon von dem Teller“, meinte Klaus, in einem verzweifelten Versuch, den Rest seiner väterlichen Autorität zu retten. Aber zu spät. Emil und Emma lutschten schon genüsslich jeder ein Ananas Bonbon.
Mittlerweile erschien der Kellner wieder und wollte den Teller mit der Rechnung und dem Geld abholen. Als er sah, dass kein Geld auf dem Teller lag, fragte er höflich, ob Thalers noch einen Wunsch hätten. „No, gracias, wir gehen gleich.“ Jetzt wurde es Klaus aber doch mulmig.
„Hast Du eine Idee, was wir als Pfand dalassen können?“ fragte er kleinlaut. Andrea zuckte die Schultern. „Vielleicht die Kamera oder ein Handy.“
„Aber nicht unsere Handy`s“, warf Anton sichtlich genervt ein, denn seine Eltern waren ihm mal wieder megapeinlich.
„Papi, ich hab`noch etwas Taschengeld übrig, das schenk` ich Dir“, schlug Emma großherzig vor und schob ihrem Papa den rosa Rucksack rüber. „Das ist ganz lieb von Dir, Emma, aber das wird leider nicht reichen.“ „Dann geb` ich Dir von meinem Taschengeld auch was ab, Papa.“ Emil kramte in seiner Hosentasche und legte 10 Euro auf den Tisch. Widerwillig suchte Anton nun auch in seiner Hose, um das unangenehme Spektakel zu beenden.
„Hier, Vatter, der fehlende Rest. So weit ist es bei uns schon gekommen, daß die Kinder die Eltern aushalten müssen. Aber: Wiedersehen macht Freude!“ „Ja, ist ja gut. Zu Hause bekommt ihr Euer Geld zurück. Und als Zinsen noch ein Eis dazu.“ Klaus nahm sichtbar erleichtert das Taschengeld seiner Kinder und bezahlte endlich dem wartenden Kellner die Rechnung.
Auf dem Rückweg musste Klaus unbedingt eine andere Schotterpiste ausprobieren, die angeblich in das Nachbartal zu dem Weindorf Competa führen sollte. Der Weg wurde immer schlechter, enger und hatte noch mehr Schlaglöcher.
Als sie dann mit dem Auto durch eine Furt fahren mussten, weil aus den Bergen ein Bach Richtung Küste lief, war das Maß voll. Denn das Auto blieb mitten im Wasser stecken.
Andrea und die Kinder mussten aussteigen, die Schuhe ausziehen und ins Wasser treten, um das Auto anzuschieben, bis es Klaus endlich gelang, auf die andere Seite des Bachlaufs zu kommen. Die Kinder fanden es ja etwas spannend, aber Andrea war ziemlich sauer. Vor allem, weil sie an einer ganz anderen Stelle wie von Klaus angekündigt rauskamen und einen Umweg fahren mussten, um die Straße zur Küste zu finden.
Thalers waren dann auch erst gegen 17:00 Uhr wieder in ihrem Haus in der Urbanisation. Trotz allem wollten die Kinder noch mal in den Pool. Andrea und Klaus kamen mit und trafen Peter und Alice, die übermorgen zurückfliegen wollten.
Klaus fragte Peter, ob sie nicht morgen früh am Torrecilla Strand bis zur Straße nach Torrox laufen wollten. Peter, der auch gerne joggte, war sofort einverstanden. Im Gegenzug schlug Alice vor, doch morgen am späteren Vormittag an den gepflegten Naturstrand unterhalb von Maro zu fahren.
Der Strand war nur wenig bekannt, nicht ganz leicht zu finden, nicht überlaufen, da man den letzten Teil des Weges gehen musste, und für Kinder ideal, da der Strand nur leicht ins Meer abfällt.
Und so wurde es gemacht. Die beiden Väter trafen sich noch vor dem Frühstück am Parkplatz. Erstaunlicherweise hatte Anton auch Lust mit zu laufen, weil Marc abends noch angedeutet hatte, dass er auch manchmal Joggen würde. Und manchmal käme sogar seine Schwester mit.
Zum Leidwesen von Anton hatte Patricia aber ausgerechnet heute Morgen keine Lust. Also fuhren die 4 Männer mit Thalers Kombi bis zur Küste und joggten so langsam am Strand entlang, dass sie sich gut dabei unterhalten konnten. Noch hatte die Sonne wenig Kraft und die Temperatur war ideal zum Laufen.
Gegen 11:00 Uhr folgten Thalers Peter, Alice und den Kindern im Auto bis zu einem kleinen Parkplatz unterhalb von Maro, am Rande von hohen Zuckerrohrfeldern. Den Rest des Weges mussten sie zu Fuß Treppen runterlaufen, um den geschützten Strand zu erreichen. Nur drei andere Familien waren bereits da - ansonsten konnten beide Familien den sauberen Naturstrand allein genießen.
Emil taufte auch diesen abgelegenen Strand sofort wieder verschwörerisch auf “unser Geheimstrand“. „Da ist sogar was dran“, bemerkte Klaus. Und er erzählte den Kindern von den Seeräubern, die vor fast 500 Jahren diese Gegend unsicher gemacht hatten und an den „Geheimstränden“ unbemerkt gelandet waren, um dann die strandnahen Orte auszurauben.
Abends luden Thalers ihre neuen englischen Bekannten zum Essen in ihr Haus ein, denn es war der letzte Abend mit der Familie March.
Die E-Mailadressen und Telefonnummern wurden ausgetauscht, denn die Kinder und die Erwachsenen wollten in Kontakt bleiben.
Nach einer Flasche Rotwein auf der warmen Terrasse verabschiedeten sich die Familien, da Marchs morgen sehr früh aufbrechen wollten. Vor allem Anton war sehr schweigsam, denn er befürchtete, dass sein erster zarter Kontakt zu Patricia wieder abbrechen würde. Und der angekündigte Besuch seiner Großeltern im Urlaub war auch kein wirklicher Trost für ihn.