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IN FREMDEN GEFILDEN PAUSENTAG IN CUENCA

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So ein Pausentag ist eigentlich gar kein Pausentag. Denn es stehen unendlich viele Dinge an. Fahrradpflege zum Beispiel. Das Rad ist ja neben dem Körper das wichtigste Utensil auf einer Kontinentdurchquerung. Und genau so will es auch behandelt werden. Ich schlage mich immer noch mit dem Tacho rum. Immer wieder setzt er bei den rasanten Talfahrten aus, weil der Magnet verrutscht. Ohne korrekte Kilometerangabe fühle ich mich jedoch verloren, weil ich unseren Routenvorgaben nicht mehr folgen kann. Jeden Morgen bekommen wir ein Blatt mit Höhenprofil, Landkarte und Kilometerangaben. Gestern hieß es darin zum Beispiel „km 74: Junction, go straight on and go under viaduct“. Hat mein Tacho zuvor ausgesetzt, rätsele ich an jeder Kreuzung, wo ich bin. Nun gehe ich mit schwerem Klebeband vor und fixiere das flüchtige Metallstück damit regelrecht an die Speiche.

Cuenca kommt einladend daher. Eine Stadt voller Intensität. Ganz anders als das zurückhaltende Quito mit brodelndem Leben auf den Straßen. Und einer Sonne, die den Schweiß rinnen lässt. Gemütlich schlendere ich durch die Gassen und fühle mich dabei wie in einer Postkartenidylle. Mächtige Gebäude atmen die lange Kolonialgeschichte. Cuenca gilt als „Athen Südamerikas“. Zugleich ist die Zeit hier durchlässig. Die Altstadt kommt einerseits als museales UNESCO-Weltkulturerbe daher und wird andererseits geprägt von jungen, aufgeschlossenen und westlich gekleideten Einwohnern.

Für richtige Besichtigungen und Erkundigungen ist an Pausentagen allerdings nicht genügend Zeit. So kann ich das Zentrum nur ein wenig durchstreifen und die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Treffe in einem Café ausgerechnet Toto und Laura wieder, die von Riobamba aus mit dem Bus nach Cuenca gefahren sind. Laura wartet noch immer auf ihre Luftmatratze.


Das tägliche „Gebetbuch“ von der Tourleitung

Für den Abend steht ein Highlight an. Cuencas abstiegsbedrohte Fußballelf Deportivo trifft auf El Nacional Quito. Mit zwei Taxen machen wir uns als exotische Kleingruppe auf den Weg. Während Jan Willem aus den Niederlanden ausgewiesener Fußballfachmann ist, hat der US-Amerikaner Buck in seinem ganzen Leben noch kein Fußballspiel gesehen. Michelle aus Australien ist ebenfalls quasi Fußballnovize, fällt aber schon vor dem Stadion in Begeisterung, als sie für fünf Dollar eine rote Spielkluft der Heimelf erstehen kann. Auch Desmond lebt in Australien, wuchs aber in England auf. Und ist Fan von Torquay United, einem Rivalen meines Lieblingsklubs Bristol Rovers. Mit leuchtenden Augen erzählt er, wie er als Teenager mal in eine Prügelei in Torquays Plainmoor-Stadion geriet. „Ich weiß nicht mehr, ob es gegen Rovers oder City war“, überlegt er, „aber es ging gegen Bristol!“ Lachend einigen wir uns, dass es dann bestimmt City war, und marschieren zum Ticketschalter. Ein schmales Loch in der Stadionmauer. Vier Dollar werden pro Nase fällig. Dafür sitzen wir auf der Haupttribüne mit bestem Blick aufs Spielfeld.


Gierig saugen unsere Fußballnovizen die Atmosphäre auf. Beobachten wortlos die beiden Fanblöcke, in denen pausenlos gesungen und getrommelt wird. Lassen sich anstecken von der intensiven Atmosphäre und fiebern schon nach wenigen Minuten für die Heimelf. Neugierig beäugt von den einheimischen Fans, die ihre Aufregung mit gütigen Blicken quittieren. Wenig überwindet kulturelle Grenzen so spielerisch leicht wie der Fußball.

Tabellenschlusslicht Cuenca hält überraschend gut mit, versäumt aber einen Torerfolg. Und bekommt in der 70. Minute die Quittung, als Favorit Nacional in Führung geht. Fünf Minuten vor dem Abpfiff machen wir uns vorzeitig auf den Heimweg. Es ist kurz vor halb elf, und morgen früh um sieben müssen wir wieder auf unsere Räder klettern. Passieren wird hier eh nichts mehr, glauben wir. Nacional gewinnt. Doch kaum stehen wir vor dem Stadion, bricht Jubel aus. Cuenca hat doch noch den Ausgleich erzielt! Kopfschüttelnd klettern wir in zwei Taxen. Im Radio läuft die Liveübertragung des Spiels. Wir sind gerade losgefahren, da quillt Torjubel aus den Lautsprechern. Cuenca hat das Spiel tatsächlich noch gedreht! Fassungslos stöhnen wir auf. Ausgerechnet die besten fünf Minuten des Spiels haben wir verpasst.

Zurück im Hotel, erfahren wir von einer Durchfallwelle. Die australischen Freunde Terry und Barry hat es voll erwischt. Ein paar andere Fahrer klagen ebenfalls über Darmgrummeln. Düster erinnere ich mich an meine Afrikadurchquerung, als ich gleich zweimal mit heftigen Durchfällen zu kämpfen hatte. Folge einer Kombination aus ungewohnter Ernährung, hoher körperlicher Belastung, klimatischen Besonderheiten und niedrigen Hygienestandards. Durchfall gehört zu einer Tour wie dieser dazu. Man kann nur hoffen, dass der Kelch an einem vorübergeht.

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