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Kapitel I GmbH-GesetzAbschnitt 1 Errichtung der Gesellschaft › § 9b Verzicht auf Ersatzansprüche

§ 9b Verzicht auf Ersatzansprüche

(1) 1Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. 2Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.

(2) 1Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtete Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung.

Kommentierung

I.Allgemeines1

II.Vergleich und Verzicht2 – 4

III.Verjährung5, 6

I. Allgemeines

1

Die Vorschrift war nicht Gegenstand der Reform 2008 und blieb unverändert. Die Vorschrift wurdet 1980 in Anlehnung an § 50 AktG eingefügt (vgl die frühere Fassung des § 9 Abs 2, Abs 3). Hinsichtlich der Verjährung hat man sich an § 51 AktG orientiert. Der Rechtsausschuss hat hier die Vorstellungen aus dem RegE 1980 (BT-Drucks 8/1347) mit redaktionellen Änderungen übernommen (vgl BT-Drucks 73908, 72). Die Bestimmung hat Gläubigerschutzfunktion. Sie erfordert nicht wie in § 50 AktG eine Sperrfrist oder ein Widerspruchsrecht einer Gesellschafterminderheit (RegE BT-Drucks 8/1347, 36). Die Vorschrift ist bei Kapitalerhöhung und Umwandlung entspr anzuwenden (Scholz/Veil § 9b Rn 2). Abs 1 wurde durch das EGInsO v 1994 mit Wirkung zum 1.1.1999 geändert (Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9b vor Rn 1). Die Vorschrift gilt entspr für Kapitalerhöhungen (Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9b Rn 5).

II. Vergleich und Verzicht

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Unter „Vergleich“ fällt der Vergleich iSd § 779 BGB (Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9b Rn 2; Baumbach/Hueck/Fastrich § 9b Rn 2; Wicke § 9b Rn 1). Hierbei handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis (im weitesten Sinne) beseitigt werden – und zwar im Wege des gegenseitigen Nachgebens (vgl Palandt/Thomas § 779 Rn 4 f; Scholz/Veil § 9b Rn 7; BGH ZIP 1987, 1050 zur Verzichtswirkung einer Entlastung nach § 46 Nr 5; zu Abtretung ohne hinreichende Gegenleistung und Annahme der unzureichenden Leistung an Erfüllung statt Hamm NZG 2001, 1144).

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Der Vergleich, der gegen § 9b Abs 1 verstößt, ist unwirksam; er unterliegt nicht (uU nicht mehr) der an sich bestehenden Dispositionsbefugnis der Gesellschaft. Das gilt auch für Prozessvergleiche. Liegen die Voraussetzungen für die Unwirksamkeit im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung, andernfalls Überschuldung – nicht im Text des § 9b genannt, dennoch entspr Anwendung vgl Scholz/Veil § 9b Rn 13 – oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH) nicht vor, sondern tritt diese Bedingung später ein, so trifft die Unwirksamkeit den Vergleich zu diesem Zeitpunkt, relative Unwirksamkeit erfolgt ggü der GmbH und ihren Gläubigern (vgl Baumbach/Hueck/Fastrich § 9b Rn 2; Scholz/Veil § 9b Rn 10 mwN). Wird der Gesellschaft oder einem der betroffenen Personen die Schuld erlassen, so handelt es sich um einen Verzicht (Erlassvertrag gem § 397 Abs 1 BGB). Das gilt auch, wenn die Gesellschaft anerkennt, dass ihr gegen den Betroffenen nichts mehr zusteht (§ 397 Abs 2 BGB). Zur Zulässigkeit von Vergleichen über aktienrechtliche Differenzhaftung ohne Zustimmung der Hauptversammlung BGH NJW-RR 2012, 866.

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Lediglich dann, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist oder der Vergleich zur Abwendung oder Beseitigung des Insolvenzverfahrens mit den Gläubigern erfolgt, greift § 9a Abs 1 nicht ein (vgl insofern § 17 Abs 2 InsO; auch Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9b Rn 3). Eben dies gilt auch für den Fall der Regelung der Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan. Hier sollen die GmbH bzw deren Gläubiger durch die Vorschrift nicht besser als die übrigen Gläubiger des Ersatzverpflichteten gestellt werden (Scholz/Veil § 9b Rn 12; Baumbach/Hueck/Fastrich § 9b Rn 2). Betroffen sind damit die Insolvenz des Ersatzpflichtigen, die Abwendung der Insolvenz durch gerichtliches Vergleichsverfahren und der gerichtlich bestätigte Zwangsvergleich (Scholz/Veil § 9b Rn 13–15; Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9b Rn 3; vgl auch BGH ZIP 1987, 1050: Verzichtswirkung einer Entlastung nach § 46 Nr 5).

III. Verjährung

5

Die Bestimmung des § 9a Abs 2 ist an § 51 AktG angelehnt. Von der Verjährung sind Ansprüche aus der Gründungszeit der GmbH betroffen (vgl § 9a: falsche Angaben, Schädigung durch Gründungsaufwand bzw durch Einlagen). Maßgeblich für den Lauf der Verjährungsfrist ist grds die Eintragung in das HR (s Eintragungsdatum in Spalte 7 des Registers) – ausnahmsweise späterer Beginn bei späterer Begehung nach Eintragung (Scholz/Veil § 9b Rn 17; Baumbach/Hueck/Fastrich § 9b Rn 4; nicht Zeitpunkt der Heilung KG Berlin GmbHR 2011, 821 – verdeckte Sacheinlage: falsche Angaben im Zusammenhang mit einem Heilungsversuch; Wicke § 9b Rn 2). Nicht entscheidend ist, wann der Schaden entstanden ist bzw wann die Gesellschaft von den entspr Ansprüchen Kenntnis erhalten hat (vgl andererseits zB §§ 199 BGB; wie hier Baumbach/Hueck/Fastrich § 9b Rn 4; Scholz/Veil § 9b Rn 17).

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Eine Abkürzung der Verjährungsfrist scheidet aus – zwingende Bestimmung (Scholz/Veil § 9b Rn 19 mwN). Hemmung und Unterbrechung der Verjährungsfrist richten sich nach den §§ 202 ff BGB (Scholz/Veil § 9b Rn 18 zu weiteren Einzelheiten).

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