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Zonierte Magmakammern

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Seit etwa Mitte der sechziger Jahre war aufgefallen, daß viele pyroklastische Ablagerungen (Aschenströme, plinianische Fallout-Ablagerungen; Kap. 10 und 11) von der Basis zum Top systematisch chemisch und mineralogisch zoniert sind (Abb. 3.14; 3.15; 3.16). Normalerweise enthält die Basis eines Ignimbrits – oder einer mächtigen Falloutsequenz, wie beim Laacher-See-Vulkan (s.u.) – wenig Kristalle (Einsprenglinge), kann aber im Oberteil bis zu 50 % Kristalle enthalten. Gleichzeitig ändert sich auch die chemische Zusammensetzung der Glasmatrix, und zwar von hochdifferenzierten Zusammensetzungen an der Basis zu weniger stark differenzierten am Top.


Abb 3.14: Ignimbrit der Mt.-Mazama-Eruption (6850 Jahre vor heute) des Crater-Lake-Vulkans (Oregon, USA). Helle Dazite im unteren Bildteil (ursprünglich oberer Teil der Magmasäule) und dunkle Andesite mit herauspräparierten, zementierten Entgasungskanälen (fossilen Fumarolen) im Oberteil spiegeln die chemische Zonierung der Magmakammer in umgekehrter Reihenfolge wider.

Ein anschauliches und detailliert untersuchtes Beispiel für eine kompositionell zonierte Magmasäule stellen die Ablagerungen des Laacher-See-Vulkans dar, der vor ca. 12.900 Jahren eruptierte. Die Strukturen der Ablagerungen und die Eruptions- und Ablagerungsgeschichte werden in Kapitel 11 ausführlicher diskutiert; hier beschränke ich mich auf die Natur und Entstehung der kompositionellen Zonierung der Ablagerungen.

Schon im Gelände fallen Eigenschaften auf, die einen ersten Eindruck von der Zonierung der Magmasäule und ihrer ehemaligen Tiefenlage vermitteln. Die Farbe der Bimse ändert sich von Hellweiß in den untersten zu Mittel- bis Dunkelgrau in den obersten Schichten (Abb. 3.15). Dieser Wechsel findet nicht allmählich statt. Es gibt zwei Sprungschichten, wo die hellen, überwiegend durch längliche Blasen charakterisierten Bimse mit wenigen Einsprenglingen von dunklen, eckigen, kristallreicheren, dichten und (zebraartig) gestreiften Bimsen überlagert werden, die Grenze zwischen den Schichten MLST-B und MLST-C in unserer Nomenklatur (LLST= Lower-Laacher-See-Tephra; MLST= Middle-Laacher-See-Tephra; ULST= Upper-Laacher-See-Tephra) (Abb. 3.16; 3.17; s. auch 11.28). Noch höher im Profil setzen die sogenannten grauen Laacher-See-Tephraschichten ein, die durch knollige, relativ dichte und extrem kristallreiche Lapilli gekennzeichnet sind. Neben der Änderung der Farbe, Blasenmenge, Blasenform und Volumenanteile an Einsprenglingen ändert sich auch der Typ der Nebengesteinsfragmente: Während in den untersten Schichten Fragmente der obersten Deckschichten überwiegen, wie Tone, Kieselgerölle, dunkle „basaltische“ (genauer: tephritische und basanitische) Schlacken und dichte Bruchstücke, tauchen nach oben durch Kontaktmetamorphose aufgeblähte und zum Teil umkristallisierte, bimsartige Schiefer auf, grobkörnigere Tiefengesteine wie Syenite, mafische, dunkle, häufig bröselige aus Amphibol, Glimmer und Pyroxen bestehende Tiefengesteine mit ähnlichem Mineralbestand wie die Bimse und einer häufig noch blasigen glasigen Matrix, während in den allerobersten Schichten stärker metamorphe Schiefer auftreten (Phyllite, Grünschiefer).

Wenn wir die Schichten auskartieren, ihr Volumen berechnen und die chemische Zusammensetzung der Bimse (Matrixgläser), Einsprenglinge und Glaseinschlüsse analysieren, ergibt sich das eindrucksvolle Bild einer insgesamt extrem zonierten Magmasäule, die aus mindestens drei Teilschichten bestand, an deren Grenzschichten sich die Magmen stärker vermischten (Abb. 3.16; 3.17). Die chemische Zonierung kann man nachweisen durch Analyse der Gesamtgesteine, wobei immer die Frage auftaucht, ob die fast einsprenglingsfreien, hellen, zuerst eruptierten Bimse wirklich mit den einsprenglingsreichen der zuletzt eruptierten unteren Schichten eine durchgehende Magmasäule in der Tiefe gebildet hatten. Mit anderen Worten: Gehören die Einsprenglinge in den phänokristallreichen grauen Bimsen zur Matrix, sind sie aus ihr in situ auskristallisiert oder sind sie z.B. durch gravitative Absaigerung aus höheren Bereichen der Magmasäule angereichert worden? Stellen die einsprenglingsarmen, hellen Bimse Magmen dar, die durch Absinken von Kristallen verändert wurden? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten.


Abb 3.15: Ablagerungen des vor 12.900 Jahren eruptierten Laacher-See-Vulkans am Wingertsberg bei Mendig. Die nicht sichtbare Basis der Ablagerungen liegt noch 10 m tiefer. Untere helle, einsprenglingsarme, phonolithische Tephraablagerungen (helle Aschenströme im rechten, unteren Bildteil) (LLST und MLST A, B) sind getrennt von den mafischeren, schräggeschichteten, grauen Ablagerungen durch drei ungefähr 50 cm-mächtige Lagen aus gut sortierten Bimsen, die von dunklen Aschenbändern voneinander getrennt sind (MLST C). Die beiden oberen, durch eine Aschenlage voneinander getrennten Bimslapilli-Lagen wurden von uns informell als „Autobahn“ bezeichnet (s. auch Abb. 10.11; 11.28). Die dunklen Lapilli der schräggeschichteten Ablagerungen ULST sind extrem kristallreich.


Abb. 3.16: Änderung der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung der Laacher See Tephra mit der Stratigraphie. Die LLST repräsentiert den oberen Teil der chemisch zonierten Magmakammer, der während der plinianischen Phasen entleert wurde. Während der späten phreatomagmatischen Phasen (ULST) wurden die unteren Bereiche der Magmakammer gefördert. Das Diagramm zeigt (a) den Kristallgehalt (Vol.-%), (b) den modalen Kristallgehalt (Vol.-%), (c) die Hauptelement- (Gew.-%) und Spurenelementgehalte (ppm) essentieller Bimslapilli (graue Kreise) und (d) die Volatilengehalte von nicht-entgasten Glaseinschlüssen (weiße Kreise) und partiell entgasten Bimsmatrixgläsern (türkisfarbene Felder) (120; 277; 374).

Interessanterweise zeigt die Analyse von Glaseinschlüssen (Abb. 3.16; 3.18), d.h. von Schmelze, die bei schnellwachsenden Kristallen eingefangen wird und als Glas vorliegt, ähnliche Gradienten in den meisten Elementen – ein wichtiger Befund, denn offensichtlich haben Gradienten in der Magmasäule und den Sprungschichten schon vor der Kristallisation der meisten analysierten Einsprenglinge bestanden. Dennoch erscheint es wahrscheinlich, daß die kompositionelle Zonierung der Magmasäule durch fraktionierte Kristallisation entstand, wobei man davon ausgehen muß, daß Kristalle zum einen vom Rand der Magmasäule nach innen wachsen, weil die Schmelzen natürlich gegen das um viele 100°C kühlere Nebengestein stärker abkühlen und daher auskristallisieren. Zum anderen werden sich die Kristalle in der Schmelze bewegen; die dichteren werden nach unten sinken, die leichteren nach oben steigen, es sei denn, sie werden durch Konvektionsströme stärker in der Flüssigkeitssäule vermischt. Diese fraktionierte Kristallisation ist mehrfach berechnet worden und insofern auch theoretisch plausibel (374).

In welcher Tiefe sind diese Prozesse abgelaufen? Zunächst zeigt die Tatsache, daß zu Anfang der Eruption Nebengestein von den Oberflächenschichten ausgeworfen wurde, während der Hauptphase dagegen devonische Schiefer und Sandsteine und am Ende regionalmetamorphe, daß sich die Magmasäule im Tiefenbereich zwischen etwa 2 und 4 km zum Schluß entwickelt hat, bevor sie eruptierte. Aus der Zusammensetzung von koexistierenden Kristallen, insbesondere Kalifeldspat (Sanidin) und Plagioklas, die beide in großen Mengen vorkommen, kann man durch den Vergleich mit experimentellen Daten den Druck ermitteln, der ebenfalls in der gleichen Größenordnung liegt. Auch die experimentelle Aufschmelzung und Auskristallisation von natürlichen Proben zeigt, daß das Magma sich nicht in größerer Tiefe (Basis der Kruste) entwickelt hat, sondern relativ oberflächennah (98). Dabei muß man sicher davon ausgehen, daß eine derartige Magmasäule nicht stationär ist, sondern sich dynamisch nach oben bewegt, weil die sich bei der Kristallfraktionierung entwickelnden, höher differenzierten Magmen nicht nur eine geringere Dichte besitzen, sondern auch möglicherweise schon an flüchtigen Bestandteilen gesättigt werden und Blasen bilden, beides physikalische Gründe, die den Aufstieg eines Magmas beschleunigen.


Abb. 3.17: Vereinfachtes Modell des Laacher-See-Magmareservoirs (nach 120; 328; 329; 374; 375) (nicht maßstäblich). Die Tephra-Stratigraphie ist normiert auf die relativen Teilvolumina des eruptierten Magmas. (1) Konvektion, Umverteilung und Absaigern von Kristallen; (2) Magma und Kristalle, zum Top des Magmareservoirs aufsteigend; (3) kristallreiche untere Teile der Magmasäule; (4) hochdifferenzierte, volatilenreiche (überwiegend H2O) Schmelze im Dachbereich. Der Übergang von MLST B/C ist durch einen deutlichen Sprung in der chemischen Zusammensetzung gekennzeichnet, wobei kristallreiches, mafisch phonolithisches Magma (MLST C und ULST) von kristallarmem, stärker differenziertem Phonolith-Magma (LLST und MLST A/B) überlagert wird.


Abb 3.18: Mikrophoto (Gesteinsdünnschliff) eines 1 cm langen Plagioklas-Kristalls aus einer 1976 eruptierten Asche des Augustine-Vulkans (Alaska) im Durchlicht. Die rundlichen, hellbräunlichen Bereiche sind Glaseinschlüsse mit kleinen Gasblasen. Die länglichen Kristalle sind überwiegend Pyroxen.

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