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Julia

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Anton Bratfuß stellte das Radio wieder an und Ede Höll holte sich ein neues Wassergefäß.

Phil hat in einem unbeobachteten Moment eine Kartoffel des Kartoffel- Stempel-Druckverfahrens an die Wand geknallt, sich ansonsten aber aus der Eskalation herausgehalten.

Studienrat Siebenzahn redete sich ein, dass nichts besonderes vorgefallen sei: das Lolls-Fest war für die jungen Leute von jeher so etwas ähnliches wie Karneval, und wer konnte es den Schülern schon verdenken, dass sie ab und zu, in ihrem jugendlichen Überschwang, auch einmal über die Stränge schlugen! Hatte er vor vielen Jahren, als Schüler, während der Lolls-Woche nicht selbst so manchen Unfug getrieben? Sicherlich, da waren einige zu weit gegangen! Aber es wäre pädagogisch unklug, wenn man den Beleidigten spielte und aus seiner Schmollecke nicht herausfände. Nein, dazu sollte es nicht kommen!

Mit einer befreienden Aktion wollte er den Unmut vom Tisch schaffen! In dem er sich mit den Schülern identifizierte, wollte er ihre Solidarität erringen!

„Wift Ihr waf, wir wollen einmal fufammen, ganf fröhlich, den Lollf-Ruf erklingen laffen!“

Der „Lolls-Ruf“ hallten der Woche des Lullus-Festes aus allen Straßen und Gassen des Städtchens, wo immer sich bierselige Zecher oder halberwachte Schnapsleichen zusammenfanden. Der Lolls-Ruf war, für die Woche des Lullus-Festes, das „Helau“ der Bad Klosterbrunner.

Studienrat Siebenzahn hob an, so laut er konnte, so, wie es die Bad Klosterbrunner in den Tagen des Lullus-Festes auf Straßen, Plätzen und in Kneipen, als Ausdruck überschäumender Festfreude, zu tun pflegten: „Enner, zwoon, drei – Bruder Lolis!“

Die Klasse schweigt. Totenstille. Das Radio ist aus. Kein Echo, Keiner der Schüler stimmt mit ein.

Die Kerle sitzen da und grienen.

Der Pädagoge ist verunsichert. Aber Siebenzahn will nicht wahrhaben, dass ihn die Klasse auflaufen lässt, kein Erbarmen hat mit ihm.

„Waf ift lof, noch einmal, mit vereinten Kräften!“

Und Siebenzahn brüllt wiederum, lauter als beim ersten Mal, damit es die Schüler mitreißt: „Enner, zwoon, drei – Bruder Lolis!“

Während Siebenzahn zum zweiten Male loslegt, die Arme nach oben gestreckt, das Zeichen zum Einsatz für die Klasse wiederhole .geht hinter ihm leise die Tür auf. Oberstudiendirektor Plisch lugt um die Ecke. Er hat die Situation sofort erfasst. Behutsamkeit ist hier fehl am Platze. Plisch stürmt herein.

„Seien Sie bitte sofort still, Herr Kollege!“

Siebenzahn schnellt herum, verdutzt, verstört, wie vor den Kopf geschlagen. Plisch hält nicht mehr an sich: „Die ganze Zeit dringt erhebliche Unruhe aus Ihrer Klasse, Herr Kollege, ich bin in der Nachbarklasse kaum in der Lage, meinen Unterricht zu halten. Ich will nach dem Rechten sehen – und dann dies! Es ist nicht zu fassen! Sie als Rädelsführer! Das hätte ich nun doch nicht für möglich gehalten! Was denken Sie sich dabei, Herr Kollege Siebenzahn?“

Der Kollege stottert eine Entschuldigung. Der Schein spricht gegen mich, denkt Siebenzahn.

Plisch, ganz vorwurfsvoll, nimmt die ordentlich dasitzende Klasse wohlgefällig zur Kenntnis. Er wendet sich an Siebenzahn: „Ich erwarte von Ihnen eine Erklärung. Bitte nachher bei mir im Direktorzimmer!“

Siebenzahn senkt die Arme und murmelt etwas von „Psychologischer Vorgehensweise“ und „Praxisnaher Pädagogik“, aber da hat Plisch den Zeichensaal bereits verlassen.

Zur Verabschiedung schießen alle Schüler höflich aus ihren Sitzen, wie es sich gehört in einer Schule, wo dem Erzieher mit Respekt begegnet wird. Mit einem gnädigen Nicken hat Plisch dies noch im Abgang registriert. Eine wohlerzogene Klasse. Anständig! Aber dieser Kollege Siebenzahn, ein Härtefall, eine Kalamität, eine Belastung für das gesamte Kollegium.

Früher oder später Muss ich das Regierungspräsidium unterrichten, denkt Plisch, so geht es nicht weiter! Als Plisch draußen ist, lässt sich Siebenzahn auf den Pultschemel fallen. Die Psychologie ist gescheitert. Mehr als das – er steht nun als der letzte Trottel dar! Während Joe, einer der Freunde von Phil, sich erhebt, um die am Fenster verbliebenen Grünpflanzen mit bunten Punkten zu verschönern und ansehnlicher zu gestalten, begeben sich die Schüler nach und nach zu den geöffneten Fenstern. Dort müssen jeden Augenblick die Mädchen vom Lyzeum vorbeiziehen. Die Klassen Ul bis Uli des benachbarten Gymnasiums für Mädchen haben jetzt Unterrichtsschluss.

Studienrat Siebenzahn achtet nicht auf die Schüler. Er sitzt zerstört auf seinem Hocker und versteht die Welt nicht mehr. Er hadert und barmt.

Die Schüler lehnen sich aus den Fenstern des Zeichensaal im dritten Stock des Schulgebäudes. Einige sitzen sogar in den Fenstern. Die Draufgänger winken fidel in die Tiefe. Sie kommentieren das Defilee der Damen und frotzeln hinunter.

Die Mädchen lugen nach oben, verschämt, aber auch keck und mit frechem Lachen. Ein paar Mauerblümchen drücken ängstlich ihre Schulmappe an sich und versuchen möglichst schnell dem Einflussbereich der Männerschule zu entkommen. Sie eilen mit hastigen Trippelschritten von dannen.

Joe und Phil betrachten mit unverhohlener Begeisterung die Vorüberziehenden. Das Angebot ist riesig! Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll.

„Siehst du die Brünette mit dem Pferdeschwanz da unten? Ein tolles Weib!“ Joe streicht sich über sein Stoppelhaar und zeigt auf ein bezauberndes Geschöpf, das gerade mit wippendem Pferdeschwanz und weiß-blau gepunktetem Petticoat, -Kleid vorübertänzelt.

Phil hält einen Moment den Atem an. Aber er lässt sich nichts anmerken. „Kennst Du die?“

„Die Tochter eines Geschäftsmannes aus Bad Klosterbrunn. Sie heißt Julia. Am Wochenende ist sie meist im Jazz-Keller. Hast Du die noch nie bemerkt?“ „Doch, doch“, sagt Phil etwas beiläufig, „schon. Sieht nicht schlecht aus!“ „Nicht schlecht? Die ist spitze!“ Joe schnippt mit dem Finger.

„Ich hab’ sie eingeladen! Für Samstagabend!“

Phils Gleichgültigkeit schwindet. „Du hast sie eingeladen?“

„Klar!“

Phil kennt das Mädchen nur zu gut – vom Anschauen! Wie oft hat er sie heimlich beobachtet! Bewundert! Angestarrt, von weitem, an ihrem Gesicht gehangen, den braunen Augen, den blassrosa geschminkten Lippen! Ihr dunkles Lachen gehört! Und wenn ihr Blick ihn traf, schnell woanders hingeschaut! Einen roten Kopf bekommen!

Man darf sich keine Blöße geben, dachte Phil.

„Sie hat gerade ihre Tanzstunde hinter sich. Aber ihren Tanzstundenmacker, den hat sie schon in die Wüste geschickt! Ein albernes Jüngelchen!“

Phil hört nicht zu. Er sieht, wie Julia unten auf der Straße einen Moment stehenbleibt und schnell einen Blick hochwirft. Jetzt geht sie weiter. Ihr Rock schwingt auf und ab; sie hat lange Beine, aber der Rock geht bis zu den Waden. Sie dreht sich auf einmal um – und, kaum merklich, ganz verstohlen, winkt sie zum Fenster hoch.

Joe ist stolz wie ein Spanier!

„Na?“ fragt er triumphierend und macht eine Pause, um die Wirkung zu erhöhen. „Die habe ich schon in der Tasche! Die ist ganz verrückt nach mir!“

Phil sieht Julia hinterher. An der nächsten Kreuzung biegt sie ab. Ein Rockzipfel flattert noch, weiß-blau gepunktet, dann ist Julia verschwunden. Einen Moment hat Phil geglaubt, Julia habe ihm -Phil- zu gewunken. Hat sie ihn nicht angesehen, nicht ihm zugeblinzelt?

Leider nein. Hier ist der Wunsch Vaters Gedanken! Er hat sich getäuscht.

Klar, wenn Joe sie eingeladen hat! Joe wird mit ihr ausgehen. Mir ihr tanzen. Und wer-weiß-noch-was-alles mit ihr anstellen!

Geträumt hat er von Julia oft genug, sie berührt, sie gestreichelt, ihre Lippen geküsst. In ihre kastanienbraunen Augen gesehen. Illusionen!

Phil ist eifersüchtig auf Joe. Joe Fuchs! Der Name spricht Bände'

„Meine Herren, schliefen Fie die Fenfter! Breitenbach und Fuchf, runter von der Fenfterbank!“ Siebenzahn wird energisch. Aber das macht nichts.

Niemand achtet auf Siebenzahn. Niemand denkt daran, die Fenster zu schließen. Auch Phil und Joe nicht. Denn gleich müssen die Damen der Unter- und Oberprimen vorbeikommen. Das will niemand verpassen. Die Primanerinnen sind reifer, unnahbarer. Aber genauso schön!

Phil lässt sich von der Fensterbank herunter gleiten, bleibt aber am Fenster stehen. Er wartet auf den nächsten Pulk. Ohne Interesse. Phils Blick läuft über die Straße vor der Schule. Die Kastanienbäume des Schulhofes verlieren bereits ihre Blätter und fallen auf den Bürgersteig. Einige Blätter segeln herüber auf die Autos und kleben auf den Windschutzscheiben fest. Vorhin hat es geregnet. Aber es ist warm wie im Frühling. Die Sonne schiebt sich zwischen graugelben Wolken hindurch. Auf dem Rummelplatz heute Nachmittag wird viel los sein!

Unten auf der Straße schlendern lässig die Oberprimanerinnen vorbei. Auf die Hampelmänner von der U$ reagieren sie nicht.

Einmal ist Phil Julia richtig nahe gekommen. Im Sommer. Im Freibad.

Der wichtigste Tag in seinem Leben! Bis jetzt jedenfalls!

Phil hatte sich gerade auf seinem Badetuch ausgestreckt und mit Sonnencreme eingeschmiert. Es war noch früh am Nachmittag und er musterte die ankommenden Badegäste. Ein Ratespiel!

Interessant, was sich alles unter der Kleidung verbarg! Leider war die Angelegenheit bisher enttäuschend verlaufen. Kein Highlight – nur Negativ-Überraschungen.

Phil legte sich auf den Rücken und sah in den Himmel. Er war in das Freibad nach Bad Klosterbrunn gefahren, weil hier mehr los sein sollte als zu Hause in Schützenstadt. Aber von wegen! Kein Bekannter, niemand aus seiner Klasse und nicht eine einzige Augenweide, die einen Ästheten wie ihn zu Jubelstürmen hätte hinreißen können. Langweilig!

Phil versuchte, in die langsam am Himmel hinziehenden, zahnpastaweißen, gezackten Wölkchen Figuren und Gestalten hineinzusehen: da, ein dicker Kopf, der die Backen aufblies. Daneben ein Ziegenkopf mit Hörnern und dann ein Engel, der die Flügel ausbreitete. Ein Reiter auf einem Pferd hatte den Arm erhoben und holte mit seinem Schwert zum Schlag aus. Von unten trieb eine Rakete heran und quetschte sich zwischen den Engel und den Ziegenkopf.

Der Engel stieß mit dem Schwertkämpfer zusammen. Beide türmten sich hoch auf und segelten dann gemeinsam hinter den Birken und Pappeln, an der Südseite des Bades, davon.

Das gleißende Licht des Firmaments blendete Phil und ließ seine Augenlider schwer werden. Er schloss die Augen. Die Wärme der Sonne und der Gleichklang der Geräusche -Kindergeschrei, Wasserplatschen, Duschwasserrauschen- machten ihn schläfrig. Er begann zu dösen.

Nach einer Weile hörte er neben sich Stimmen, Frauenstimmen; ein dunkles, lustiges Lachen weckte seine Neugierde und vertrieb die Benommenheit. Phil drehte den Kopf und schielte dorthin, wo die Frauenstimmen herkamen. Zwei Mädchen waren dabei, ihre Decke neben ihm im Gras auszubreiten. Sie hatten ihren Campingbeutel zwischen ihre Decke und Phils Liegeplatz gestellt. Phil rollte etwas zur Seite und zog die Sonnenbrille auf, um die beiden unauffälliger betrachten zu können. Trotz Sonnenbrille flirrte es vor seinen Augen und der pochende Herzschlag drückte ¡hm die Luft weg: die eine kannte er vom Sehen, sie war ihm schon vor einigen Monaten, auf dem Schulweg, aufgefallen, als sie mit ihrer Freundin am Lullusgymnasium vorbei spazierte, Torfbraune Augen! Er liebte Frauen mit braunen Augen über alles! Auch sonst passte das Mädchen in das Raster, das er für seine Traumfrau abgesteckt hatte, seit Bratfuß einmal ein Playboy-Magazin in der Klasse, während des Religionsunterrichtes von Dankmar Streuselbaum, unter den Bänken hatte herumgehen lassen: Lange dunkle Haare, Superfigur!

Liebe auf den ersten Blick!

Seit diesem Tag suchte er jenes Mädchen, wann immer er hoffen konnte, sie irgendwo zu finden: Nach Schulschluss, in der Eisdiele, auf der Schülerpromenade, der Hauptgeschäftsstraße Bad Klosterbrunns. Er hatte ihr nachspioniert und ausgekundschaftet, wo sie wohnte.

Und jetzt stand sie neben ihm, auf ihrer Decke, zum Greifen nahe!

Bange Aufgeregtheit lief in jede Faser seines Körpers.

Das dunkelhaarige, braunäugige Mädchen bückte sich, holte die Sonnencreme aus dem Campingbeutel und setzte sich dann auf die Decke, neben ihre Freundin.

Sie begann ihre Jeans abzustreifen. Ihre Beine waren gebräunt und die Fußnägel rosarot. Die Bluse, die sie an hatte, bedeckte fast das gesamte Bikini-Unterteil, aber man konnte bereits sehen, dass das Bikini-Höschen weiß- orange gestreift war.

Das Mädchen knöpfte jetzt langsam, während sie sich mit ihrer Freundin unterhielt, die Bluse auf. Phil wandte keinen Blick von ihr. Er konnte kaum abwarten, sie noch nackter zu sehen*

Das Mädchen streckte ihren Oberkörper und schüttelte ihre langen Haare.

Jetzt war sie am letzten Knopf ihrer Bluse angelangt, dicht über dem Bauchnabel. Sie hatte einen flachen Bauch und eine selbst für Mädchen ihres Alters unglaublich schmale Taille; aber Phil sah nur ihren festen, vollen Busen, der über den Rand des Oberteils gedrückt wurde.

Atemberaubend!

Bäuchlings, den Kopf seitlich auf die Arme gelegt, das Kinn im Gras, tastete er mit den Blicken jeden Zentimeter ihres schönen, braunsamtenen Körpers ab. Welch unglaublicher Zufall! Was hatte er in den letzten Wochen nicht alles angestellt, um sie nur von weitem, für einen Moment, sehen zu können! Und jetzt lag sie hier, kein Hochglanzfoto, sondern ganz lebendig, verführerisch und auf intime Nähe an ihn herangerückt!

Die Mädchen erhoben sich und liefen scherzend zur Dusche, ließen das eiskalte Wasser über ihre Körper laufen. Sie verschwanden im Gewühl vor dem Beckenrand.

Phil zählte die Minuten bis zu ihrer Rückkehr. Dann waren die beiden wieder da. Er konnte, Punkt für Punkt, die Gänsehaut des langhaarigen Mädchens erkennen. Und die durch das Oberteil des Bikinis durchscheinenden, von der Kälte des Wassers und dem leichten Lufthauch aufgerichteten Brustwarzen!

Es war gut, dass er bereits auf dem Bauche lag, denn er war auf diese überwältigenden Eindrücke nicht vorbereitet. Phil spürte an sich wohlbekannte Veränderungen. Er fürchtete, die Badehose könne den Spannungen nicht mehr gewachsen sein. Aufrichten war unmöglich. Ächzend verlagerte er sein Gewicht und zurrte an dem Beinausschnitt der Hose. Er presste die Knie fest zusammen.

Das Mädchen nebenan, das ihn nicht beachtete, holte einen Kamm aus ihrer Badetasche und zog diesen durch das Nass-strähnige Haar. Sie sieht brasilianisch aus, dachte Phil.

Das Mädchen setzte sich mit angezogenen Knien auf ihre Decke und beobachtete ein paar junge Männer, die weiter hinten, mit angeberischem Getue, Fußball spielten. Der Ball zischte über die Köpfe der Liegenden und ein älterer Mann beschwerte sich. Die jungen Männer lachten, zogen sich aber etwas weiter zurück.

Phil sah, dass die Haare des Mädchens unter der Sonne trockneten und rotbraun schimmerten.

Die Mädchen unterhielten sich. Sie sprachen über die Schule, über gemeinsame Bekannte. Und Phil erfuhr, dass sie Julia hieß!

Jetzt stand Julia wieder auf; sie nahm die Geldbörse aus dem Campingbeutel und wollte offensichtlich am Schwimmbadkiosk etwas kaufen. Die Freundin ging mit.

Phil erhob sich gleichfalls und folgte in einigem Abstand. Wenn er die Schultern bewegte, spannte die Haut. Der Rücken war glühend heiß. Wahrscheinlich hatte er sich einen Sonnenbrand geholt.

Die beiden Mädchen vor ihm lachten und kicherten. Phil ließ sie nicht aus den Augen. Fast wäre er über einen herumstehenden Kindersportwagen gestolpert. Auf der Freifläche, nahe dem Kiosk, lag eine Gruppe kräftiger, durchtrainierter, athletisch aussehender, durcheinander johlender Männer mit Topfhaarschnitt und Hawaii-Shorts, Bierbüchsen in den Händen – amerikanische Gis aus der Kaserne in Bad Klosterbrunn, die ihren freien Tag hier im Schwimmbad genossen.

Sie riefen den beiden Mädchen auf Englisch etwas Anerkennendes zu, was diese mit stolzer Erheiterung quittierten.

Blödmänner! Phil ärgerte sich über die Gewichtheberstaturen und die lockere Unbefangenheit der Gis. Als er an den Männern vorüberging, beschleunigte er seine Schritte, denn er wollte seine Hühnerbrust keinem direkten Vergleich aussetzen.

Die Sonne brannte auf seinen Rücken. Ich brauche jemanden, der mich eincremt, dachte Phil.

Die Mädchen stellten sich in die Schlange vor dem Kiosk. Phil setzte sich auf eine Bank, die in der Nähe des Kiosks, halb im Schatten, unter einer mächtigen Buche, stand.

Was mache ich eigentlich? Fragte sich Phil. Weshalb laufe ich wie ein Schoßhündchen hinter den beiden Frauen her?

Phil beobachtete die Wespen, die surrend um die Abfallkörbe kreisten.

Laute und fröhliche Stimmen, Gelächter, Spielgeräusche und kreischende Kinder, Musikfetzen, Plätschern und Rauschen von Wasser, das rhythmische Quietschen des wippenden Sprungbrettes, alles mischte sich zu einem akustischen Gepansche, einem unverwechselbaren Sommermischmasch, der, mit dem Duft von Bratwürsten und Pommes frites garniert, Phil in der Vergangenheit regelmäßig ein Gefühl von Ferien, Erholung und Entspannung vermittelt hatte.

Nicht so heute.

Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, und alle drehten sich um Julia.

Platz für andere Dinge gab es nicht.

Sollte er sie ansprechen? Über seinen Schatten springen? Das Glück seines Lebens perfekt machen?

Aber wie? Wie macht man das? Was sollte er zu ihr sagen?

Es musste möglichst originell sein. Wie spricht man ein Mädchen möglichst originell an? Wie machen das die anderen?

Rammelmayer zum Beispiel, der Repetent und große Klassencharmeur, der jede Woche eine andere Frau abschleppte, wie hätte der sich in einer solchen Situation verhalten?

Phil grübelte und zermarterte sich sein Hirn, aber es wollte ihm nichts Passendes einfallen.

Wie wäre es mit: Hallo, schönes Kind, wie geht’s?! Das hatte er irgendwo gehört, aber: ausgeschlossen! Unmöglich! Primitiv! Mein Gott, wie banal! Bei dieser Superfrau! Auf gar keinen Fall!

Sie würde ihn auslachen. Verächtlich einem Blick von der Seite, voller Geringschätzung, streifen und dann, von oben herab, sagen: „Was bildest Du Dir eigentlich ein, Bubi, zieh Leine!“ Oder: „Auf Dich habe ich gerade gewartet!“

Er wurde rot, als er sich diese Blamage vorstellte! Und weiß Gott wie viele Leute würden das alles mitbekommen und feixen und grinsen und denken: So ein Heini, geschieht ihm recht, kriegt der aber einen Korb, der sich gewaschen hat! Und der Kopf würde noch röter werden. Nein! Wie peinlich! Das musste nicht sein.

„Da habe ich aber ganz andere Chancen“, würde sie sagen! Bestimmt!

Er schaute an sich herab und musste ihr Recht geben: keine Muskel nur Geist – das war zu wenig. Dazu ein Pickel, der, zum Teufel, am Mundwinkel spross, schon seit Wochen, trotz diverser Pasten und Wässerchen. Und ausgerechnet vor zwei Tagen hatte ihm der Friseur über den Ohren sämtliche Deckhaare abrasiert. Hässlich und kahlgeschoren, wie ein australisches Weideschaf. So konnte er einem solchen Mädchen nicht gegenüber treten. Es war besser, er wartete noch etwas, bis die Haare wieder nachgewachsen waren und der Pickel sich aufgelöst hatte.

Sicher, man .brauchte nicht schön sein, um Frauen zu imponieren. Das hatte er schon oft gehört, es musste wohl etwas daran sein. Wer sah auch schon aus wie James Dean oder Elvis Presley? Aber dann musste wenigstens die Ausstrahlung stimmen. Ob er über Ausstrahlung verfügte?

Andere hatten sie jedenfalls. Das sah man zweifellos: in der Warteschlange vor dem Verkaufskiosk waren Julia und ihre Freundin bereits mit ein paar Typen ins Gespräch gekommen. Es ging schon lustig zu. Wie sie auf diese fremden Typen flog! Keinerlei Kontaktprobleme! Sehr gesellig, die Dame!

Aber vorhin, auf der Liegewiese, die Sturheit in Person, null Entgegenkommen!

Der Schulball

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