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Neptunisten, Vulkanisten, Plutonisten
ОглавлениеDie rational basierte, sozusagen naturwissenschaftliche Beschäftigung mit der Natur der Vulkane begann vor ungefähr 2500 Jahren (Abb. 1.4). Die erste der drei Hauptphasen in der Ideengeschichte der Vulkanologie ging von den Vorsokratikern aus. Zwischen etwa 1780 und 1800 wurden schließlich die Grundsteine der Vulkanologie als Wissenschaft gelegt. Jedoch erst im Rahmen der Plattentektonik, deren Vorstufen Alfred Wegener bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorstellte und deren allgemeine wissenschaftliche Anerkennung jedoch erst im Laufe der 1960er- bis 1970er-Jahre erfolgte, konnten Magmen und Vulkane global und geodynamisch als System verstanden werden.
Die Naturphilosophen, von denen einige im damals griechisch besiedelten und vulkanisch aktiven Sizilien lebten, kamen zu dem logischen Schluss, dass unter Vulkanen ein Feuer im Inneren der Erde brennen müsse. Ein Feuer entsteht, wenn zwei Grundvoraussetzungen gegeben sind: eine brennbare Substanz und ein Anfachen. Als brennbare Grundsubstanz nahm man Schwefel an, der auf Sizilien bis ins vorige Jahrhundert hinein abgebaut wurde. Aristoteles postulierte durch die Tiefen der Erde brausende Winde, die das Feuer in Gang halten. Diese Grundvorstellungen über die Natur der Vulkane waren so erfolgreich – oder intuitiv einsichtig –, dass sie sich bis in die Zeit Goethes, also weit über 2000 Jahre lang, hielten.
Abb 1.4: Frühe Ideen zum Wesen des Vulkanismus, die sich – von den griechischen Naturphilosophen entwickelt – bis in die Zeit Goethes hielten. Als brennbare Substanzen des im Erdinneren wütenden Feuers nahm man Schwefel an (der in Sizilien, wo die frühen Vorstellungen entwickelt wurden, seit altersher abgebaut wird), später dann Bitumen, Kohle oder oxidierende Erze. Aristoteles entwickelte die Vorstellung von durch die Erde brausenden Winden, die das Feuer entfachen und in Gang halten. Im Hintergrund ist ein Porträt des Naturforschers Plinius der Ältere nach Thenet (1684) zu sehen. Nach Schmincke „Volcanism“ (2004).
In der neueren Geschichte der Wissenschaft von der festen Erde, der Geologie, gab es zwei große, insgesamt jeweils etwa ein halbes Jahrhundert währende Auseinandersetzungen. Der erste Streit betraf direkt die Frage nach den Wurzeln der Vulkane, der uralte Antagonismus zwischen Feuer und Wasser stand im Zentrum. Denn am Ende des 18. Jahrhunderts war die Frage, ob säulig geklüftete Basalte aus Wasser abgeschieden werden oder als heiße Schmelze aus dem Erdinneren treten, das fundamentale Thema schlechthin.
Die sogenannten Neptunisten, die den Basalt als aus dem Meerwasser abgeschieden ansahen und sich überwiegend an den Vorstellungen des berühmtesten Erdwissenschaftlers jener Zeit – Abraham G. Werner aus Freiberg in Sachsen – orientierten, standen den Vulkanisten gegenüber. Diese interpretierten, fußend auf den Beobachtungen von Nicolas Desmarest (Frankreich) in der Auvergne, säulig abgesonderte, prismatische Basalte durch Erstarrung von an der Erdoberfläche eruptierten Gesteinsschmelzen (80, 277a). Beide Schulen allerdings erklärten das Feuer, d.h. die hohen Temperaturen der Vulkane, durch oxidierende Schwefelkieslager oder brennende Kohleflöze im Erdinneren, ähnlich den Vorstellungen der Vorsokratiker. Nach den radikalen, zukunftsweisenden Vorstellungen von James Hutton (1795) jedoch entwickeln sich unter der Erdoberfläche heiße Schmelzherde, aus denen zu jeder Zeit Magmen aufsteigen können – sei es bis an die Erdoberfläche gelangend oder in der Tiefe abkühlend und so grobkörnige, plutonische Gesteine wie den Granit bildend. Anhänger dieser Schule wurden daher Plutonisten genannt, nach Pluto, dem Gott der Unterwelt. Es entbrannte ein Streit um die Erstarrung von Lavaströmen aus einer an der Erdoberfläche eruptierten Schmelze, in dem Goethe – ein Freund Werners – generell den Neptunisten zuneigte. Dieser Streit wurde schließlich, was die Quelle der Wärme betraf, zugunsten der Vulkanisten und der Plutonisten entschieden.
Abb 1.5: Schematisches Vulkan-Magma-System (nach 266).