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Die Exotische

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Die Fahrschüler des neusprachlichen Zweiges verließen im Laufschritt das Schulgebäude. Sie begaben sich, vorbei am „Roxy“, einem Kino, durch das Kettengässchen, über die Breitenstraße, die Konrad-Duden-Straße entlang, zum Bahnhof von Bad Klosterbrunn.

In Phils Begleitung befand sich der Streber Paulchen Böllerbusch, der eine dicke Schwester hatte, von der niemand etwas wissen wollte.

Böllerbusch, der ansonsten wenig freizeitorientiert war, erkundigte sich, ob Phil, da Lullus-Fest sei, am Abend wieder nach Klosterbrunn fahre.

Phil verneinte. Er hatte keine Lust, sich den ganzen Abend mit Böllerbusch über den Stoff der als nächstes anstehenden Klassenarbeit zu unterhalten.

Am Bahnhof hängte Phil Paulchen Böllerbusch ab.

Der Zug war schon eingelaufen, als Phil an der Sperre seine Monatskarte vorzeigte und, so schnell es ging, in den nächsten Wagen einstieg. Die Abteile waren mit Schülern überfüllt, auch auf den Gängen standen Personen und Phil quetschte sich irgendwo dazwischen.

Jeden Moment musste der Zug losfahren, genau genommen hatte er bereits zwei Minuten Verspätung.

Phil schaute an diversen Köpfen vorbei auf den jetzt fast leeren Bahnsteig. DA sah er ein Mädchen durch die Sperre eilen und auf den wartenden Zug zulaufen. Er hatte sie noch nie gesehen. Eine Frau, wie für ihn gezeugt!

Ihre langen, lockigen, schwarzen Haare flatterten. Sie trug einen weißen Dufflecoat mit ellipsenförmigen Lederknöpfen, einen roten Rock, schwarze Nylonstrümpfe und weiße, kniehohe Stiefel.

Sie hatte, trotz der sonnenarmen Jahreszeit, ein gebräuntes Gesicht. Und dunkel getuschte Augen. Aufgedonnert! Interessant!. Geradezu exotisch! Aber der Gesichtsschnitt verriet, dass sie nicht aus einem anderen Land stammte.

Phil drehte den Kopf, bis sie unten am Zug verschwand. Wo war sie eingestiegen?

Der Schaffner pfiff und hob die Kelle. Der Zug setzte sich schüttelnd und rumpelnd in Bewegung. Die schwarze Lokomotive stieß zischend Dampf aus, man hörte es bis in jedes Abteil hinein.

In Schützenstadt, wo er wohnte, verließ Phil als einer der ersten den Zug: jeder Fahrschüler, der etwas auf sich hielt, öffnete die Abteiltür, sobald die ersten Bahnhofsgebäude in Sicht kamen. Während der Zug noch einige Meter weiterrollte, war Phil bereits herausgesprungen. Obgleich die Zeit drängte, ging er bis zum Bahnhofskiosk an der Rückseite des Gaststättengebäudes, von dem die Bahnsteigtreppe in die Unterführung abzweigte. Hier mussten alle vorüber. Er konnte bequem die Aussteigenden beobachten.

Tatsächlich, auch die Exotische verließ den Zug!

Sie hatte gerötete Wangen und, wie Phil fand, ein wenig zu rot geschminkte Lippen. Der braune Teint und die schwarzen, funkelnden Augen versöhnten ihn.

Er stellte fest, dass auch andere Männer auf das Mädchen aufmerksam geworden waren. Man konnte sie auch nicht übersehen. Dafür sah sie zu auffällig aus. Rassig!

Ungefähr in meinem Alter, dachte Phil. Sicherlich eingebildet und verwöhnt. Möchte wissen, wie viel Männer die schon verrückt gemacht hat.

Wer mochte sie sein? Wo kam sie her?

Wenn sie schon längere Zeit hier in der Gegend wohnte, hätte er sie schon früher einmal wahrnehmen müssen.

Die Rassige lief direkt auf Phil zu und Phil wich zur Seite. Sie blickte ihn im Vorübergehen mit ihren dunklen Kaffeeaugen flüchtig an. Dann war sie vorüber.

Phil sah ihr nach. Sie hatte einen stolzen Gang. An Julia dachte er nicht.

Er konnte nicht widerstehen, der Exotischen zu folgen. Es fiel nicht auf in dem Strom der Reisenden und Fahrschüler. Er versuchte, sie in dem Bahnsteiggedränge nicht aus den Augen zu verlieren.

Sie ging zu Bahnsteig 4. Von dort fuhren die Züge ab in Richtung Zonengrenze. Eine größere Stadt dort gab es nicht. Sie musste in einem kleinen Ort wohnen.

Im Halbdunkel der Unterführung, auf dem unteren Treppenabsatz, blieb Phil stehen, bis die Exotische in den bereitstehenden Zug eingestiegen war.

Tolle Frau!

Von Julia, deren Schönheit und Charme über jeden Zweifel erhaben war, einmal abgesehen, war sie absolute Spitze!

Die Unterführung hatte sich zwischenzeitlich geleert. Er stand jetzt allein auf dem Treppenabsatz. Phil fiel ein, dass er in einer halben Stunde Nachhilfeunterricht zu geben hatte. Um 14.00 Uhr, es blieb nicht viel Zeit. Er unterrichtete einen Unterstufenschüler in Latein und Englisch.

Das Geld benötigte er dringend, um sein knappes Taschengeld aufzubessern. Er war jetzt wirklich spät dran.

Vorher wollte er noch Mittagessen, er hatte einen Riesenhunger. Er musste sich beeilen!

Zu Hause hatte Julia die Exotische wieder verdrängt. Er zermarterte sich den Kopf darüber, ob Julia wirklich am Sonnabend mit Joe in den Jazz-Keller ginge!

Der Schulball

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