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VII. Trennungs- und Abstraktionsprinzip

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Trennungsprinzip und Abstraktionsprinzip kennzeichnen das deutsche Privatrecht und sind auch im Schuldrecht bedeutsam.[117] Als Trennungsprinzip bezeichnet man die Unterscheidung zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (etwa einem Kaufvertrag i.S.v. § 433) und dem Verfügungsgeschäft (etwa der Übereignung gem. § 929). Das Recht der Schuldverhältnisse betrifft die erste Ebene, nämlich die Verpflichtungsgeschäfte. Eine Ausnahme bildet die Abtretung (§§ 398 f).[118] Schuldverhältnisse begründen Rechte und Pflichten. Der Kaufvertrag begründet das Recht des Käufers, vom Verkäufer Übergabe und Übereignung zu verlangen. Der Käufer wird durch Abschluss des Kaufvertrags aber noch nicht Eigentümer. Dazu ist ein weiteres Rechtsgeschäft erforderlich, bei beweglichen Sachen also beispielsweise deren Übergabe und Übereignung (§ 929). Solche Rechtsgeschäfte nennt man auch Verfügungen. Eine Verfügung ist nach einer in der Rechtsprechung wiederkehrenden Formulierung ein Rechtsgeschäft, „durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufhebt oder es sonstwie in seinem Inhalt verändert“.[119]

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Das Abstraktionsprinzip, das vor allem von Savigny geprägt wurde,[120] knüpft an das Trennungsprinzip an: Beide Ebenen – Verpflichtung und Verfügung – sind auch in ihrer Wirksamkeit unabhängig voneinander. Das bedeutet zum einen, dass das Verfügungsgeschäft sich nur auf die Rechtsänderung bezieht (innere Abstraktion).[121] Daraus folgt der sog „sachenrechtliche Minimalkonsens“: Für die Einigung iSd § 929 ist nur erforderlich, dass eine Einigung darüber besteht, dass das Eigentum an der Sache übergehen soll. Eines Bezugs zum zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft bedarf es nicht. Zum anderen bedeutet es, dass das Verfügungsgeschäft von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts unabhängig ist (äußerliche Abstraktion). Daraus folgt, dass bei Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts die dingliche Güterzuordnung unberührt bleibt und eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erforderlich ist (§§ 812 ff). In den meisten anderen Rechtsordnungen ist das anders.[122] So gilt beispielsweise im österreichischen Privatrecht nicht das Abstraktionsprinzip, sondern das Kausalitätsprinzip (§§ 328 ff bzw §§ 425 ff öABGB): Die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts hat dem Kausalitätsprinzip zufolge auch die Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts zur Folge. Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung wird dadurch entbehrlich – der Veräußerer bleibt Eigentümer. Noch einen Schritt weiter von den deutschen Vorstellungen entfernt ist das französische Recht: Artt. 711, 1196 Abs. 1 Code civil bestimmen, dass es für die Übereignung lediglich einer Willenseinigung bedarf, die Übereignung also bereits durch den Abschluss des Kaufvertrages eintritt (Einheitsprinzip). Auf einen weiteren Publizitätsakt kommt es nicht an, ebenso wenig auf die Zahlung des Kaufpreises. Als Mindestvoraussetzung sieht Art. 1583 Code civil lediglich vor, dass die essentialia negotii klar bestimmt sein müssen (Konsensprinzip).[123]

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Das Abstraktionsprinzip wirkt sich zunächst zugunsten derjenigen Person aus, zu deren Gunsten eine rechtsgrundlose Verfügung erfolgt: Sie wird Eigentümer. Vor allem aber schützt es die Interessen des Rechtsverkehrs: Wenn der (neue) Eigentümer weitere Verfügungen trifft, sind die jeweiligen Erwerber zum Eigentumserwerb nicht auf die engen Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs angewiesen. Denn sie erwerben ja vom Eigentümer als Berechtigten. Das lässt schwierige Prüfungen der Eigentumsverhältnisse entbehrlich werden. Freilich wirkt sich dieser Schutzgedanke im Ergebnis zu Lasten des ursprünglichen Eigentümers aus und schwächt die Unwirksamkeitsgründe. In der Rechtsanwendung wird das Abstraktionsprinzip im deutschen Recht zumindest durch zahlreiche (und meist umstrittene) Ausnahmen durchbrochen.[124] Trotz alledem wird das Abstraktionsprinzip in der deutschen Lehre überwiegend als große Errungenschaft verteidigt – vor allem wegen seiner verkehrsschützenden Funktion.[125] Aus der Perspektive nicht-deutscher Rechtswissenschaftler fällt die Beurteilung meist kritischer aus. Besonders pointiert formuliert etwa Koziol: „Dass der Schutz Schlechtgläubiger und die Vernachlässigung überwiegender Interessen des früheren Eigentümers ein besonderes Gütesiegel für eine Verkehrsschutzregelung bedeuten soll und das Unvermögen, zwischen Schutzwürdigen und Unwürdigen zu differenzieren, als Zeichen besonderer Flexibilität anzusehen sei, vermag Angehörigen anderer Rechtsordnungen jedenfalls nicht einzuleuchten.“[126]

Teil I Grundlagen§ 1 Ziele und Prinzipien des Schuldrechts › VIII. Relativität der Schuldverhältnisse

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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