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II.

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Der Sommer 1914 wurde heiß. Onkel Herman saß in St. Petersburg und spielte Cello. August saß in Gerthe und spielte Herrenmensch.

Tante Martha, die Mutter von Tante Emilie, saß in Claswipper und spielte keine Rolle. Sie musste sich mit drei kleinen Kindern alleine durchwurschteln. Aber über so etwas spricht man nicht.

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger in Sarajewo erschossen. Der österreichische Kaiser Franz-Joseph war alt und ohne Erben. Österreich wollte Revanche.

Revanche? Was ist das?“, schrieen die Russen und rüsteten.

Revanche? Was ist das?“, schrieen die Franzosen und rüsteten.

Revanche? Was ist das?“ schrieen die Engländer und rüsteten. Eigentlich wussten sie nicht, was sie wollten. Aber man hatte Verträge - geheim hin, geheim her - Verträge sind Verträge. Man rasselte mit dem Säbel, weil alle es taten.

In der Zeit, als der Kaiser in Berlin seinem kaiserlichen Vetter in Wien einen Blanko Scheck schickte: „Auf ewig Treu und Redlichkeit!“, saß man in der Patsche und wusste es nicht.

Ganz Europa meinte, glaubte, vermutete, befürchtete, ahnte. Der Darwinistische Virus zerfraß die Gehirne. Das Recht des Stärkeren wurde zum göttlichen Gesetz. Entweder wir fressen oder wir werden gefressen. Entweder wir schlagen zu oder wir werden erschlagen. Entweder wir schießen oder wir werden erschossen. Das Recht des Stärkeren muss man beweisen. Also auf! Marschieren!

Ganz Europa marschierte. Die ganze Welt marschierte. Das ganze zwanzigste Jahrhundert marschierte. Wohin? In die Schützengräben.

Da saß man und konnte weder vorwärts, noch rückwärts. Das saß man und wusste nicht ein noch aus. Alle haben verloren. Die einen verloren ihr Leben, ihre Arme, ihre Beine, ihre Augen, die anderen verloren ihr Haus, ihre Familie, ihre Heimat. Die übrigen verloren ihr Gesicht, ihre Ehre, ihre Seele. Es gab keine Sieger mehr.

Das begann mit der „Belle Epoque“, der schönen Epoche, mit Sahnetorte-Kriegen in den Diplomatenräumen. Das begann mit dem Gezanke der Vettern. Ein Vetter saß in St. Petersburg, einer in London, einer in Berlin und einer in Wien. Das war Familiengezeter gemischt mit Hinterhofs Diplomatie.

Man streute mit Depeschen Sand in die Augen der Gegner und ließ ihn über alles stolpern, was man nicht gesagt zu haben glaubte, an was sich niemand erinnern konnte und was niemals jemand gehört hatte. Die Luft war verpestet von Gerüchten, Emotionen, und Sentimentalitäten, Scheinwahrheiten und eingebildeten Wahrheiten.

Die Preußen waren die engstirnigen und ungeschliffenen Barbaren. Sie waren ohne „savoir vivre“, plump und brutal. Die Preußen hatten keine Kultur. Sie verstanden nicht das feine Spiel der Diplomatie. Sie missverstanden alles, was missverstanden werden konnte und marschierten mit Pickelhauben und Kanonen in Flandern ein.

Damit waren sie die Aggressoren. Sie waren die Kriegshetzer. Sie waren die Angreifer. Sie waren verantwortlich für den Krieg. Sie waren verantwortlich für Millionen von Toten. Darum sollten sie blechen, auf immer und ewig. Darum sollten sie leiden, auf immer und ewig. Christus war tot. Also schlagen wir die Deutschen ans Kreuz.

Silvaplana Blue III - Masken göttlicher Heiterkeit

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