Читать книгу Vernehmungen - Heiko Artkämper - Страница 118

3.7.6.4Plädoyers, Beratung und Urteil

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333Dass die Freispruchquote nach dem zuvor Geschilderten eher marginal ist, wird nicht verwundern; sie ist im einstelligen Prozentbereich anzusiedeln. Gelangt das Gericht erwartungsgemäß zu einer positiven Beantwortung der Schuldfrage, gilt es die Straffrage – Art und Höhe der Sanktion, Maßregeln pp. – zu beantworten. Selbst hier wird die Entscheidungsfindung beeinflusst.

334Das Phänomen des Ankereffektes stellt eine – wenn auch für das Strafrecht nicht unbestrittene19 – Erscheinung dar, die sich auf das Strafmaß auswirkt. In entsprechenden Versuchen wurde festgestellt, dass die Höhe der verhängten Sanktion entscheidend von der Reihenfolge der Plädoyers abhängt und der Antrag des Staatsanwaltes, der in der ersten Tatsacheninstanz als Erster einen „Anker“ setzt, sowohl den Antrag des Verteidigers(!!) als auch die Entscheidung des Gerichts in der Höhe beeinflusst.20

335Entlarvend ist auch dieses dort geschilderte Experiment: „Die Forderung des Staatsanwalts stand … nicht in der Unterlage, stattdessen erhielt die Versuchsperson einen (gezinkten) Würfel. Sie würfelte und trug das Ergebnis selbst als Forderung des Staatsanwalts ein. Natürlich ergab das keinen Sinn, und den Beteiligten wurde auch gesagt, dass die seltsame Übung lediglich „Untersuchungszwecken“ diene. Doch es half alles nichts: Eine hohe Zahl führte wieder zu einer hohen Strafe.“ Alea iacta est!

336Verbindet man diese Feststellung mit den – allerdings 25 Jahre alten – Untersuchungen von Albrecht,21 nach denen der Staatsanwalt überhöhte Strafanträge stellt, rundet dies ein – hoffentlich vergangenes – Bild ab: Die Hauptverhandlung und das Ringen um Strafe als Marktplatz und Bazar, auf dem überhöhte Preise und ein knappes Angebot nicht zu einem fairen Preis – einem richtigen Urteil – führen.

337Dass gerade an dieser Stelle zusätzlich auch die Unwägbarkeiten der Strafzumessung und der Spielraumtheorie eine Rolle spielen, liegt auf der Hand. Die Theorie des sozialen Vergleichsprozesses lässt grüßen: Es wird vom Richter eine richtige Entscheidung bei adäquater Selbsteinschätzung erwartet, bei der objektive Maßstäbe für die Entscheidung fehlen.22 Der Richter wird sich an von ihm als kompetent und zuverlässig empfundenen Vergleichspersonen orientieren, wobei er den „neutralen“ Staatsanwalt (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) favorisiert und den Verteidiger als einseitigen Interessenvertreter disqualifiziert bzw. ignoriert.

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