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2.3.1 Neue Arbeitsbedingungen

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Unabhängig von den Aufgaben, die Untertitler haben können, haben sich neue Arbeitsfelder und Arbeitsbedingungen aufgetan. Gleichzeitig hat die Geschwindigkeit der automatischen Übersetzungsprogramme den Turnaround für Humanübersetzer beschleunigt. Beispielhaft kann man das an StreamingdienstenStreamingdienst wie Netflix sehen, wo einzelne Serienepisoden manchmal in 24 Stunden untertitelt werden müssen und zu diesem Zweck in Abschnitte unterteilt und an mehrere Übersetzer verteilt werden (Information von Allison Smith von Netflix auf der Languages and the Media 2018). Die betreffenden Firmen geben übrigens keine Informationen zur Bezahlung von Übersetzern heraus. Viele Kunden der Streamingdienste möchten zumindest die englischsprachigen Serien im Original sehen, sei es, um ihre Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, sei es, um an den unter hohem Zeitdruck entstandenen Untertiteln herumzumeckern. Dabei muss man allerdings anmerken, dass manche Streamingdienste nicht darauf achten, ob sie Profis einstellen, sondern einen seltsamen Sprachtest durchführen, auf dessen Basis man als Übersetzer bei ihnen arbeiten darf. Als Qualitätsmanagement kann man das nicht bezeichnen. Es ist aber schwer vorherzusagen, wie lange die derzeitige Praxis anhält.

Die Verlagerung der Übersetzerarbeit, auch hier meist der Untertitler-Arbeit, in die Cloud, ist ebenfalls eine neue Entwicklung. Untertitler, die für Arbeitgeber mit einem solchen System tätig sind, müssen keine Untertitelungssoftware anschaffen bzw. nicht in Firmenräumen arbeiten, wo eine entsprechende Software zur Verfügung steht.

Durch das Internet haben sich auch CrowdsourcingCrowdsourcing-Dienste wie AmaraAmara entwickelt, die die audiovisuelle Übersetzung von Webinhalten leicht machen und preiswert oder sogar kostenlos genutzt werden können (zur Problematik siehe weiter unten). Die Verführung dieser Angebote ist groß, besonders dann, wenn man nicht über die finanziellen Mittel verfügt, eine Profi-Software anzuschaffen.

Ein großes Thema im Bereich Crowdsourcing und Untertitelung ist die Plattform TEDTED. Auf dieser Plattform findet man eine große Menge an Vorträgen zu den unterschiedlichsten Themen, von Spezialisten des jeweiligen Gebietes. Die Untertitelungen in allen Sprachen werden von Freiwilligen angefertigt, ebenso die Korrekturen. TED hat Richtlinien für die Untertitelung und stellt eine Software zur Verfügung. Es sei jedem unbenommen, TED für den Unterricht einzusetzen. Man hat die Auswahl unter einer großen Menge an Themen. Wenn man direkt für TED im Crowdsourcing untertitelt, bekommt man Feedback vom Korrektor. Man kann bei Bewerbungen auf diese Arbeiten hinweisen. TED ist jedoch janusgesichtig:

Hundreds of amateur subtitlers – including speakers of less-dominant languages – have been empowered by TED to partake in the co-production of media content, but their work is constrained by the organization’s standards of translation accuracy and style guidelines for translators. Through their work, TED subtitlers contribute to the market penetration of dotSUB’s enterprise solutions and, by extension, maximize the spread of crowdsourcing as a business model for the translation of corporate online content. (Ray / Kelly 2011, zitiert nach Pérez González 2014: 68)

Pérez González geht im Weiteren darauf ein, dass TED, wie auch andere Crowdsourcing-Projekte im Bereich Untertitelung, Kreativität nur im Rahmen strenger Regeln zulässt: Die Filme sind bereits ausgewählt, die Software ist ausgewählt. Die Vorträge folgen alle mehr oder minder demselben Muster (es gibt inzwischen Handbücher wie Anderson 2018 und Gallo 2014) und werden sorgfältig geprobt (Anderson 2018: passim). Die Teilnahmegebühren für die TED Conferences sind gesalzen (www.ted.com/attend/conferences/ted-conference#h3-ted-conference-standard-membership). Das verträgt sich nicht gut mit der großen Menge freiwilliger Übersetzer. TED ist dennoch verführerisch: Die Vielzahl der Themen, die Qualität und oft die FachsprachlichkeitFachsprache wie auch die leichte Verfügbarkeit sind durchaus Argumente, um TED im Unterricht einzusetzen. Ich tue es auch gelegentlich.

Der Arbeitsablauf in der professionellen Untertitelungspraxis kann variieren. Eine große Rolle spielen die Projektmanager. Besonders bei Untertitelungsaufträgen, bei denen eine Firma für mehrere Sprachversionen zuständig ist, haben die Projektmanager wichtige Aufgaben. Projektmanager sollen digital-affin sein. Sie haben normalerweise eine Hochschulqualifikation als Medienübersetzer. Die nachfolgenden Abläufe wurden aus Informationen mehrerer Kolleginnen zusammengefasst.

Als Projektmanager muss man das Jobticket für die relevanten Aufträge für das neue Projekt erstellen, das heißt, dass man Aufgaben definieren und einzelnen Abteilungen oder Mitarbeitern zuordnen muss. Zunächst kommt beim Business Manager oder beim Project Manager ein Angebot an. Wenn Machbarkeit, Deadline und benötigtes Material stimmen, wird der Auftrag übernommen. Der Project Manager erstellt dann das Jobticket für alle relevanten Teilaufgaben. Eventuell existieren Leitfäden, in denen z. B. kundenspezifische Anforderungen zusammengefasst werden. Danach werden die Project SettingsProject Settings1 festgelegt und die Arbeitsdatei angefordert (LowRes Video Files). Dazu gehört die Auswertungsart für den Film (Kino, DVD, TV, Streaming), das Format (Exportformate und Textformate für die Zieldokumente, wie images für DVD, stl/srt für Streaming, doc und xls für Produzenten), das Bildformat für das Endprodukt (4:3, 16.9 etc.).

Danach gibt es verschiedene Vorgehensweisen: Eventuell existieren bereits UT, dann kümmert man sich um die Lizenzierung oder kann im Idealfall das Firmenarchiv nutzen. Hier müssen die existierenden UT an die neuen Project Settings angepasst werden.

Für Spotting und Splitting gibt es je nach Vorlage unterschiedliche Vorgehensweisen (siehe weiter unten).

Der fertige Film kommt normalerweise ins Eigenlektorat. Dann wird das Jobticket abgeschlossen. (Diverse Praxisvertreterinnen)

Nach wie vor kann es in der Praxis aber auch vorkommen, dass der außerhäusige Untertitler nur eine Textdatei bekommt, gern als Excel-Tabelle, und den Film nie sieht.

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