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1.1.2 Ökonomische Prinzipien und Unternehmensziele

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Jeder Mensch ist vielfältig mit den Begriffen Wirtschaft und wirtschaften verbunden, z. B. als Arbeitnehmer oder Unternehmer, Produzent oder Lieferant, Konsument oder Sparer. Der Begriff Wirtschaft hat in unserer Gesellschaft schon fast eine schicksalhafte Bedeutung bekommen, denn er nimmt Einfluss auf viele Lebensbedingungen und wird oft für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht, er gilt aber auch als Garant für den materiellen Wohlstand in unserer Gesellschaft. Zu diesen Wohlstandsfaktoren zählen in erster Linie:1)

Pozential menschlicher und natürlicher Ressourcen und ihr sinnvoller Umgang,
Nutzung einer produktivitätsfördernden Arbeitsteilung,
Niveau der Mechanisierung und Automatisierung in Produktions- und Dienstleistungsprozessen,
Standardisierung von Werkstoffen, Produkten und Informationsstrukturen,
Entwicklungsrate des technisch- und geisteswissenschaftlichen Fortschritts,
Effizienz des markwirtschaftlichen Systems (das Gestaltungskräfte der Wirtschaft optimal anreizt und koordiniert).

Die herkömmliche ökonomische Theorie als auch die Betriebswirtschaftslehre stellen fast schon dogmatisch das typisierte Menschenbild vom rational urteilenden den Eigennutz maximierenden homo oeconomicus in den Vordergrund, bei Kunden ebenso wie bei Managern oder Arbeitnehmern. Menschen handeln aber nur eingeschränkt rational, ihr scheinbar bewusstes Denken und Handeln ist sehr stark individuell psychologisch bewusst und unterbewusst sowie durch kulturelle gesellschaftliche Normen oder externen Druck geprägt. Das menschliche Verhalten widerspricht damit häufig der in der Volks- und Betriebswirtschaftslehre zugrunde gelegten Rationalitätsorientierung. Dies zeigt sich besonders z. B. im Marketing und Vertrieb, im Personalwesen und der Mitarbeiterführung, aber auch im Börsengeschehen, wo immer mehr Anlagestrategien nach behavioristischen Modellen (s. auch Kap. 7.3: Der Behaviorismus) arbeiten.

Bedürfnisse und Güterknappheit

Initiator und Katalysator dieser Wirtschaft ist der Mensch mit seinen Wünschen, wissenschaftlich ausgedrückt mit seinen Bedürfnissen und seiner Motivation. Menschliches Handeln wird durch das Schema MotivVerhalten Ziel beschrieben, d. h. ein Mensch hat ein Motiv (ausgelöst durch ein Bedürfnis), welches zielorientiert sein Verhalten bestimmt.

Beispiel: Hat ein Mensch ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis und sein Ziel ist die Anerkennung durch seine Mitmenschen, wird sein Verhalten das Streben nach besonderen von anderen anerkannten Leistungen sein (s. a. Grundlagen der Motivationstheorie, Kap. 7.3: Der Behaviorismus).

Den i. d. R. unbeschränkten Bedürfnissen und Motiven stehen zur Bedürfnisbefriedigung aber nur beschränkte Ressourcen zur Verfügung (z. B. Naturvorkommen, Zeit, Einkommen). Das heißt es besteht im Allgemeinen Güterknappheit als Rahmenbedingung des Wirtschaftens. Gäbe es keine Güterknappheit, würde es aber wahrscheinlich auch keine materiellen Wünsche geben. Damit gäbe es wahrscheinlich für die meisten Menschen auch kaum Notwendigkeiten oder Anreize, besondere Anstrengungen (Leistungen) in Kauf zu nehmen, um in den Besitz dieser Güter zu gelangen.

Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit

Das Wirtschaftlichkeitsprinzip (auch: ökonomisches Prinzip) fordert wirtschaftlich optimales Handeln. Man handelt nach herkömmlich herrschender Meinung wirtschaftlich, wenn man ein möglichst optimales Verhältnis zwischen dem eingesetzten Aufwand (z. B. Kosten) und dem erzielten Nutzen (z. B. Ertrag) hat. Dabei wird im Allgemeinen unterschieden zwischen dem Maximumprinzip (mit gegebenem Aufwand einen höchstmöglichen Ertrag erzielen) und dem Minimumprinzip (mit geringstmöglichem Aufwand einen bestimmten Ertrag erzielen). Das Maximumprinzip wird meist für privatwirtschaftliche Unternehmen angenommen, das Minimumprinzip i. d. R. für Nonprofit-orientierte Organisationen wie öffentliche Haushalte und Unternehmen oder sog. NGOs (Non-governmental Organisations, z. B. karitative Organisationen). Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Kritik werden diese beiden ökonomischen Rationalprinzipien heute oft als Optimumprinzip zusammengefasst, d. h. eine möglich günstige Relation von Input (Kosten- und Ressourceneinsatz) und Output (Erträge und Güter). Die Erfolgsbewertung kann sich auch nach qualitativen Kriterien wie Umwelt und gesellschaftliche Akzeptanz richten, z. B. als Humanprinzip (Selbstverwirklichung durch Arbeit, Humanisierung der Arbeit) oder das Prinzip der Nachhaltigkeit (Schonung der Umweltressourcen, Verminderung der Umweltbelastung). Man spricht auch vom Spannungsdreieck der Leistungserstellung um unter­nehmerische und gesellschaftliche Zielkonflikte bei der vorrangigen Verfolgung nur einer Kosten-/Ertragsdimension zu verdeutlichen (s. a. folgend: Kritik am klassischen Gewinnmaximierungsprinzip).

Problem der unvollkommenen Information

Die Realisierung ökonomischen Handelns hat in der Praxis i. d. R. das Problem der unvollkommenen Information. Niemand weiß sicher, ob sich die wirtschaftlich verfolgten Ziele später als richtig herausstellen, ob alle Handlungsalternativen zur Zielerreichung berücksichtigt wurden, ob nicht unbeabsichtigte Folgen des Handelns die Zielerreichung gefährden, ob im Regelfall der formulierten Ziele und berücksichtigten Alternativen auch tatsächlich die (i. S. d. ökonomischen Prinzips) beste Entscheidung getroffen wurde.

Dies ist eine gesellschaftliche Betrachtung, die individuell natürlich jeweils unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Denn bei der Kalkulation des Aufwands oder der Bewertung des Ertrags spielen natürlich nicht nur direkt quantifizierbare Kosten oder Erträge eine Rolle, sondern die für den Einzelnen individuelle Nutzenbetrachtung, z. B. körperliche oder psychische Belastungen oder Nutzenerwägungen, Zusatznutzen oder Nutzenalternativen.

Kritik am klassischen Gewinnmaximierungsprinzip

Das ökonomische Prinzip wird in unserer Gesellschaft i. d. R. mit dem Ziel der individuellen Nutzenmaximierung gleichgesetzt und steht deshalb wieder mehr sowohl in der Wissenschaft als auch Unternehmenspraxis in vielfältiger gesellschaftlicher Kritik, z. B.:2)

Gewinnmaximierung ist oft nicht quantifizierbar, und unternehmerische Entscheidungen sind stets Ergebnis vieler Ziele. Hierzu gehört zwar auch vorrangig das Gewinnstreben, es ist aber nicht immer die dominierende unternehmerische Zielsetzung.

Beispiel: Viele Kleinunternehmer (Handwerker, Freiberufler) könnten mit ihren Erfahrungen als Fach- und Führungskräfte in einem Großunternehmen durchaus mehr Einkommen bei geringerer Arbeitszeit erzielen. Trotzdem nehmen sie ein geringeres Einkommen und höhere Arbeitszeiten und -belastungen in Kauf, weil sie z. B. ihre Unabhängigkeit oder die Familientradition höher bewerten.

Das Gewinnmaximierungsprinzip wird auch abgelehnt, weil sich viele Unternehmen bei der Realisierung der Gewinnmaximierung sehr oft über ethische und soziale Prinzipien hinwegsetzen und nur den persönlichen Profit suchen.
Das Gewinnmaximierungsprinzip begünstigt ein Ausbeutungsphänomen, weil auf monopolistischen und administrierten Märkten Preise ihre Funktion als Knappheitsindikatoren verlieren.
Kollektive (öffentliche) Güter können meist ohne direkten betrieblichen Aufwand genutzt werden. Dieser muss von der Allgemeinheit getragen werden (z. B. die Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung).
Auch die sozialen Kosten wirtschaftlicher Entscheidungen müssen nicht vom Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden (z. B. Arbeitslosigkeit, Bildung).
Mitnahme- und externe Effekte zeigen auf, dass der Einzelne nicht unbedingt so handelt, wie es auch gesamtwirtschaftlich von Vorteil ist (z. B. Trittbrettfahrer im Dualen System).

Ganz allgemein folgt daraus, dass das Prinzip der Gewinnmaximierung oft zu schweren gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Fehlallokationen führt, deren Folgen und Kosten nicht die Verursacher zu tragen haben. Aber auch aus unternehmensindividueller Sicht ist das Prinzip der Gewinnmaximierung in Frage zu stellen, was schon H. Ford erkannte: Das Geschäftemachen auf der Basis des reinen Geldverdienens ist eine höchst unsichere Sache … Aufgabe des Geschäftslebens ist es, für den Konsum, nicht aber für den Profit oder die Spekulation zu produzieren. Die Produktion für den Konsum bedingt, dass die Qualität des Produktionsartikels gut und der Preis gering sei – dass der betreffende Artikel dem Volke und nicht allein dem Produzenten diene.3)

So formulierte auch der langjährige Daimler-Benz Vorstandsvorsitzende E. Reuter: … dass Gewinn, Verzinsung des Kapitals, das uns die Aktionäre … zur Verfügung stellen sollen, ein völlig unverzichtbarer Bestandteil der Marktwirtschaft sei …, dass Konzerne wie der unsere auch noch andere Verantwortung hätten; es sei nicht so einspurig, dass man einfach nur sagen kann: Profit, Profit, Profit, jedenfalls sei das nicht unsere Meinung bei Daimler Benz.4)

Ökonomische Zielkonzeptionen in Unternehmen

Dies sind z. B.:

Leistungsziele, z. B. Art und Struktur des Produktions- und Absatzprogramms, Marktanteile, Produktions- und Lagerkapazitäten, Produktions- und Absatzmengen, Faktor- und Produktqualität, Innovationsrate, Produktionsstandorte, Absatzwege,
Erfolgsziele, z. B. Umsatzvolumina und -struktur, Wertschöpfung, Risikostreuung, Kostenstruktur, Gewinn/Rentabilität, Dividenden,
Finanzziele, z. B. Zahlungsfähigkeit, Umfang und Struktur der Liquiditätsreserve, Gewinnreservierung, Finanzstruktur, Struktur und Volumen der Investitionen und Finanzierung,
Individualziele (Unternehmer: z. B. Subsistenzwirtschaft, Anteilseigner: z. B. Macht),
ethische/gesellschaftspolitische Ziele, z. B. in Nonprofit-Unternehmen (z. B. gemeinnützige Unternehmen) oder Tendenzbetriebe (z. B. kirchliche oder Verbandsbetriebe).

Abbildung 1 zeigt am Beispiel der Abteilung Produktion die stufenweise Operationalisierung eines übergeordneten Unternehmensziels wie Gewinnerzielung und Rentabilitätssteigerung bis zum Arbeitsplatz in der Produktion.

ABB. 1: Zielhierarchie im Unternehmen


Nonprofit-Organisationen

Eine Nonprofit-Organisation (NPO) zielt nicht auf wirtschaftlichen Gewinn sondern auf gemeinnützige Ziele. Dies sind i. d. R. soziale Ziele, wie z. B. soziale Fürsorge, Umweltschutz und Katastrophenhilfe, internationale Entwicklungszusammenarbeit, gesellschaftspolitische und Menschenrechtsarbeit und nicht zuletzt Kulturförderung und Bildung. In Rechtsformen wie eingetragene Vereine und Verbände, gemeinnützige Unternehmensformen (z. B. gGmbH), aber auch Genossenschaften und Stiftungen sofern sie gemeinnützige Zwecke verfolgen, finanzieren sie sich je nach Rechtsform z. B. über Beteiligungen, Beiträge und Spenden, öffentliche Zuschüsse oder Gebühren. Erwirtschaftete Überschüsse dürfen nicht als Kapitalverzinsung an die Investoren/Eigner zurückfließen sondern verbleiben in der Organisation. Der Erfolgsmaßstab des unternehmerischen Tuns wird also nicht im finanziellen Überschuss gesucht sondern in der Qualität der Leistungserfüllung, der Einhaltung von Budgets oder dem Zufriedenheitsgrad der Stakeholder (s. a. Kap. 1.1.3.5).

Auch wenn die Diskussion um Unternehmensführung und Management in der Öffentlichkeit hauptsächlich am Beispiel privatwirtschaftlicher Unternehmen geführt wird, muss man sich vor Augen halten, dass die Nonprofit-Organisationen einen viel stärkeren Einfluss als allgemein angenommen haben.

Beispiel: Größter deutscher Arbeitgeber ist eine Nonprofit-Organisation

Der größte deutsche Arbeitgeber ist der Deutsche Caritasverband mit rd. 590.000 Mitarbeitern in über 24.000 Einrichtungen mit zus. noch einmal rd. 500.000 ehrenamtlich arbeitenden Freiwilligen. Im Vergleich ist dies weitaus größer als der größte deutsche Konzern Volkswagen einschließlich der chinesischen Tochtergesellschaften mit weltweit rd. 533.000 Mitarbeitern, davon in Deutschland nur rd. 237.000 Mitarbeiter (Zahlen für Geschäftsjahr 2012).

Auch Nonprofit-Organisationen müssen natürlich wirtschaftlich effizient geführt werden um ihren Auftrag i. S. d. Spender und Förderer angemessen qualitativ zu erfüllen. Entsprechend ist die Führung dieser Organisationen durchaus mit der klassischen Unternehmensführung bzw. dem Management vergleichbar. Die Unterschiede liegen hauptsächlich in der Andersartigkeit der Erfolgsmaßstäbe (Qualität, Nutzen, etc. anstatt Profit) und in einigen Besonderheiten in den Quasi-Abteilungsbereichen (z. B. im Marketing das Fundraising oder in der Personalabteilung die Führung und Beschäftigung von freiwilligen Ehrenamtlichen).

Wandel in den Unternehmenszielen

Werden in der Betriebswirtschaftstheorie zumeist die quantitativen ökonomischen Gewinn- oder Ertragsziele des Unternehmens in den Vordergrund gestellt, so ist inzwischen in der Unternehmenspraxis ein weitaus differenzierteres und nicht nur auf ökonomische Größen reduziertes Spektrum der Unternehmensziele zu sehen. In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen in der Unternehmenspraxis sind heute Ziele wie z. B. Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, Sicherung des Unternehmensbestands oder Qualität des Angebots oberste Unternehmensziele; dem reinen Gewinn- oder Ertragsziel kommt meistens nur noch eine mittlere Bedeutung zu. Auch nehmen immer mehr Unternehmen soziale und ethische Ziele in ihr Zielsystem mit auf, z. B. Verbraucherversorgung, Schonung der natürlichen Ressourcen oder soziale Verantwortung (s. z. B. die Diskussion zu Shareholder Value- und Stakeholder-orientierter Unternehmenspolitik in Kap. 1.1.3.5 sowie zu Corporate Social Responsibility in Kap. 2.1.5).

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