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Kapitel 18

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Er stand an dem Fenster, an dem er jeden Abend zu stehen pflegte und sah hinaus auf die weite Fläche unterhalb seiner Burg. Früher jedenfalls war diese Fläche weit gewesen. Unbebaut und eben – eine Graslandschaft, die sich in der Ferne in Hügeln und einem Wald verlor und erst an den kantigen Gebirgszähnen endete, die am Horizont einen Ring um sein Reich bildeten. Er lächelte grimmig. Dabei verrutschte sein ausgesprochen makelloses Gesicht in eine zähnefletschende Maske, die wenig vorteilhaft war. Aber das störte ihn nicht. Er war mächtig. Und unantastbar. Zwar konnten die unreinen Gestalten, die dort unten für ihn das Land urbar machten und ihm sein eigenes Reich bauten, ihn oben am Fenster stehen sehen, aber er wusste genau, dass es keiner von ihnen wagen würde, aufzublicken. Schemenhafte Wesen waren sie in seinen Augen. Nicht real, aber real genug, um ihm zu Diensten zu sein. Seine Menschensklaven.

Ein weiteres grimmiges Lächeln verzog sein Gesicht. Sein Plan war einfach so wunderbar aufgegangen. Aber anders war es schließlich auch nicht zu erwarten gewesen. Alles, was er anpackte, formte er nach seinen Vorstellungen und brachte es an das von ihm gewünschte Ziel. Die Mitglieder der Gilde waren Wachs in seinen Händen gewesen. Natürlich hatte es ihn Zeit gekostet, ihnen allen das wertvolle neue Mitglied vorzuspielen, den Sohn, der nach seinem berühmten rechtschaffenen Vater kam. Aber was war das schon – Zeit. Für ihn nichts. Ein relatives Phänomen, das er nach Belieben biegen und brechen konnte.

Für einen kurzen Augenblick tauchte eine vage Erinnerung in seinen Gedanken auf, die er lieber nicht dort gehabt hätte. Das Buch. Er hatte ein Buch gebraucht, das ihm bei der Verwirklichung seines Planes helfen musste. Sein eigenes Buch hatte sich bereits so sehr seinem unmoralischen Charakter angepasst, dass es ihm für dieses Vorhaben nicht von Nutzen sein konnte. Er furchte unwillig die Stirn. Wie oft hatte er zuvor sein Buch ermahnt und es gebeten, die Veränderung seines Charakters nicht so schnell vonstatten gehen zu lassen. Es hatte alle Zeit der Welt und sollte seine Entwicklung erst beschleunigen, nachdem es ihn bei seinem Plan unterstützt hatte. Aber nein!

Er seufzte. Dieses Buch war genauso starrsinnig wie er selbst. Hatte seine Charakterstärke und seine Abneigung, Befehle zu befolgen. Kurz, es war wie er. Dieser Gedanke löste ein Lächeln aus, das es fast geschafft hätte, seinem makellosen Gesicht die unwirkliche Schönheit zu erhalten.

Aber das Buch! Dieses verflixte Buch von dem Schreiberling, dessen Namen er sich nie die Mühe gemacht hatte, herauszufinden. Beinahe hätte es alles zunichte gemacht, worauf er so lange hingearbeitet hatte. Sein ganzes Lebenswerk!

Bei diesem Gedanken begannen seine eleganten Hände, die er lässig auf dem Fenstersims abgestützt hatte, unkontrolliert zu zittern. Wieso nur hatte er ausgerechnet an ein Buch geraten müssen, das einen so starken Gerechtigkeitssinn und so hohe Moralvorstellungen hatte!

Wütend umklammerte er mit den Händen das Sims und starrte hinab in den Burghof. Die eilig dahinhuschenden Gestalten schafften es tatsächlich, ihn von diesen ärgerlichen Überlegungen abzulenken. Ihre so offenkundige Nichtigkeit stimmte ihn heiter und gab ihm das für einen kurzen Moment abhanden gekommene Überlegenheitsgefühl zurück. Vielleicht sollte er das armselige Dasein ein paar dieser Menschen mit einem Federstrich beenden, nur um sich besser zu fühlen. Er beobachtete die unwichtigen Schemen noch eine Zeitlang und verließ dann seinen Beobachtungsposten.

Letztlich hatte doch alles geklappt. Er hatte das so unerwartet wehrhafte Buch gebrochen und es gezwungen, bei der Ausführung seines Planes mitzuwirken. Sein nächstes Lächeln war echt. Boshaft, aber echt. Er hatte das verdammte Ding von seiner moralischen Warte heruntergeholt und es gezwungen, ihm bei seinen abscheulichen Machenschaften zu helfen. Kein Buch konnte eine solche Misshandlung überleben. Er hatte es vernichtet und war als Sieger aus diesem Kampf hervorgegangen.

Wie er es immer getan hatte. Wie er es immer tat. Wie er es immer tun würde.

Der Weltenschreiber

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