Читать книгу Vulkanismus - Hans-Ulrich Schmincke - Страница 36
Explosive Eruptionen
ОглавлениеExplosive Eruptionen sind der Inbegriff für aktive Vulkantätigkeit. Sie haben mit vom Menschen verursachten Explosionen die Zerstörungskraft gemein. Die drei zerstörerischsten Vulkaneruptionen der vergangenen 170 Jahre waren explosiv: Tambora (Indonesien 1815) > 100.000 Tote; Krakatau (Indonesien 1883) 36.000 Tote und Mt. Pelée (Martinique 1902) 29.000 Tote (Kap. 13). Explosive Vulkaneruptionen aus der Nähe zu analysieren ist nicht nur aus technischen Gründen schwierig. Die meisten ereignen sich plötzlich und in abgelegenen Teilen der Erde. Überlebende Augenzeugen haben meist nur Beobachtungen aus der Ferne gemacht.
Die große Eruption des Mt. St. Helens am 18. Mai 1980 (Kap. 10) war für die Wissenschaft von immenser Bedeutung. Sie ereignete sich in einem relativ gut zugänglichen Gebiet und in einem Land mit einer hochentwickelten Wissenschaft und ausreichenden finanziellen Ressourcen, um die Eruption von den Anfängen bis heute von einem Team qualifizierter Wissenschaftler beobachten und analysieren zu lassen. Obwohl bisher nur ein Teil der Ergebnisse ausgewertet und publiziert wurde, kann die Mt.-St.-Helens-Eruption schon heute als die am besten erforschte Eruption eines hochexplosiven Vulkans überhaupt angesehen werden (168).
Im Normalfall wird das Eruptionsverhalten eines Vulkans anhand der Produkte einer Eruption rekonstruiert. Aus der Analyse geologisch älterer Ablagerungen geht z.B. eindeutig hervor, daß sich in der geologischen Vergangenheit Vulkaneruptionen ereignet haben, deren Energie ungleich größer war als die der größten historischen Eruptionen (Abb. 4.13). Die Ablagerungen der jüngsten hochexplosiven Vulkaneruption in Mitteleuropa, z.B. der des Laacher-See-Vulkans vor 12.900 Jahren, bilden ein Magmavolumen von ungefähr 6,3 km3, mehr als die Volumina der Mt.-St.-Helens-Eruption (1980) und der des El Chichón (Mexiko) im Jahre 1982 zusammengenommen. Theoretische Überlegungen und Modellierungen helfen heute zunehmend, die komplexen Eruptionsabläufe in überschaubare Einzelschritte zu zerlegen und damit der quantitativen Analyse zugänglich zu machen (Kap. 10, 11 und 12).
Die Bedeutung von explosiven, verglichen mit effusiven Eruptionen – ausgenommen die submarinen Eruptionen an Mittelozeanischen Rücken – ist ganz offensichtlich, wenn wir uns das Volumen der von Vulkanen geförderten Materie ansehen. Über 90 Vol.-% des Materials, das zumindest in historischer Zeit von tätigen Vulkanen an Land eruptiert wurde, besteht aus Fragmenten, die unter dem Begriff Tephra zusammengefaßt werden (254) (Kap. 10). Mit Ausnahme der Laki-Spalteneruption von 1783 waren alle in Abbildung 4.13 aufgeführten Eruptionen explosiv.
Wenn man einen Erdwissenschaftler fragen würde, wie eine explosive Vulkaneruption ausgelöst wird, würde er vermutlich antworten, durch Entgasung eines Magmas und daraus resultierendem Gasüberdruck, wobei er wahrscheinlich das Bild einer Eruptionssäule über einem Vulkan vor Augen hätte (Abb. 4.14). Daß Gas bei explosiven Eruptionen eine wesentliche Rolle spielt, ist ganz offensichtlich, aber in vielerlei Hinsicht wäre die Antwort nach dem heutigen Wissensstand nicht ausreichend.
Erstens sind vermutlich viele Magmen kurz vor ihrer Eruption an Gas (insbesondere H2O) untersättigt gewesen und sind nicht deshalb aus größeren Tiefen aufgestiegen, weil sich ihre Dichte durch die Bildung von Gasblasen erniedrigt hat. Zweitens stammt ein kleinerer oder größerer Teil des Gases, das explosive Eruptionen auslöst, nicht aus dem Magma selber, sondern ist verdampftes externes Wasser, meistens Grundwasser. Und drittens werden Magmen auch durch Scherung beim Aufstieg und bei Granulierung durch Abschreckung in unterschiedlichem Maße durch Prozesse fragmentiert, die nicht auf der Expansion einer Gasphase beruhen (Kap. 10). Wenn wir ein explosives System verstehen wollen, müssen wir außerdem zwischen dem Auslösemechanismus und dem eigentlichen Fragmentierungsprozeß unterscheiden.
Daß die Expansion magmatischer Gase bei Druckerniedrigung (sei es durch Magmaaufstieg in der Kruste, durch Spaltenbildung oder explosive Zerstörung der Krustendecke über einer Magmakammer) eine zentrale Rolle bei der Zerreißung des Magmas in Einzelpartikel spielt, gehört seit Scrope (1825) zu den Grundvorstellungen der Vulkanologie. Aber wie entstehen Blasen in einem Magma? Wie wachsen sie? Steigen sie in einem passiven Magma auf oder sind die Aufstiegsgeschwindigkeiten des Magmas – im Vergleich zur Wachstumsgeschwindigkeit der Blasen – so groß, daß die Blasen zusammen mit leichten Kristallen weitgehend passiv nach oben transportiert werden? Welches sind die entscheidenden statischen und dynamischen Magmaeigenschaften, die Entstehung, Wachstum und Aufstieg der Blasen bestimmen: Sind es die Zusammensetzung des Magmas, Viskosität, Temperatur, Art und Menge der flüchtigen Bestandteile, Oberflächenspannung, Diffusionskoeffizienten? Welche dieser Variablen sind voneinander abhängig? Welches sind die wichtigsten Vorgänge bei der eigentlichen Zerreißung des Magmas, und welcher Art sind die Eruptionsvorgänge des Gemisches von Lavapartikeln und Gas?
So wie wir im zweiten Kapitel den Weg eines Magmas vom Mantel bis in die Oberkruste verfolgt haben, soll jetzt der obere Teil eines Magma-Vulkan-Systems etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Dazu müssen wir uns nach den fließmechanischen, d.h. rheologischen Eigenschaften eines Magmas auch die magmatischen Gase näher anschauen. In Kapitel 10 betrachten wir die Entstehung (Keimbildung), das Wachstum und schließlich das Platzen der Gasblasen, Prozesse, die im wesentlichen unter der Erdoberfläche ablaufen. Auch die Vorgänge in dem von weitem sichtbaren Teil einer Eruption, der Eruptionssäule, werde ich in Kapitel 10 und 11 anhand von zwei Grundmustern besprechen: basaltischen (strombolianischen/hawaiianischen) und hochexplosiven plinianischen Eruptionssäulen, veranschaulicht durch die Beispiele Hawaii, Mt. St. Helens und Laacher-See-Vulkan.
Abb. 4.14: Eruptionssäule der 1822er Eruption des Vesuvs (aus 281).