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1.4.3 Sonderbeschlüsse
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§ 182 Abs. 2 AktG bestimmt, dass bei mehreren vorhandenen Gattungen (zum Gattungsbegriff vgl. § 11 AktG) von stimmberechtigten Aktien der Beschluss der HV zur Erhöhung des Grundkapitals zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung bedarf. Über die Zustimmung haben die Aktionäre jeder Gattung einen Sonderbeschluss nach den Bestimmungen des § 182 Abs. 1 AktG zu fassen (vgl. § 182 Abs. 2 AktG). Dies gilt selbst für den Fall, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss einstimmig gefasst wurde.[56] Die Benachteiligung einer der Aktiengattungen ist keine Voraussetzung für einen Sonderbeschluss nach § 182 Abs. 2 AktG.[57]
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Nach § 182 Abs. 2 S. 1 AktG, der von „mehreren Gattungen von stimmberechtigten Aktien“ spricht, ist nunmehr klargestellt, dass bei der Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre nicht erforderlich ist, es sei denn, das Stimmrecht lebt zum Zeitpunkt der HV auf (vgl. § 140 Abs. 2 AktG).[58] Nach einer anderen Auffassung ist ein Sonderbeschluss auch bei Aufleben des Stimmrechts nicht erforderlich, da es sich bei den nunmehr stimmberechtigten Vorzugsaktien um keine eigene Gattung stimmberechtigter Aktien handele.[59] Diese äußerst formale Betrachtungsweise verkennt jedoch, dass sich in diesem Fall die Ausgangslage ändert. Durch das Aufleben des Stimmrechts wird aus der stimmrechtslosen eine stimmberechtigte Beteiligung, die neben die Stammaktien tritt, sodass der Anwendungsbereich des § 182 Abs. 2 AktG eröffnet ist. Angesichts dieser umstrittenen Rechtsfrage bietet sich in der Praxis jedoch jedenfalls zur Verringerung etwaiger Folgerisiken die Einholung der entsprechenden Sonderbeschlüsse an.[60]
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Das Verfahren für die Fassung von Sonderbeschlüssen ist in § 138 AktG geregelt. Danach können Sonderbeschlüsse der Aktionäre verschiedener Aktiengattungen in derselben HV wie der Kapitalerhöhungsbeschluss, in einer gesonderten Abstimmung oder in einer gesonderten Versammlung gefasst werden (§ 138 S. 1 AktG). Findet die Abstimmung in derselben HV statt, so muss die gesonderte Abstimmung als Tagesordnungspunkt ordnungsgemäß bekannt gemacht werden (§ 124 AktG). Gem. § 138 S. 2 AktG gelten für die Einberufung der gesonderten Versammlung und die Teilnahme an ihr sowie für das Auskunftsrecht die Bestimmungen über die HV und für die Sonderbeschlüsse die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß. Verlangen Aktionäre, die an der Abstimmung über den Sonderbeschluss teilnehmen können, die Einberufung einer gesonderten Versammlung oder die Bekanntmachung eines Gegenstands zur gesonderten Abstimmung, so genügt es, wenn ihre Anteile, mit denen sie an der Abstimmung über den Sonderbeschluss teilnehmen können, zusammen den zehnten Teil der Anteile erreichen, aus denen bei der Abstimmung über den Sonderbeschluss das Stimmrecht ausgeübt werden kann (§ 138 S. 3 AktG).
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Der Sonderbeschluss ist nicht Bestandteil des Kapitalerhöhungsbeschlusses, sondern vielmehr ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis.[61] Ist ein eigentlich erforderlicher Sonderbeschluss nicht ergangen, so ist der Kapitalerhöhungsbeschluss schwebend unwirksam; er ist nach allgemeiner Ansicht weder nichtig noch anfechtbar.[62] Verweigern die Aktionäre einer Aktiengattung in ihrem Sonderbeschluss die Zustimmung zur Kapitalerhöhung, so wird der Kapitalerhöhungsbeschluss unwirksam.[63]
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Bis zur Fassung der notwendigen Sonderbeschlüsse darf das Registergericht den Beschluss über die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregister eintragen.[64] Das Gericht wird jedoch in der Regel vor der ablehnenden Entscheidung im Wege der Zwischenverfügung auf dieses Eintragungshindernis hinweisen, um den Aktionären die Nachholung des Sonderbeschlusses zu ermöglichen.[65] Auch in dem Fall der Eintragung trotz Fehlens der Sonderbeschlüsse können diese noch nachgeholt werden.[66] Der Mangel des fehlenden Sonderbeschlusses wird aber auch ohne diese Nachholung analog § 242 Abs. 2 AktG nach Ablauf von drei Jahren geheilt.[67] Ist der Sonderbeschluss fehlerhaft, so finden nach § 138 S. 2 AktG die §§ 241 ff. AktG entsprechende Anwendung, d.h. gegen den Beschluss kann eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben werden.
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Bei der Beschlussfassung über die Ausgabe von Vorzugsaktien ist hinsichtlich der Erforderlichkeit von Sonderbeschlüssen zu differenzieren (§ 141 Abs. 2 AktG). Ist das gesetzliche Bezugsrecht nicht ausgeschlossen und sind bei der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses bereits stimmrechtslose Vorzugsaktien vorhanden, so ist ein Sonderbeschluss zu fassen, wenn die neuen Aktien den bereits existierenden Vorzugsaktien bei der Verteilung des Gewinns oder des Liquidationserlöses gleichstehen oder sogar vorgehen sollen. Kein Sonderbeschluss ist dagegen erforderlich, wenn die Ausgabe weiterer Vorzugsaktien bereits in der Satzung festgelegt worden war[68] und das Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen wird (vgl. § 141 Abs. 2 S. 2 AktG). Dies ist in der Praxis regelmäßig der Fall.[69]
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Ein Sonderbeschluss soll nach vereinzelt vertretener Auffassung weiterhin erforderlich sein, wenn stimmrechtslose Vorzugsaktien unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts ausgegeben werden, da dies zu einer nachteiligen Veränderung der Rechte der Altaktionäre führe.[70] Dem ist nicht zu folgen. Für das zusätzliche Erfordernis des Sonderbeschlusses gibt es insoweit weder eine rechtliche Grundlage noch eine Notwendigkeit. Der Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts wird bereits an den Anforderungen für den Bezugsrechtssauschluss gemessen.[71] Insofern findet eine ausreichende Prüfung der schutzwürdigen Interessen der Altaktionäre bereits statt.