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V.

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Als Hitlers große Gruppenreisen begannen, kam Tante Emilie zum Kriegseinsatz als Krankenschwester nach Holland. Hier hatte sie mehrere Jahre lang ein Verhältnis mit einem Holländer. Sie bekam zwei Kinder von ihm, weigerte sich aber hartnäckig, ihn zu heiraten. Sie hat einen jahrelangen Prozess gegen ihn geführt, um von ihm Alimente zu bekommen. Der Mann weigerte sich zu zahlen. Er hatte Emilie Schellhase die Heirat angeboten und war immer noch bereit war, sie zu heiraten.

Laut Gesetz brauchte ein Mann, wenn er die Frau heiratete oder heiraten wollte, die von ihm Kinder hatte, keine Alimente zu zahlen. Holland war die besiegte Nation. Hier galten deutsche Gesetze, auch für Holländer. Gesetz ist Gesetz, damit spaßen die Deutschen nicht. Tante Emilie verlor diesen Prozess.

Nach dem Krieg hat Tante Emilie wie viele deutsche Frauen Trümmer aufgeräumt. Diese Frauen wurden Trümmerfrauen genannt. Die Trümmerfrauen durften die Steine, die sie sich aus den Trümmern herausgeholt hatten, behalten. Besser gesagt, sie behielten diese Steine unterstützt von einer sich vorsichtig etablierenden zivilen Städteverwaltung in Absprache mit den Alliierten Verwaltungsmächten. Von der gleichen zivilen Städteverwaltung bekamen sie auch das Angebot, billig ein Grundstück zu kaufen.

Viele der norddeutschen Städte waren bis zu neunzig Prozent zerbombt. Gleichzeitig kamen rund fünfzehn Millionen Flüchtlinge aus den ehemaligen östlichen Gebieten von Deutschland. Sie flohen vor der russischen Armee und vor der polnischen und tschechoslowakischen Bevölkerung.

Millionen von Menschen lagen auf der Straße. Millionen wurden in Gymnastik Sälen, in Ruinen, in Kellern, auf Dachböden und in Baracken untergebracht. Es war ein unbeschreibliches Elend. Darum wurden Gesetze erlassen, dass die großen Grund- und Villenbesitzer alle überflüssigen Räume an Flüchtlinge und Vertriebene abgeben mussten. Pro Kopf durfte jeder nur ein Zimmer für sich beanspruchen.

Mein Großvater war über diese Zwangsmaßnahmen der provisorischen Verwaltungsbehörden empört. Das war ein Eingriff in seine Privatrechte. Weil meine Schwester und ich mit zum Haushalt gerechnet wurden, konnte er fünf Zimmer für sich beanspruchen. Noch zehn Jahre nach dem Krieg schimpfte mein Großvater über diese Unverschämtheit, ihn derart in seinen Rechten zu beschränken.

Die Maßnahmen der provisorischen Zivilverwaltungen der Städte, die Bevölkerung zum Bau von Eigenheimen anzuspornen, war eine weitere Maßnahme, um dem Elend der Menschen abzuhelfen, die kein Dach über dem Kopf hatten. Gleichzeitig war es auch ein Mittel, die Trümmer zu beseitigen und Deutschland wieder aufzubauen.

Tante Emilie wurde Trümmerfrau und baute sich in Castrop-Rauxel ein Häuschen. Der Garten, der zu diesem Reihenhaus gehörte, half ihr, die schwersten Hungerjahre zu überleben.

Hier wohnte in den Zimmern unterm Dach Tante Martha, die Mutter von Tante Emilie. Tante Emilie versorgte und pflegte sie bis zu ihrem Tod. Aus diesem Grund erbte Tante Emilie die letzten Wertgegenstände der Familie: den großen Flügel von Onkel Hermann, sein wertvolles Cello und seine Geige.

Tante Emilie erzählte mir, dass ihr Vater einmal einem Zigeuner zuhörte, wie er Geige spielte. Onkel Hermann war verzaubert von dem Klang dieser Geige. Er bat den Zigeuner, ihm die Geige zu verkaufen. Er war bereit, jeden Preis zu zahlen.

Die Geige war schwarz lackiert. Durch einen jahrzehntelangen Gebrauch kam an einigen Stellen die originale Farbe der Geige durch den schwarzen Lack zum Vorschein. Mir wurde erzählt, dass Zigeuner wertvolle Geigen gestohlen haben. Um die Herkunft dieser Instrumente zu vertuschen, hätten sie die Geigen schwarz angemalt.

Als ich Tante Emilie am Telefon erzählte, dass meine vierjährige Tochter Geigenunterricht bekam und dass wir beide im Orchester spielten, war sie euphorisch begeistert. Ich erweckte die große Glanzzeit der Familie Schellhase wieder zum Leben. Als Tante Emilie starb, hat sie mir die Zigeuner Geige ihres Vaters vererbt.

Onkel Hans rief mich an und erzählte mir die Geschichte. Eine Bedingung dieser Erbschaft war, ich müsse selber nach Deutschland kommen und mir die Geige abholen.

Silvaplana Blue III - Masken göttlicher Heiterkeit

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