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bb) Verwirkung

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Auch die Verwirkung von Rechten lässt sich der unzulässigen Rechtsausübung zuordnen. Sie betrifft die illoyale Verspätung der Rechtsausübung. Als Ausfluss von Treu und Glauben ist die Verwirkung grundsätzlich neben dem Verjährungsrecht anwendbar. Praktisch ist die Verwirkung umso weniger wichtig, je kürzer die Verjährungsfrist ist, weil sich bei einem (frühen) Eintritt der Verjährung ein Rückgriff auf die Verwirkung oft erübrigt.[107] Grundsätzlich kann die Verwirkung alle subjektiven Rechte erfassen,[108] auch etwa Widerrufsrechte.[109] Die Verwirkung steht der Geltendmachung von Ansprüchen entgegen, wenn der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat. Das setzt erstens voraus, dass der Gläubiger ein Recht über längere Zeit hinweg nicht geltend gemacht hat, obwohl er es hätte geltend machen können (Zeitmoment). Die Länge des Zeitraums hängt vom Einzelfall ab. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren kann nach der Rechtsprechung des BGH nur unter ganz besonderen Umständen weiter durch Verwirkung abgekürzt werden,[110] denn sie lässt dem Gläubiger ohnehin wenig Zeit für die Rechtsdurchsetzung. Zweitens sind besondere Umstände erforderlich, wegen derer der Schuldner darauf vertrauen durfte, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend machen wird (Umstandsmoment).[111] Der Zeitablauf allein genügt also nicht. Das Umstandsmoment der Verwirkung muss stets aus den Besonderheiten des Einzelfalls heraus unter Abwägung der betroffenen Interessen begründet werden. Dabei können auch Vertrauensdispositionen eine Rolle spielen.[112]

In Fall 3 verweigert V die Unterhaltsnachzahlungen mit der Begründung, dem Anspruch stehe die mittlerweile verstrichene Zeit entgegen. Dass die Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 hier noch nicht abgelaufen ist, lässt sich mit Blick auf die Daten unschwer feststellen. Daher kann V sich höchstens auf eine Verwirkung als Unterfall von § 242 stützen. Zunächst mag man sich fragen, ob eine Verwirkung ausgeschlossen ist, weil § 207 Abs. 1 S. 2 Nr 2 für Ansprüche von Kindern gegen ihre Eltern eine Verjährungshemmung ausspricht, um die Anspruchsberechtigten vor einem zeitlich bedingten Verlust von Ansprüchen bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres zu schützen. Einen generellen Ausschluss der Verwirkung aus diesem Grund lehnte der BGH ab, allerdings müsse die Verwirkung im Einzelfall gut begründet sein.[113] Bei der Prüfung der Verwirkung bejahten die Richter das Zeitmoment mit dem Argument, der Unterhalt sei bewusst an die aktuellen Lebensverhältnisse gekoppelt, weshalb er sowieso nur ausnahmsweise rückwirkend bewilligt werden könne. Außerdem sei der Gläubiger (S) schon im Eigeninteresse dazu angehalten gewesen, zügig auf die Berechnung der Unterhaltssumme durch V zu reagieren.[114] Allerdings fehlte es nach Ansicht des BGH am Umstandsmoment: V durfte nicht allein aufgrund der fehlenden Reaktion von S davon ausgehen, dass dieser die Summe hingenommen oder gleich ganz auf Unterhalt verzichtet habe. Ein berechtigtes Vertrauen darauf, dass S auch in Zukunft von einer weitergehenden Geltendmachung absehen würde, sei nicht gegeben.[115] Daher ist keine Verwirkung eingetreten.

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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