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Wie entstehen Magmen?
ОглавлениеAus der Tatsache, daß Scherwellen, die sich in Flüssigkeiten nicht ausbreiten, sich in den potentiellen Quellgebieten der Magmen – wenn auch mit verminderter Geschwindigkeit – fortpflanzen, können wir direkt ableiten, daß Magmen erst durch teilweise Aufschmelzung eines kristallinen Gesteins entstehen. Diese Prozesse möchte ich an einem schematischen Querschnitt durch die Lithosphäre veranschaulichen. In Abbildung 3.7 sind drei Kurven eingezeichnet. Der Geotherm stellt die in der allerobersten Kruste gemessene und für größere Tiefen extrapolierte Zunahme der Temperatur mit der Tiefe dar. Oben habe ich bereits erwähnt, daß die Steigung dieser Kurve mit der Tiefe flacher wird. Die anderen Kurven zeigen den Schmelzpunkt von Peridotit unter trockenen (rot) und volatilenreichen (violett) Bedingungen. Wenn wir einen Peridotit an der Erdoberfläche – man sagt bei Atmosphärendruck – aufschmelzen, liegt der Schmelzpunkt bei ca. 1100 °C. Je höher der Druck ist, also je größer die Tiefe in der Erde, desto höher ist die Schmelztemperatur. Denn die Temperatur von allen Änderungen im Aggregatzustand, die mit einer Volumenzunahme verbunden sind – wie bei der Entstehung einer Schmelze aus Kristallen –, nimmt mit steigendem Druck zu. Man bezeichnet diese Erhöhung der Schmelztemperatur mit zunehmendem Druck als positiven Verlauf einer Schmelzkurve. Entscheidend für den „Normalzustand“ der Lithosphäre ist, daß die Temperatur der Schmelzkurve höher liegt als die des Geotherms. Mit anderen Worten: Das Gestein der Lithosphäre ist zwar sehr heiß, aber fest und kristallin. Erst wenn Geotherm und Schmelzkurve sich treffen oder „schneiden“, kann eine Schmelze entstehen.
Abb 3.7: Drei Möglichkeiten der Basaltmagmaentstehung durch partielle Aufschmelzung von Peridotit. a = Temperaturerhöhung; b = Druckerniedrigung; c = Schmelzkurvenerniedrigung durch Zufuhr von H2O und CO2. Angenommen ist ozeanische Krustenmächtigkeit.
Es gibt im wesentlichen drei verschiedene Prozesse, d.h. Veränderungen der Zustandsbedingungen P (Druck), T (Temperatur) und X (chemische Zusammensetzung), bei denen ein festes Gestein partiell aufgeschmolzen werden kann:
• Erhöhung von T (P und X konstant),
• Erniedrigung von P (T und X konstant),
• Änderung von X (P und T konstant),
wobei mehrere Prozesse in der Natur gleichzeitig wirksam sein können.
Erhöhung der Temperatur
Intuitiv am einfachsten zu verstehen ist die partielle Aufschmelzung durch Temperaturerhöhung, ein aus dem täglichen Leben bekannter Vorgang: Wir schmelzen Wachs oder Blei, indem wir es erhitzen. Wenn wir ein Gestein – bei konstantem Druck – so weit erhitzen, daß es zu schmelzen beginnt, wird sich die Temperatur bei weiterer Wärmezufuhr nicht weiter erhöhen, denn die zugeführte Wärme wird gebraucht, um das aus mehreren Mineralphasen mit unterschiedlichen Schmelzpunkten bestehende Gestein weiter aufzuschmelzen.
Welche Wärmequellen gibt es in der Erde und reichen sie aus, um ein Gestein partiell aufzuschmelzen? Der oben erwähnte radioaktive Zerfall der Elemente U, Th und K, die im Laufe der 4,6 Milliarden Jahre langen Erdgeschichte in der Erdkruste angereichert wurden, ist heute viel zu gering, um zur Aufschmelzung zu führen. Denn die jeweils produzierte Wärme wird durch langsame Wärmeleitung ständig zur kalten Oberfläche der Erde fortgeführt und verstrahlt in den Weltraum. Im Erdmantel dagegen ist die Konzentration an radioaktiven Elementen viel zu niedrig, um das Gestein bis zum Schmelzpunkt aufheizen zu können, selbst wenn keine Wärme abwandern würde.
Erzeugung von Wärme durch mechanische Reibung und dadurch ausgelöste Aufschmelzung ist immer wieder postuliert worden – etwa an der Basis der sich bewegenden Lithosphäre oder entlang von Wadati-Benioff-Zonen. Handfeste Beweise für die Erzeugung signifikanter Mengen von Magma durch Scherschmelzung stehen indes aus.
Wärmetransport durch einen kristallinen Körper – man nennt dies Wärmeleitung – ist ein sehr langsamer Vorgang. Sehr viel schneller kann Wärme in mobiler Materie transportiert werden; man spricht dann von konvektivem Wärmetransport. Steigen große Mengen von über 1200 °C heißen Basaltmagmen aus dem Erdmantel in die Erdkruste auf und bleiben dort stecken, kann Krustengestein partiell aufgeschmolzen werden. Wenn das Basaltmagma beim allmählichen Abkühlen auskristallisiert, wird weitere Wärme frei, die sogenannte Kristallisationswärme. Man nimmt heute an, daß viele Granit-(Rhyolith-)Magmen wegen ihrer chemischen Zusammensetzung, insbesondere der Verhältnisse ihrer radiogenen Isotope, bei denen das Tochterisotop, z.B. 87Sr, so stark angereichert ist, weil das Mutterisotop, in diesem Fall 87Rb, schon vor geologisch langer Zeit in der Kruste angereichert wurde, aus der unteren Erdkruste stammen. Die einzige nach heutiger Erkenntnis plausible Herkunft der zur Aufschmelzung nötigen Wärme ist die Zufuhr größerer Mengen von basaltischen Magmen (128). Dies ist auch deshalb wahrscheinlich, weil man rein theoretisch erwarten würde, daß sich basaltische Magmen an der Grenze zwischen Mantel und Kruste sammeln (s.u.).
Druckentlastung
Wenn (1) die Temperatur eines Mantelgesteinsvolumens konstant gehalten wird, (2) Geotherm und Schmelzkurve nahe beieinanderliegen und (3) das betrachtete Volumen entlang dem Pfad b in Abbildung 3.7 nach oben gebracht, d.h. druckentlastet wird, kann, abstrakt ausgedrückt, der Geotherm so weit aufgewölbt werden, daß er die Schmelzkurve schneidet. Mit anderen Worten: Die innere Wärme des nach oben verfrachteten Gesteins reicht aus, um den Schmelzvorgang auszulösen. Dies gilt strenggenommen nur für trockene, d.h. Fluid-freie Systeme (s.u.).
Dieser Prozeß der Dekompression von aufsteigendem Mantelmaterial ist wahrscheinlich der mit Abstand wichtigste Mechanismus zur Erzeugung von Mantelschmelzen, also Basaltmagmen, denn das kristalline Mantelgestein kann plastisch fliessen. In der Tat beruht das ganze Theoriengebäude der Plattentektonik auf dieser Annahme. An den divergierenden Plattenrändern, d.h. unter den Mittelozeanischen Rücken oder unter den in Kapitel 6 beschriebenen Hot Spots nimmt man wärmeres, konvektiv aufsteigendes Mantelmaterial an, dessen Aufstiegsgeschwindigkeit – relativ gesprochen – so groß ist, daß es keine Wärme an das kältere Nebengestein abgibt. Man spricht dann von adiabatischem Aufstieg. Als Ausgleich sinken dann kältere Mantelbereiche wieder ab, wie die entlang von Subduktionszonen abtauchenden Lithosphärenplatten. Domartiger „Diapir“-Aufstieg von spezifisch leichteren innerhalb von schwereren Gesteinen ist von Salzstöcken, z.B. in Norddeutschland, seit Jahrzehnten bekannt.
Zufuhr fluider Phasen
Beim dritten möglichen Mechanismus zur Erzeugung von Magma halten wir Druck (P) und Temperatur (T) konstant, verändern aber die Lage der Schmelzkurve zu niedrigeren Temperaturen. Beim gleichen Überlastungsdruck wird ein trockener Peridotit (oder ein anderes Gestein) bei höheren Temperaturen schmelzen als in Anwesenheit von fluiden Phasen, d.h. vor allem H2O und CO2.Mit anderen Worten: Fluide Phasen erniedrigen den Schmelzpunkt eines Gesteins. Wie stark dieser Schmelzpunkt erniedrigt wird, hängt nicht nur von der Menge einer fluiden Phase ab, sondern auch vom Verhältnis verschiedener fluider Phasen, also etwa H2O/H2O + CO2. Ein Mantel- oder Krustengestein wird bei niedrigeren Temperaturen also sehr viel leichter beginnen aufzuschmelzen, wenn es „naß“ ist. Da die meisten Basaltmagmen etwa zwischen ca. 0,1 Gew.-% (Tholeiite) und 1,5 Gew.-% (Alkalibasalte) primäres, juveniles H2O (und andere Volatilen, CO2, SO2 usw.) enthalten (Kap. 4), ist der Erdmantel nicht „trocken“. Vermutlich sind diese fluiden Verbindungen in Mineralphasen wie Glimmer (Phlogopit, H2O), Amphibol (H2O) oder Dolomit (CO2) eingebaut und werden zu Beginn der partiellen Aufschmelzung freigesetzt. Man denkt heute daran, daß beim Erwärmen der abtauchenden Platte in Subduktionszonen aus den Sedimenten und der ca. 1,5 km dicken Basaltlavakruste H2O, CO2 und in diesen fluiden Phasen gelöste Elemente wie K, Rb, Ba, Cs, Sr in den überlagernden Mantelkeil aufsteigen und dort die Entstehung von H2O-reichen Basalt- oder sogar Andesitmagmen auslösen können. Auch unter anderen tektonischen Großeinheiten, wie den Hot Spots, nimmt man an, daß fluide Phasen wandern, dabei das durchströmte Mantelmaterial metasomatisch chemisch und mineralogisch verändern und lokal zur partiellen Aufschmelzung beitragen können, indem sie die Peridotitschmelzkurve erniedrigen.