Читать книгу Vatter - es heißt donde - Hans Jürgen Kampe - Страница 6
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In das alte Haus mit seinem großen Garten, in dem Thalers jetzt lebten, hatten sich Andrea und Klaus spontan verliebt.
Ein mit Klaus befreundeter Makler hatte ihnen das Haus vor Jahren angeboten. Trotz der guten Wohnlage mit Busverbindung, Straßenbahn, Kindergarten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und sogar dem Wald in der Nähe, wollte es keiner kaufen. Das stilvolle Haus war stark renovierungsbedürftig und das Grundstück total verwildert.
Aber Thalers erkannten das Potential des großen Hauses aus dem Jahre 1908 und konnten es günstig erwerben. Andreas Eltern hatten etwas mitgeholfen. Nicht ganz uneigennützig, denn das Haus lag nur ungefähr 20 Fußminuten von ihrem Haus entfernt.
Obwohl Anton damals noch klein und Emil gerade geboren war, schafften es Andrea und Klaus doch, das Haus Schritt für Schritt zu renovieren.
Der mit Sandstein verkleidete Keller wurde aufgegraben und isoliert, die Fassade in einem zarten graublau gestrichen, das wunderschöne Mansarddach mit seiner Biberschwanzeindeckung wurde überholt, wobei die glasierten, chinesischen Firstziegel erhalten blieben. Die alten Eichen-Sprossenfenster wurden vom Schreiner aufgearbeitet, genauso wie die passenden Klappläden links und rechts der Fenster.
Klaus und Andrea empfanden den rückwärtigen Wintergarten mit Treppe in das Grundstück besonders gemütlich. Unter dem Wintergarten befand sich ein früherer Schweinestall. Denn die ersten Bewohner, laut Grundbuch ein Pfarrer mit Familie, waren damals noch Selbstversorger.
Vor dem Einzug wurden alle Leitungen erneuert, Bäder und Toiletten weiß gestaltet und ein neuer Heizkessel eingebaut.
Aber die alten, stilvollen Gussheizkörper mit ihren Ornamenten wurden erhalten, genauso wie die alten Türen mit den Original Messingbeschlägen, das dicke Eiche Parkett im Wohnbereich, der Terrazzoboden im Treppenhaus und im Wintergarten und die Dielen im Ober- und im Dachgeschoss.
Wohn- und Esszimmer waren durch eine Doppelschiebetür verbunden, 3 Meter hoch und verfügten über Stuckelemente.
Obwohl Klaus ja technisch vollkommen ungeschickt war, konnte er doch für grobmotorische Arbeiten ganz gut eingesetzt werden.
Fast 6 Wochen hatte sich Klaus mit einer geliehenen Schleifmaschine und Mundschutz an die wunderschöne, halb gewendelte Eichenholztreppe im Treppenhaus gesetzt. Schicht für Schicht der Farben wurde abgetragen, bis das schöne Holz wieder zum Vorschein kam und naturfarben lasiert wurde.
Auch die Original Hauseingangstür mit ihrem vergitterten Rautenfenster wurde von Schreinern passend aufgearbeitet.
Andrea und Klaus entdeckten in dieser Zeit ganz neue Seiten an sich. Da sie vorher in einer Mietwohnung wohnten, hatten sie nur wenig Erfahrung mit Gartenarbeit. Und so waren beide erstaunt, dass ihnen die Gestaltung des großen Grundstücks so viel Freude bereitete. Vor allem Andrea hatte einen „grünen Daumen“.
Sie legte kleine Kieswege an, umrahmt von Buchsbaumhecken. Dazwischen entstanden Beete mit den verschiedensten Blumen, die zu unterschiedlichen Zeiten blühten.
Vor dem Haus stand eine Reihe dunkelroter Stockrosen, die in der Wärme der Südseite des Hauses besonders hochwuchsen. Büsche gaben Sichtschutz zur Straße und zu den Nachbarn. Das Rasenfeld im hinteren Teil des Grundstücks war ideal für die noch kleinen Jungs. Hier baute Klaus mit Hilfe seines Schwiegervaters eine Schaukel und einen Sandkasten auf.
Andrea wünschte sich eine Kräuterspirale und ein Hochbeet für den Salat. Für beide Jungs pflanzten Andrea und Klaus jeweils ein Apfelbäumchen.
Als Emma geboren wurde, hatte Klaus die Idee für Emma einen Kirschbaum neben den großen Quittenbaum zu pflanzen. Der Quittenbaum trug alle 2 Jahre große gelbe Früchte, aus denen Andrea Gelee und Quittenschnitten machte.
Nachdem die Kinder etwas größer wurden, bekam jeder ein eigenes kleines Beet. Emma pflanzte sich Küchenkräuter, Emil bunte Bauernblumen und Anton ließ dem Löwenzahn seinen freien Lauf.
Nach einigen Jahren hatte Klaus bei Freunden ein Baumhaus gesehen. Die Jungs waren sofort Feuer und Flamme und brauchten spontan ein gleiches Haus. Sonst wäre ihr Leben vollkommen sinnlos.
Also wurde der große, alte Walnussbaum, der in der hintersten Ecke des Grundstücks stand, für das Baumhaus ausgewählt. Wie so oft hatte Klaus zwar eine grandiose Idee, war aber nicht in der Lage, sie auch umzusetzen.
Und wieder half Herbert, Andreas geschickter Vater, mit größter Freude.
Er machte eine Zeichnung, berechnete das benötigte Holz, ließ sich alles in einem Baumarkt zuschneiden und baute mit Klaus, der nur Handreichungen machen konnte, an sechs Wochenenden ein 2x2 Meter großes Baumhaus. Mit Dach, Fenstern und einer Hängeleiter.
Zur Einweihung machten Thalers ein kleines Fest. Die Jungs durften ihre besten Freunde mit ihren Eltern einladen. Und während die Kinder im Baumhaus Plätzchen und Limonade verdrückten, tranken die Eltern mit den beiden Omas Alma und Gisela und dem Baumeister Herbert im Garten Kaffee.
Zuerst hatten die beiden Jungs im Obergeschoß neben dem Elternschlafzimmer ihre Zimmer. Anton bekam damals das Zimmer mit Balkon über dem Wintergarten, das jetzt von Emma bewohnt wurde. Denn als Emma etwas älter wurde, sollte sie auch ihr eigenes Zimmer haben. Aber auf der Schlafebene der Eltern.
Anton und Emil fanden es ausgesprochen cool, die beiden darüberliegenden Dachzimmer zu bekommen. Sie waren für sich, konnten heimlich abends lange lesen oder Musik hören und fanden die holzverkleideten Dachschrägen mit den Dachflächenfenstern sehr gemütlich. Vor allem, wenn der Regen auf die Fenster tropfte. Emil konnte dabei gut einschlafen.
Das Baumhaus war mittlerweile nicht mehr cool. Aber Emma nutzte es mit ihren Freundinnen und ihren Puppen. Dafür hatte Klaus statt der Hängeleiter eine feste, schräge Leiter mit Geländer einbauen lassen. Damit Emma und ihre Freundinnen sicher hoch und runterkamen. Die Jungs hätten eine solche Leiter nie akzeptiert.
Und so könnte eigentlich jeder glücklich und zufrieden sein. Wenn nicht der Hobbyraum von Klaus das Objekt der Begierde für Anton gewesen wäre.
Wie jeden Morgen saß die Familie beim Frühstück zusammen. Andrea und Klaus fanden das sehr wichtig, mindestens einmal am Tag mit der ganzen Familie gemeinsam zu essen. Denn mittags kam Klaus nicht nach Hause und abends wurde es bei ihm häufig später, sodass die Kinder dann schon gegessen hatten.
Während sich Anton und Klaus noch über den Kellerraum auseinandersetzten, kam Emma hopsend die Treppe runter.
„Emma, du bist spät dran. Du sollst doch nicht so lange trödeln. Ich muss dich gleich in die Schule fahren. Bitte iss dein Frühstück etwas schneller.“ Andrea nahm Emma morgens mit zur Schule, bevor sie in ihre Dienststelle fuhr.
„Schau mal, ich hab‘ Opa und Oma noch ein Bild gemalt.“ Emma legte ihr Bild auf den Frühstückstisch - haarscharf neben die Butter.
„Na Emma, das ist bestimmt das zwanzigste Pferd, das du für Oma und Opa gemalt hast“, stellte Emil lachend fest. „Na und, Pferde kann ich eben gut - und außerdem finde ich die auch total süß.“ „Vielleicht kann der Opa ja damit den Kamin anmachen“, lästerte Anton gefühllos, was Emma die Tränen in die Augen trieb.
„Nein Emma, Oma und Opa freuen sich darüber ganz toll und heben dein Bild bestimmt auf“, tröstete Klaus, während er Anton strafend ansah.
Thalers wollten morgen früh mit dem Auto nach Südspanien fahren. Die Herbstferien begannen, und unmittelbar nach Schulende wollte die Familie starten. Zuerst nach Südfrankreich, dann zu Oma Gisela und Opa Herbert nach Fortuna, einem kleinen Ort mit Thermalbad im Hinterland der Costa Blanca. Nach ein, zwei Tagen sollte es dann weiter gehen zum eigentlichen Ziel - einem gemieteten Haus in Nerja in Andalusien.
„Ich brauche heute Abend 2 kräftige Männer, die mir helfen, die Skibox auf das Auto zu heben.“ Klaus schaute seine beiden Jungs auffordernd an.
„Siehst du hier einen kräftigen Mann?“ fragte Anton seinen Bruder. Emil kaute genüsslich sein Käsebrötchen mit Marmelade und zuckte mit den Schultern. „Außer Papa sehe ich hier keinen.“ „Und ich habe keine Zeit, ich will heute Abend noch zu Lutscher“, versuchte sich Anton zu drücken.
„Das ist eine gute Idee “ reagierte Andrea. „Bitte doch den Lutscher einfach zu uns, dann seht ihr euch und er kann kurz mit anpacken, dann geht es schneller.“
„Das find ich jetzt aber saublöd. Lutscher hat eine neue Playstation, mit der wir spielen wollten.“ „Das könnt ihr auch noch nach unserem Urlaub spielen. Heute Nachmittag müssen wir noch packen und morgen gehts los, da haben wir keine Zeit mehr. Sucht euch bitte heute Nachmittag noch Sachen raus, die ihr mitnehmen wollt. Mama hilft dann beim Packen. Und wir drei, mit Lutscher vielleicht sogar vier, heben die Box in 2 Minuten aufs Autodach.“ Klaus wurde jetzt etwas bestimmter.
„Wofür brauchen wir eigentlich die Skibox?“ fragte Anton, „wir fahren doch gar nicht in den Skiurlaub.“ „Aber wir haben viel Gepäck, einiges an Schwimmsachen und wollen ja auch Mila mitnehmen.“ Andrea wollte die Diskussion auch langsam beenden.
Mila hob den Kopf, als sie ihren Namen hörte und die Ohren stellten sich auf. Sie hoffte auf einen weiteren Spaziergang. Mila durfte die lange Fahrt nicht wie sonst mit auf den Beifahrersitz. Bei kürzeren Fahrten wurde das Beifahrerfenster geöffnet.
Mila liebte es, den Kopf aus dem Fenster zu halten und sich den Fahrtwind um die Ohren wehen zu lassen. Für lange Fahrten hatte Andrea eine spezielle Hundebox gekauft, die im Kofferraum des Kombis befestigt wurde und ziemlich viel Platz wegnahm.
„Ich möchte aber auch die Mimi mitnehmen.“ Mimi war Emma`s Stoffmaus, die sie unbedingt zum Einschlafen brauchte. „Na, die werden wir auch noch in den Koffer kriegen - du musst sie nur mit einpacken,“ ermunterte Klaus.
„Ich bin heute Abend um sechs Uhr zu Hause, dann packen wir das Auto. Und nehmt euch für die Fahrt was zu Lesen und Spiele mit. Am Besten auch eure Handys. 2 Tage Autofahrt sind sehr lang.“
Anton und Emil schoben die Stühle zur Seite, schnappten sich ihre Schultaschen und verließen mit einem Winken und Tschüss das Haus. Andrea und Emma gaben Klaus noch einen Kuss. Dann fuhr Andrea Emma zur Schule.
Klaus hatte noch etwas Zeit. Er trank gemütlich seinen Tee und dann den Rest Kaffee von Andrea aus, las in aller Ruhe die Zeitung, räumte ab, putzte noch die Küche, denn das war seine tägliche Arbeit zu Hause und fuhr dann um halb neun wieder relativ entspannt in sein Büro.