Читать книгу Der Schulball - Hasso Sachs - Страница 10

Obwohl, gerechterweise musste man einräumen, dass er auf seiner Decke vergleichsweise wenig Ansatzpunkte für die Entwicklung einer dauerhaften Liebesbeziehung geliefert hatte. Hätte sie zu ihm auf die Decke springen und sich lustvoll auf ihn werfen, seinen Körper mit Küssen bedecken und ihm ewige Treue schwören sollen? Ein wenig zu viel verlangt, o.k!

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Andererseits, wenn man sie dort drüben flirten sah, warum hatte sie nicht zu ihm gesagt: „Hallo, nett, dass Sie hier liegen. Kommen Sie doch einmal rüber auf meine Decke? Zum Kennenlernen!“

Jawohl, warum nicht? Was hätte er gemacht? Mit einem Satz wäre er drüben gewesen und hätte ihr seine Liebe gestanden. Keine Sekunde gezögert und die einmalige Gelegenheit beim Schopfe ergriffen. Natürlich! Oder?

Vielleicht. Wenn er sich vorstellte, wie sie ihn anlächelte. Was dann?

Phil lief der Angstschweiß schon bei der Vorstellung der Situation von der Stirn. Wenn sie ihn ansah, brächte er kein Wort heraus. Krampfhaft nach Worten ringend,' Gin gewaltiger Kloß im Hals, Herzklopfen bis in die Nasenspitze! Stumm wie ein Fisch wäre er neben seiner Traumfrau.' Zahm wie ein Schoßhündchen

Die Freundin sah er schon höhnisch lächeln! So eine Niete, würde sie denken. W o blieben die galanten Komplimente, die anzüglichen Bemerkungen, die intelligenten Wortspiele, die den Mann von Weitauszeichnen? Die Frauen in eine Stimmung haltloser Eventualität versetzen und bis zur Besinnungslosigkeit betören?

Fehlanzeige! Nicht bei ihm!

Phil schlotterte vor Verzweiflung. Er würde auf der Decke sitzen und schweigen. Die Stille würde von Minute zu Minute drückender werden. Julia würde denken: „So ein Langeweiler, so ein Schlaffi, so ein Saftheini!“

Phil schauderte bei dem Gedanken. Nein, nein, vielleicht beim nächsten Mal, morgen oder übermorgen. Bestimmt ist sie bei dem schönen Wetter jetzt jeden Tag im Schwimmbad. Es würde sich schon noch eine Gelegenheit bieten, bei der er besser auf das große Ereignis vorbereitet wäre.'

Lieber noch einmal nachdenken und überlegen, wie man sich auf eine solche Situation einstellt! Zu Hause am besten. Und in Ruhe.1 Nichts überstürzen! Danach kann man weiter sehen! Aber die Konkurrenz schläft nicht – war ja zu sehen dort drüben.

Nein, es hatte keinen Sinn! Es ging nicht! So nicht. Am besten, er verzichtete ganz. Er musste Julia opfern, sie aufgeben. Sich wehtun, die Notwendigkeit erforderte es: Auf der Decke liegen und sie hochmütig anschauen! Da könnte ja jede kommen/ Danke, kein Bedarf!

Phil schickte sich an, einen geordneten Rückzug vorzunehmen. Er erhob sich von der Bank und schlug den Weg zurück zur Decke ein. Und dann nichts wie nach Hause!

Da sah er Julia auf sich zukommen. Nicht allein, die Macker waren auch dabei, und, natürlich, die Freundin. Die sollten ihn hier nicht sehen, womöglich dachte Julia sonst, er interessiere sich für sie und spioniere ihr nach, aber wage nicht, sie anzusprechen. Nur nicht!

In Bad Klosterbrunn wäre das schnell rum, von heute auf morgen, und er stünde total bescheuert dar. Peinlich – kein Ausdruck!

Neben dem Kiosk stand ein Sonnenschirm. Phil lief dort hin, duckte sich, stieß

dabei an einen dicken, schwarzbehaarten Mann mit Bierbauch, hatte noch dessen unangenehmen Schweißgeruch in der Nase, der aus seiner Achselhöhle wehte, und prallte dann, von vorne, vis-a-vis direkt auf Julia.

„Oh“, rief sie erschrocken und vermochte gerade noch die Eistüte festzuhalten, die ihr beinahe zu Boden gefallen wäre.

Für Sekunden spürte Phil Julias warme Haut, ihren Körper hinter dem dünnen Stoff des Bikinis. Ungeheuer. Überwältigend.'

Sie sah ihm für einen Moment in die Augen, kräuselte etwas spöttisch die rosafarbenen, vollen Lippen, warf ihren Kopf zur Seite, dass die langen, braunen

Haare herumflogen und Phils Gesicht streiften, und stupste ihn mit

ausgestreckter Hand zurück.

Ein leichter Duft von Jasmin umschwebte Julia.

Phil taumelte in Trance vor ihr herum. Dann wurde er knallrot.

Völlig daneben, stotterte er eine Entschuldigung.

Ihre Augen schimmerten in der Sonne, braungolden.

„Macht doch nichts“, sagte sie freundlich. „Schon in Ordnung!“ und ging weiter.

Phil sah wie im Fieber hinter ihr her.

Hatte sie ihn erkannt? Als ihren Liegewiesen-Nachbar?

Jetzt konnte er unmöglich zurück zu seinem Platz. Jetzt, wo er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, erwartete sie von ihm selbstverständlich eine Kontaktaufnahme, ein wenig „Small talk“ von Decke zu Decke sozusagen, oder gar eine Einladung für heute Abend Phils Knie zitterten.

Guter Rat war teuer. Was nun? Sollte er sich jetzt im Freibad herumdrücken, bis sie nach Hause gegangen war? Wie kam er unauffällig zu seinen Sachen?

Das Problem löste sich rascher als erwartet. Und so, wie befürchtet: die Typen vom Kiosk bedeuteten Julia und ihrer Freundin, zu ihnen herüber zu kommen. Die beiden Mädchen nahmen Decke und Badebeutel und verschwanden mit den Typen hinter dem Minigolfplatz.

Umsonst gesorgt, dachte Phil und auch: Trottel! Feigling! Hanswurst!

Eine Superchance, und er hatte sie vertan. So eine Gelegenheit, die kam so schnell nicht wieder!

Als Phil am Abend im Bett lag, fühlte er sich immer noch durcheinander. Und erregt.

Er wälzte sich von der Bauchlage, in der er einzuschlafen pflegte, auf den Rücken, aber der Blutstau im Unterleib floss nicht ab. Er hatte ein starkes Bedürfnis, sich zu befriedigen. Aber er hatte erst am Mittag, auf der Toilette, bevor er in das Freibad gefahren war, onaniert. Um in der Badehose nicht aufzufallen. Und er war sich keineswegs sicher, ob allzu häufige Masturbation nicht doch schädlich sein könnte. Rückenmarksschwindsucht und Konzentrationsschwäche, wer wusste, ob nicht etwas daran war, schließlich hatte er es in dem Doktorbuch, das er im Schlafzimmerschrank der Mutter, unter Betttüchern versteckt, vor einigen Jahren gefunden und für einen Tag heimlich ausgeliehen hatte, so gelesen.

Zwar hieß es heutzutage, zu befürchtende Folgeschäden seien unbewiesen und reine Panikmache, aber Phil wollte kein Risiko eingehen. Kalt duschen wurde empfohlen und viel Bewegung an der frischen Luft. Aber die Ratgeber hatten keine Schwimmbadbesuche an heißen Sommertagen eingeplant!

Ins Badezimmer konnte er jetzt nicht mehr gehen, ohne am nächsten Morgen Mutter und Großmutter Erklärungen für späte Waschungen liefern zu müssen, und Bewegung an frischer Luft hatte er heute genug gehabt.

Er wünschte, zur Beruhigung, eine Tasse Henkolin, ein Mittel, das, so wurde gemunkelt, in Jugendherbergen morgens und abends heimlich den Getränken beigemischt würde, um Pollutionen und andere ungebührliche Verhaltensweisen zu unterdrücken.

Phil tastete besänftigend mit der rechten Hand zwischen seine Beine. Nun blies sich der Störenfried noch mehr auf.

Der innere Kampf währte nicht lange.

Es half nichts. Was sein muss, muss sein, dachte Phil und machte sich ans Werk.

Hoffentlich werde ich das alles nicht eines Tage bereuen, dachte er in letzter Sekunde.

Dann war es zu spät!

„Fetfen Fie fich auf ihre Plätfe!“ Leberecht Siebenzahn mahnte Disziplin an, denn die Kunst-Doppelstunde neigte sich dem Ende zu. Gleich würde es klingeln.

„Fenfter fu!“

Niemand dachte daran, die Fenster zu schließen. Es wäre ja noch schöner, einer Anordnung von Siebenzahn Folge zu leisten!

Man begab sich langsam zu den Plätzen, denn die Schultaschen mussten noch zusammengepackt werden.

Joe beugte sich zu Phil herüber und flüsterte: „Am Samstag schlepp ich die Julia ab! Kannst Dich drauf verlassen!“

Im Zeichensaal schepperten – ohne böse Absicht – noch ein paar Blechdosen auf den Boden. Es hatte sich nicht vermeiden lassen.

Siebenzahn sammelte die unfertigen Zeichnungen ein.

Er war nicht nachtragend: „Ein fönef Lulluf-Feft. Und beim nächften Mal bitte etwaf mehr Diffiplin!“

Niemand hörte ihn. Die Schüler verließen den Zeichensaal, bevor es geklingelt hatte.

Als alle draußen waren, trocknete sich Siebenzahn erschöpft die Stirn ab. Er ließ sich auf seinen Schemel fallen und hing trüben Gedanken nach. Gleich musste er zum Chef!

Der Schulball

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