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Roxana ließ sich genüsslich tief in das warme Badewasser gleiten. Sie hatte eine ordentliche Portion von dem Badezusatz hineingetan, denn sie liebte es, wenn der Schaum sie fast verschluckte und nur noch ihr Kopf herausschaute.

Der weiche, nach Rosenblüten duftende Schaum streichelte alle ihre Sinne. Sie fühlte sich wohl in ihrer neuen Wohnung, die sie erst vor zwei Tagen bezogen hatte. Alles lief nach Wunsch. Morgen würde sie einen kleinen Abstecher in ihrer neuen Firma machen und sich in ihrer zugewiesenen Abteilung vorstellen und schon ab übermorgen wartete ein kleines, feines Hotel auf Mallorca auf sie, in dem sie bis zum Beginn des neuen Monats einen spontan gebuchten Urlaub verbringen würde. Sie freute sich schon jetzt auf das Hotel Castell de Mar und hoffte, die Entscheidung genau dieses Hotel zu buchen, auch die Richtige war. Denn bei ihrer Buchung standen zwei Hotels zur näheren Auswahl und sie hatte lange überlegt, ob sie dieses oder jenes Hotel bucht.

Und genau davon träumte sie, als sich plötzlich jemand räusperte.

Erschrocken holte sie Luft, brachte aber keinen Ton heraus. Sie schlug die Augen auf und sah einen Mann, der in der geöffneten Badezimmertür stand. In jeder Hand eine dicke Pizzaschachtel, unter dem Arm eine Flasche Rotwein und blickte lächelnd auf sie herab.

Einem ersten Impuls folgend wollte Roxana aus der Wanne springen und schreien, – doch noch rechtzeitig erinnerte sie sich an ihren nackten Zustand und zog es vor, lieber unter dem schützenden Schaummantel zu bleiben. Durch die heftige Bewegung schwappte ihr eine kleine Schaumwelle ins Gesicht und verzierte ihre Nasenspitze mit einer Haube aus feinen weißen Bläschen.

„Oh mein Gott, entschuldigen Sie bitte“, begann der Mann stotternd, „aber, ich hatte nicht erwartet, Sie hier anzutreffen.“ Er wusste vor Verlegenheit nicht, wohin er schauen sollte.

Roxi kämpfte um ihre Fassung. „Es tut mir leid, Sie enttäuscht zu haben!“, brachte sie schließlich spitz hervor.

Im ersten Augenblick hatte sie an einen Einbrecher gedacht. Aber gab es das? Einbrecher, die mit Pizzen und Rotwein auf Diebestour gingen?

Außerdem sah sie in den Augen des Mannes etwas, was alles andere als gefährlich oder bedrohlich wirkte. Nur die Schaumblasen auf ihrer Nasenspitze ärgerten sie gewaltig. Mit ihren von heißem Wasser geröteten Wangen und der weißen Knollennase musste sie wie ein Clown aussehen. Wütend wischte sich Roxana über ihre Nase.

„Nun, wenn ich ehrlich bin, enttäuscht bin ich ganz und gar nicht“, sagte der Mann amüsiert, trat aber dennoch ein, zwei Schritte zurück in den Flur.

Da war es wieder! Dieses jugendliche, ein wenig neckische Lächeln. Dazu die kleinen Grübchen in den Wangen, die in scharf konturieren Falten bis zu den Mundwinkeln hinausliefen. Roxi hätte fast das Peinliche dieser Situation vergessen.

„Nur – eigentlich hatte ich mich darauf eingestellt, hier meiner Schwester anzutreffen.“

Jetzt dämmerte es Roxana. „Frau Bremer ist ihre Schwester?“

Der Mann nickte. „Ja, so heißt sie seit ihrem plötzlichen Sprung ins Eheleben.“

„Dann scheinen Sie nicht oft mit ihr zu sprechen“, erwiderte Roxana. „Sonst hätten Sie gewusst, dass Ihre Schwester seit Ende des letzten Monats eine neue Anschrift hat. Und ich bin ihre Nachmieterin.“

„Typisch Anke und ihre Geheimniskrämerei!“ Der Mann versuchte die Pizzen neu auszubalancieren, weil heißer Saft auf den Fliesenboden zu tropfen begann. „Wie stehe ich denn jetzt da? Meine Schwester hatte mir damals einen Zweitschlüssel anfertigen lassen. Deshalb war es auch überhaupt kein Problem, hier so einfach unangemeldet hineinzuplatzen. Ich wollte sie überraschen und jetzt ...“

Roxi musste lachen. „Die Überraschung ist Ihnen zweifellos gelungen, ich hätte wohl bei meinem Einzug das Schloss auswechseln sollen.“

Plötzlich wirkte er ein wenig hilflos. „Es ist mir sehr unangenehm.“

„Als Sie eben sagten, dass Sie ganz und gar nicht enttäuscht seien, klang das schon eher wie ein Kompliment“, erwiderte Roxana.

„Aber ich bitte Sie“, sagte der Mann schnell. „Das gilt doch noch nach wie vor. Die Situation ...“

Er runzelte die Stirn und suchte nach Worten. „... ist nur ein wenig ungewöhnlich und ich weiß nicht recht wie — Na ja, wie ich Sie am besten zum Pizzaessen einladen könnte.“

Wie ein ertappter Junge sah er aus. Und Roxi hätte ihm am liebsten über das Haar gestrichen. Aber sie hütete sich, sich zu bewegen und hoffte nur, dass der Schaummantel noch üppig genug war.

„Vielleicht sollten Sie dann einfach schon mal den Tisch decken, den Wein öffnen und mir ein wenig Zeit geben, mich dieser Einladung entsprechend fein zu machen“, entgegnete Roxana.

Als der Mann den Flur verlassen hatte, sprang sie aus der Wanne und wickelte sich in ein großes Handtuch. Sie tapste mit nackten Füßen ins Schlafzimmer, kramte Slip und BH aus der Kommode und schlüpfte hinein. Anschließend sprang sie in ihre Jeans und zog sich das weiße Sweatshirt über. Das Haar, noch leicht feucht, band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Als sie in die Küche trat, war der Tisch bereits gedeckt. Sie setzte sich ihm gegenüber, er goss den Wein ein und sie fingen an zu plaudern.

Er hieß Pascal und er musste die beste Pizzeria in der ganzen Stadt ausfindig gemacht haben. Jedenfalls konnte sich Roxana nicht daran erinnern, jemals so gut gegessen zu haben.

Vielleicht aber lag das auch gar nicht an der Pizza. Denn sie hatte sich auch so herrlich amüsiert und so gut unterhalten wie seit Langem nicht mehr.

„Ihre Schwester weiß ja gar nicht, was sie heute Abend alles verpasst hat“, sagte Roxi, als sie Pascal zwei Stunden später zur Tür begleitete.

„Und sie weiß auch noch nicht, was ich gewonnen habe“, entgegnete Pascal.

Was wir beide gewonnen haben, dachte Roxana.

Alstermorde: 9 Hamburg Krimis

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