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1.2 Definition der audiovisuellen Übersetzung

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Unter audiovisueller Übersetzung (im Nachfolgenden AV-Übersetzung) versteht man allgemein das Übersetzen von Medienformaten, die einen sichtbaren und einen hörbaren Teil haben, und zwar primär die typischen Verfahren der Film- und Video-Übersetzung. Bei der audiovisuellen Übersetzung wird das ursprünglich vorliegende Material durch die Übersetzung verändert und meist ergänzt. Anders als bei vielen anderen Formen der Übersetzung bleiben Teile des ursprünglichen Materials erhalten, je nach Übersetzungsverfahren unterschiedliche. Zu Beginn jedes Kapitels wird die Definition des jeweiligen Verfahrens nach der Routledge Encyclopedia of Translation Studies angeführt; hier kommt die Definition zu Audiovisual Translation:

Audiovisual translation is a branch of translation studies concerned with the transfer of multimedial texts into another language and / or culture … Major meaning-making modes in audiovisual texts include language, image, music, colour and perspective. (Pérez González 2011 [2009]: 13)

Wie bei allen in diesem Buch angeführten Definitionen kann man dies natürlich kritisch sehen. Die nachfolgende Definition, obwohl noch keine zwanzig Jahre alt, ist für die heutige Arbeit in der AV-Übersetzung und die dazugehörige Forschung zu eng gefasst: „Die Konzentration auf den Dialogfilm stellte die verbale Sprache und ihre Übertragbarkeit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.“ (Wahl 2003: 9)

Im Anschluss an seine Definition führt Pérez González die Vielfalt an Bezeichnungen auf, die im Englischen für die AV-Übersetzung existieren (siehe Pérez González 2011 [2009]: 13). Im Deutschen wird als Synonym zur AV-Übersetzung MedienübersetzungMedienübersetzung verwendet; sonst werden meist die einzelnen Verfahren genannt.

Die Verfahren, an die man bei dem Begriff audiovisuelle Übersetzung als erstes denkt, werden bei der Übersetzung von Filmen und Fernsehserien eingesetzt: interlingualeUntertitelinterlinguale Untertitel und intralinguale UntertitelUntertitelintralinguale Untertitel, SynchronisationSynchronisation, bei Dokumentationen auch Voice-overVoice-over. Inzwischen kann man auch die AudiodeskriptionAudiodeskription für Blinde als bekanntes Verfahren voraussetzen. Audiovisuelle Übersetzung findet aber auch im Theater statt, als ÜbertitelungÜbertitelung oder als Live-AudiodeskriptionLive-AudiodeskriptionAudiodeskriptionLive-Audiodeskription.

Man darf auch die Einflüsse auf die audiovisuelle Übersetzung nicht übersehen: Es gibt eine Reihe von TextsortenTextsorte, deren Übersetzung eng mit der AV-Übersetzung verwandt ist, die Einfluss auf die AV-Übersetzung hatten und die im Vergleich mit dieser neue Einblicke und Erkenntnisse liefern können:

La traduction audiovisuelle (TAV) relève de la traduction des médias qui inclut aussi les adaptations ou éditions faites pour les journaux, les magazines, les dépêches des agences de presse etc. Elle peut être perçue également dans la perspective de la traduction des multimédias qui touche les produits et services en ligne (Internet) et hors ligne (CD-ROM). Enfin, elle n’est pas sans analogie avec la traduction des BD, du théâtre, de l’opéra, des livres illustrés et de tout autre document qui mêle différents systèmes sémiotiques. (Gambier 2004: 1)

Manchem kommt es befremdlich vor, dass Verfahren wie intralinguale Untertitelung oder Audiodeskription als Übersetzung bezeichnet werden. Der prototypische Übersetzer beschäftigt sich mit interlingualen Übersetzungen. Doch heute sind die Anforderungen an Übersetzer weit vielfältiger.

In der übersetzungswissenschaftlichen Forschung wird in diesem Zusammenhang gern auf Roman Jakobsons Definition der verschiedenen Verfahren der Übersetzung verwiesen (Jakobson 1971: 261). Jakobson spricht von der intralingualen, der interlingualen und der intersemiotischen Übersetzung. Die interlinguale ÜbersetzungÜbersetzunginterlinguale Übersetzung entspricht unserer prototypischen Vorstellung der Übersetzung von einer Sprache in die andere. Die intralinguale ÜbersetzungÜbersetzungintralinguale Übersetzung ist eine Form der Bearbeitung. So wird ein Text z. B. für eine neue Zielgruppe vereinfacht, die Sprache wird jedoch beibehalten. Ein typisches Beispiel außerhalb der AV-Übersetzung sind Bearbeitungen literarischer Werke für Kinder, aber auch die im Zuge der gesellschaftlichen Teilhabegesellschaftliche Teilhabe und BarrierefreiheitBarrierefreiheit immer wichtigere Leichte SpracheLeichte Sprache1 gehört in diesen Bereich. Untertitel für HörgeschädigteUntertitel für Hörgeschädigte stellen eine spezielle Form der intralingualen Übersetzung dar. Bei der auch als Transmutation bezeichneten intersemiotischen ÜbersetzungÜbersetzungintersemiotische Übersetzung schließlich wird das Zeichensystem gewechselt. Ein klassisches Beispiel der intersemiotischen Übersetzung ist die Bildbeschreibung, bei der das bildlich Dargestellte in Sprache wiedergegeben wird. Die AudiodeskriptionAudiodeskription fällt daher in den Bereich der intersemiotischen Übersetzung. Eine noch detailliertere Aufschlüsselung verschiedener Formen der multidimensionalen (nicht nur der audiovisuellen) Übersetzung findet sich in Gottlieb 2005.

Die Verfahren der audiovisuellen Übersetzung kann man unterschiedlich einteilen. Auch die Task Force AV der FIT befasste sich 2019 mit der Einteilung dieser Verfahren, was zeigt, dass diese Diskussion noch lange nicht abgeschlossen ist. Im Handbuch Translation von 2006 (Erstauflage 1999) kommen die selten behandelten Video NarrationsVideo Narration (242-244) („der gesprochene Text zu IndustrievideosIndustrievideo“, 242) im Kapitel zu primär appellativen Texten vor, während im Kapitel „Film und Fernsehen“ Untertitelung / Übertitelung (261-264) und SynchronisationSynchronisation (unter dem selten gebrauchten Eintrag Synchronisierung) (264-266) behandelt werden. Voice-over wird im Abschnitt Synchronisation kurz erwähnt, andere Verfahren der audiovisuellen Übersetzung spielen hier keine Rolle. Das zeigt auch, dass 1999 diese Verfahren in der Praxis vieler Übersetzer noch nicht wichtig waren. In der Routledge Encyclopedia of Translation in der zweiten Auflage von 2009 werden die Verfahren versammelt unter dem Stichwort „Audiovisual Translation“, zunächst Subtitling (14-15), mit Anmerkungen zu interlingualen, bilingualen und intralingualen Untertiteln, RevoicingRevoicing (16-18) mit Voice-over, Audiodeskription, freiem KommentarKommentarfreier Kommentar, FilmdolmetschenFilmdolmetschen und Synchronisation (Pérez González 2011 [2009]). Andere Aufteilungen sind noch weit detaillierter, denn man kann all diese Verfahren weiter unterteilen, wie es auch in diesem Buch in den Unterkapiteln geschieht. Möglich ist auch eine Aufteilung nach Jakobsons Einteilung von Übersetzungen als interlingual, intralingual und intersemiotisch. Dadurch werden aber typische Verfahren und Abläufe in unterschiedliche Bereiche verschoben. Eine Einteilung nach Genres habe ich nirgends gefunden, aber auch das wäre möglich, wobei bei jedem Genre verschiedene typische Verfahren aufgeführt würden. Die Ausnahme hier ist die Game-LokalisierungGame-Lokalisierung, bei der Übersetzungsverfahren und Spieltyp gekoppelt sind.

Ich habe mich bei diesem Buch für eine andere, rein praktisch motivierte Einteilung entschieden und die Verfahren der Barrierefreiheit, Untertitelung für Hörgeschädigte und Audiodeskription für Blinde und Sehgeschädigte, an den Schluss des Buches gestellt. Für diese Verfahren gibt es eine spezielle Gesetzeslage, Richtlinien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, den Einfluss von Lobbygruppen, Interessenten aus anderen Fächern wie Sozialpädagogik – und nicht zuletzt bilden bei beiden Verfahren KinderKinder eine eigene Zielgruppe.

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