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Vulkan und Mensch: Eine ambivalente Beziehung durch die Jahrtausende

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Alle drei Seiten des Systems Magma-Vulkan-Mensch gehören untrennbar zusammen – aus dem einfachen Grund, weil es keine andere Naturerscheinung gibt, die in so vielfältiger Weise mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, ihren Grundbedürfnissen, ihren Ängsten und ihren religiösen Gefühlen verwoben ist. Denn wenn Vulkane irgendwann das Licht der Welt erblicken und wachsen und wachsen, ist der Mensch in der einen oder anderen Weise immer unmittelbar betroffen. Kein Wunder, dass alle vier Elemente – Feuer, Wasser, Erde und Luft – auf einen der Urahnen der Vulkanologie, den griechischen Naturphilosophen Empedokles, zurückgehen, der in der Nähe des Ätna lebte.


Abb. 1.1: Vulkanausbrüche werden gesteuert durch internes (innere Kräfte) und externes Forcing (äußere Kräfte). Alle Vulkanausbrüche sind in vielfältiger Weise mit dem Menschen, seiner Kultur und seinen Lebensgrundlagen (z.B. Energie, Rohstoffe, Böden) verzahnt. Gefährdungen durch Vulkanausbrüche entstehen nur dann, wenn der Mensch sich nicht vor ihnen schützt. Vulkangefahren sind aber vernachlässigbar im Vergleich zu dem immensen Nutzen für den Menschen (277e).


Abb 1.2: Aufstiegswege und Pilgerstationen an der Flanke des heiligen Vulkans Mt. Fuji (in Japan Fuji-san, im Westen Fudschijama genannt).

Seit grauer Vorzeit haben Vulkanausbrüche die Menschen in aktiven Vulkangebieten mit Angst und Schrecken erfüllt und sie deshalb immer wieder nach den Ursachen, den Wurzeln dieser Naturgewalten fragen lassen. In vielen Ländern, vom pazifischen Siedlungsraum bis zu den Kulturen des abendländischen Altertums, haben sich unzählige Mythen über Dämonen und Götter in der Tiefe entwickelt. Seit Jahrtausenden wurden und werden Vulkane als Sitz der Götter angesehen, von den Inkas im Norden Chiles bis in das dichteste Vulkangebiet der Erde – die Inselreiche Indonesiens und der Philippinen. Selbst in modernen Gesellschaften wie Japan schlagen die religiösen Kräfte, die Vulkane ausstrahlen, nach wie vor Millionen von Menschen in ihren Bann (Abb. 1.2). Auch den Fegefeuervorstellungen des christlichen Mittelalters liegt die orientalische Überlieferung eines reinigenden Feuerstroms in der Tiefe zugrunde.

Dass auch Mitteleuropa die geballte Wirkung eines Vulkanausbruchs in über 2000 km Entfernung zu spüren bekommen kann – mit Milliardenschäden nicht nur für die Fluggesellschaften und Millionen von Flugreisenden, die weder nach Europa zurückkehren noch ausfliegen konnten –, ist eine völlig neue Erfahrung. Der sich seit Ende 2009 durch Erdbeben angekündigte und ab 20.3.2010 ausgebrochene Vulkan Eyjafjallajökull (Island) wurde am 14. April hochexplosiv, weil sich seine Zusammensetzung von basaltisch zu intermediär (d.h. SiO2-reich) geändert und sich das Eruptionszentrum in den Zentralschlot des Kraters verlagert hatte. Die bis maximal etwa 9 km aufgestiegenen Eruptionssäulen wurden von starken vorherrschenden NW-Winden nach Europa getrieben und führten zu einer fast vollständigen Schließung der Flughäfen zwischen dem 15. und 20. April (Abb. 1.3). Auch in den folgenden Wochen kam es immer wieder zu sporadischen Schließungen von Flughäfen, selbst auf den Kanarischen Inseln. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob diese extremen Flugverbote wirklich wissenschaftlich begründet waren, d.h. die Aschenpartikel etwa mehrere 100 μg/m3 überstiegen – sie waren es vermutlich im Wesentlichen nicht –, bleibt die Einsicht, dass unsere hoch technisierte moderne Gesellschaft gegenüber Naturereignissen extrem verwundbar geworden ist.


Abb 1.3: Aschenwolke des Vulkans Eyjafjallajökull am 17.4.2010, deren Verdriftung durch starke Winde zur Schließung der Flughäfen in Mittel- und Westeuropa noch in über 2500 km Entfernung führte (Bildausschnitt etwa 800 km). NASA.

Neben der bedrohlichen oder gar lebenszerstörenden Seite wurde allerdings schon in der griechischen Mythologie auch die lebenserhaltende Seite der Vulkangewalten angesprochen: Mit dem Geschenk des Feuers, das er Hephaistos in der Tiefe gestohlen hatte – eine Tat, für die er grausam bestraft wurde –, verhalf Prometheus dem Menschen erst zu seiner wahren Existenz. Diese Ambivalenz charakterisiert bis heute unser Erkenntnisinteresse am Naturphänomen Vulkanismus.

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