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2.2 Verwaltungsrechte

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Bei den Verwaltungsrechten sind zu unterscheiden die Individualrechte, die jedem Aktionär unabhängig von seiner Beteiligungsquote gleichmäßig zustehen (unten Rn. 173–178), die Individualrechte, die einem Aktionär im Umfang seiner Beteiligungsquote zustehen (unten Rn. 179), und die Minderheitenrechte, die eine bestimmte Mindestbeteiligung eines Aktionärs oder einer Aktionärsgruppe voraussetzen (unten Rn. 180).

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Das Teilnahmerecht[14] des Aktionärs an der HV ist im Aktienrecht nicht ausdrücklich geregelt. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass es als Ausfluss der Mitgliedschaft existiert.[15] Es steht jedem Aktionär unabhängig von dessen Beteiligungsquote zu. Dem Teilnahmerecht steht keine Teilnahmepflicht gegenüber. Der Aktionär kann sich auf der HV auch durch einen bevollmächtigten Dritten vertreten lassen. Teilnahme des Aktionärs bzw. wirksame Vertretung sind aber Voraussetzung dafür, die weiteren Verwaltungsrechte auf der HV ausüben zu können.[16] Soweit die Satzung es zulässt, kann ein Aktionär die HV auch online verfolgen und dem von ihm bevollmächtigten, in der HV anwesenden Vertreter auf elektronischem Wege Anweisungen für die Ausübung des Rede-, Frage- und Stimmrechts übermitteln.[17] Eine virtuelle HV gänzlich ohne persönliche Präsenz der Aktionäre ist jedoch in Deutschland nach geltender Rechtslage nicht zulässig.[18] Das Teilnahmerecht kann dem Aktionär grds. nicht entzogen werden. Ausnahmen hierzu sind die rechtmäßigen Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters wie bspw. die Zutrittsverweigerung oder der Saalverweis.

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Das Rederecht[19] in der HV ist Teil des Teilnahmerechts und ebenfalls im AktG nicht ausdrücklich geregelt, in § 131 Abs. 2 S. 2 AktG aber vorausgesetzt. Wie das Teilnahmerecht ist es unabhängig von der Beteiligungsquote des Aktionärs. Das Rederecht ist darüber hinaus unabhängig vom Stimmrecht und steht demzufolge auch stimmrechtslosen Vorzugsaktionären zu. Auch das Rederecht ist grds. unentziehbar und wird nur durch rechtmäßige Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters eingeschränkt; in Betracht kommen insoweit bspw. Redezeitbegrenzung, Schluss der Rednerliste, Schluss der Debatte und Wortentzug. Seit der Änderung des AktG durch das UMAG kann der Versammlungsleiter durch die Satzung oder die Geschäftsordnung der HV ermächtigt werden, das Rederecht zeitlich angemessen zu beschränken (§ 131 Abs. 2 S. 2 AktG).[20]

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Das Auskunftsrecht[21] des Aktionärs ist in § 131 AktG geregelt. Es besteht ebenfalls unabhängig von der jeweiligen Beteiligungsquote. Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG muss der Vorstand in der HV jedem Aktionär auf Verlangen Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft geben, soweit die Information zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungsgegenstands erforderlich ist. Zweck der Norm ist also nicht die individuelle Information des einzelnen Aktionärs, sondern die auf die Beschlussgegenstände fokussierte Willensbildung der Aktionäre in ihrer Gesamtheit. Damit ist gleichzeitig klargestellt, dass nur tagesordnungsrelevante Fragen beantwortet werden müssen. Wie das Rederecht kann der Versammlungsleiter auch das Fragerecht zeitlich angemessen beschränken, wenn er dazu in der Satzung oder der Geschäftsordnung der HV ermächtigt wurde (§ 131 Abs. 2 S. 2 AktG).[22] Die Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts hat in der Praxis – auch in der gerichtlichen Praxis – in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und ist heute regelmäßig Gegenstand von Auskunftserzwingungsverfahren (§ 132 AktG)[23] und – vor allem – Anfechtungsklagen (§ 246 AktG).[24]

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Unabhängig von seiner Beteiligungsquote hat jeder Aktionär das Recht, zu einzelnen Tagesordnungspunkten Gegenanträge zu stellen und für Wahlen Gegenvorschläge zu machen.[25] Gegenanträge sind solche Anträge, die von den Vorschlägen der Verwaltung abweichen oder der Beschlussfassung als solcher entgegentreten (Vertagung, Absetzen von der Tagesordnung).[26] Soweit begründete[27] Gegenanträge oder Gegenvorschläge spätestens zwei Wochen vor dem HV-Termin bei der Gesellschaft eingereicht werden, sind sie sämtlichen Aktionären zugänglich zu machen (§§ 126 f. AktG). Dabei kann der Vorstand mehrere Gegenanträge und ihre Begründungen zu demselben Beschlussgegenstand zusammenfassen (§ 126 Abs. 3 AktG). Die Norm bezweckt die Unterrichtung der Aktionäre über eine beabsichtigte Opposition.[28] Die Zugänglichmachung hat unverzüglich nach Einreichung der Gegenanträge zu erfolgen.[29] Werden Gegenanträge oder Gegenvorschläge nicht rechtzeitig eingereicht, besteht keine Veröffentlichungspflicht der Gesellschaft. Da sie sich aber auf bereits in die Tagesordnung aufgenommene Gegenstände beziehen und zu den bekannt gemachten Beschlussgegenständen Gegenanträge sogar noch in der HV gestellt werden können, hat die verspätete Einreichung keine Auswirkung darauf, inwieweit die HV über sie abzustimmen hat.[30]

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Unabhängig von seiner jeweiligen Beteiligungsquote steht jedem Aktionär das Recht zur Erhebung der Anfechtungsklage[31] zu (§§ 243, 245 Nr. 1–3 AktG). Die Anfechtungsbefugnis ist auf eine allgemeine Beschlusskontrolle gerichtet.[32] Anfechtungsgründe sind die Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 243 Abs. 1 AktG) sowie die unzulässige Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2 AktG).[33] Klageberechtigt sind nach § 245 Nr. 1–3 AktG: (1) die Aktionäre, die an der Hauptversammlung teilgenommen, Aktien bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben; (2) die Aktionäre, die an der Hauptversammlung nicht teilgenommen haben, weil sie zu Unrecht nicht zugelassen wurden, die HV nicht ordnungsgemäß einberufen wurde oder der Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde; (3) die Aktionäre, die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben haben und den Anfechtungsgrund des § 243 Abs. 2 AktG geltend machen. Die persönlichen und materiellen Beschränkungen des Anfechtungsrechts dienen – ebenso wie die Anfechtungsfrist von einem Monat (§ 246 Abs. 1 AktG) – der Rechtssicherheit.[34]

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Neben den Anfechtungsrechten hat der BGH das Recht jedes einzelnen Aktionärs anerkannt, die Kompetenzeinhaltung der Verwaltung gerichtlich überprüfen zu lassen.[35] Damit soll die Effektivität der Wächterrolle der Aktionäre im Hinblick auf HV-Beschlüsse geschützt und die Schutzlücke geschlossen werden, die entsteht, wenn die Verwaltung unter Verstoß gegen die Kompetenzordnung die Zuständigkeit der HV umgeht.[36]

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Das Stimmrecht[37] ist in §§ 12, 133 ff. AktG geregelt. Es stellt den Kern der Verwaltungsrechte dar und ist – mit Ausnahme von Höchststimmrechten,[38] und stimmrechtslosen Vorzugsaktien – dem Aktionär grundsätzlich im Umfang seiner Beteiligungsquote zugewiesen (proportionales Stimmrecht). Das Stimmrecht entsteht mit vollständiger Leistung der Einlage (§ 134 Abs. 2 S. 1 AktG). Es ist grds. unentziehbar, kann allerdings im Einzelfall ausgeschlossen sein. Dies gilt namentlich für das Stimmrecht eines Aktionärs, der aufgrund des betreffenden Beschlusses entlastet, von einer Verbindlichkeit befreit oder durch die Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll (§ 136 AktG), um in diesen Fällen die individuelle Interessenkollision zu vermeiden.[39] Das Stimmverbot des § 136 AktG wird erweitert durch das des § 142 Abs. 1 S. 2, 3 AktG, dem zufolge ein Verwaltungsmitglied bei der Bestellung von Sonderprüfern nicht mitstimmen darf, wenn sich die Sonderprüfung auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Verwaltungsmitglieds oder der Einleitung eines Rechtsstreits gegen ein Verwaltungsmitglied zusammenhängen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang schließlich das Stimmverbot des § 328 Abs. 3 AktG für die Aufsichtsratswahl bei einer börsennotierten AG, sofern eine wechselseitige Beteiligung vorliegt.

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Neben den vorgenannten Individualrechten sieht das AktG bestimmte Minderheitenrechte vor, die – abhängig von einer Mindestbeteiligung – einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen zugewiesen sind. Zu nennen sind hier vor allem

das Vetorecht gegen den Verzicht auf oder den Vergleich über Ersatzansprüche gegen Vorstand (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG)[40] oder Aufsichtsrat (§§ 116 i.V.m. 93 Abs. 4 S. 3 AktG);
das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen (§ 122 Abs. 1 S. 1 AktG);[41]
das Recht, die Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen (§ 122 Abs. 2 AktG);[42]
das Recht auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern (§ 142 Abs. 2 AktG);[43]
das Recht auf gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 147 Abs. 2 S. 2 AktG)[44]
die Antragsberechtigung im Klagezulassungsverfahren (§ 148 Abs. 1 AktG);[45]
das Vetorecht gegen den Verzicht auf oder den Vergleich über konzernrechtliche Ersatzansprüche gegen gesetzliche Vertreter eines herrschenden Unternehmens oder Vorstand oder Aufsichtsrat einer abhängigen Gesellschaft im Vertragskonzern oder gegen herrschende Unternehmen oder Vorstand der abhängigen Gesellschaft im faktischen Konzern (§§ 309 Abs. 3 S. 1, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG).[46]

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Einen Sonderfall der Verwaltungsrechte stellt § 327a AktG dar. Danach hat der Mehrheitsaktionär, wenn ihm Aktien in Höhe von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören, das Recht, auf der HV die Übertragung der übrigen Aktien auf sich gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu beschließen (Squeeze out).[47]

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Verwaltungsrechte sind die zwingende Folge der Mitgliedschaft und können daher nicht generell eingeschränkt werden.[48] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das AktG lediglich für das Stimmrecht durch die Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vor (§§ 139 ff. AktG).[49]

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