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Dort, wo man das Schloss sehen könne, fahre der Zug langsam, hatte jemand Großmama erzählt. Max drückte das Gesicht gegen die Scheibe und wartete, dass sich tausend Jahre Familiengeschichte schwarz vor der dunkelgrauen Nacht abhoben.

Vergiftet war es, das Schloss. Dreckig und stinkend lag es inmitten einer Wüste, die sie das Chemiedreieck der DDR nannten. Es hatte schon gestunken, als die Familie noch dort lebte. Der Gestank entwich den Schornsteinen einer riesigen Chemiefabrik, die von den Nazis auf das beste Ackerland von Max’ Großvater gestellt worden war. Dächer, Pflanzen, Wiesen, alles war hier mit einer grauweißen Schicht überzogen. Die ersten Rosen aus seinem Garten rieb der Pfarrer jedes Jahr mit Essigsäure ab, bevor er sie der Organistin zum Geburtstag schenkte. Dann erst wurden die grauen Blätter grün und rot. Das Schloss war kontaminiert, überzogen von etwas Giftigem. Und man konnte nicht wissen, was darunter alles zum Vorschein kommen mochte. Und wie der giftige Rauch hatte auch die Familie die Gegend mit einer Schicht überzogen, jahrhundertelang. Alles überzogen und verseucht. Chemieverseucht, geschichtsverseucht, familienverseucht. Der Zug bremste ab.

Die Tasche, die vor ihm auf dem Boden lag, die musste er nicht aufmachen. Aber wenn so ein Schloss auf dich zukommt, dann ist das eine andere Geschichte. Und es war ja nicht mehr wie früher, dass der Älteste alles erbte und man als Jüngster fein raus war. Heutzutage musste man selbst dafür sorgen, dass sie einen in Ruhe ließen. Tasche ja, Schloss nein. Max schloss die Augen.

Czernin oder wie ich lernte, den Ersten Weltkrieg zu verstehen

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