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Zellprozesse in der „Mittelwelt“

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Den Gegenpol zu makroskopischen physikalischen oder chemischen Systemen, die durch deterministische Gesetze beschrieben werden, bilden mikroskopische Systeme. Mikroskopische Systeme sind Gegenstand der Quantenmechanik und der statistischen Physik. Und: Ereignisse in der Quantenwelt sind unbestimmt. Dagegen treten – wie durch Zauberei – infolge des Zusammenwirkens einer sehr großen Zahl von Atomen oder Molekülen Gesetzmäßigkeiten und Muster auf, gleichsam „Ordnung aus dem Chaos“. Die sich nach 1900 entwickelnde Theorie stochastischer Prozesse eröffnete noch eine weitere Möglichkeit, nämlich Systeme von „mittlerer Größe“ quantitativ zu beschreiben; hier liegt die Zahl der Moleküle weit unterhalb der Avogadro-Konstante, aber hoch genug, damit die Beschreibung durch Mittelwerte charakteristischer Systemeigenschaften möglich wird. Solche Systeme werden als klein oder mesoskopisch bezeichnet. In mesoskopischen Systemen treten Fluktuationen (Schwankungen) um die Mittelwerte in Erscheinung, die in makroskopischen Systemen wegen ihrer geringen Größe vernachlässigbar sind.33

Viele Prozesse der Zelle gehören zur „Mittelwelt“ mesoskopischer Größenordnung; sie laufen in Zellkompartimenten ab. Zu den Zellkompartimenten zählen unter anderem der Zellkern, die Mitochondrien, die umgrenzenden Membranen und das Zytoplasma. Zur „Mittelwelt“ gehören insbesondere auch die oben angeführten „molekularen Motoren“, die wesentlich für die Durchführung der vitalen Kernprozesse der Zelle sind.

Einen wegweisenden, wenngleich fast 20 Jahre unbeachtet gebliebenen, Beitrag zur stochastischen Kinetik veröffentlichte Max Delbrück im Jahre 1940; als Erster behandelte er die Fluktuationen einer biochemischen Reaktion – die autokatalytische Bildung von proteinspaltenden Enzymen (Proteasen) aus deren inaktiven Vorstufen, den Proenzymen. Diese Reaktion ist zugleich geeignet, Schrödingers „statistischen Mechanismus“, die Abnahme der relativen Fluktuationen mit der Quadratwurzel der Molekülzahl, zu veranschaulichen (Abbildung 3).34


ABBILDUNG 3: Autokatalytische Umwandlung inaktiver Proenzymmoleküle in aktive Enzymmoleküle. Der Kurvenverlauf beschreibt das bekannte Quadratwurzel-Gesetz: die Abnahme der relativen Streuung (Variationskoeffizient) der Zahl gebildeter Enzymmoleküle mit zunehmender Anzahl der initial vorhandenen aktiven Moleküle – minimal ein Molekül. Hierbei wird angenommen, dass die Proenzymmoleküle in großem Überschuss vorliegen (Delbrück, 1940).

Zufall im Leben der Zelle

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