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158. Max Heine70
ОглавлениеSommer 1828
In München besuchte ich mit meinem Bruder Heinrich sehr oft das gastliche Haus der Gräfin D. Mittwochs war in der Regel große Abendgesellschaft. Notabilitäten jeder Art fanden sich da ein, und die Gräfin hielt etwas darauf, berühmte Fremde bei sich zu sehen. Allgemeine Unterhaltung belebte eines solchen Abends die ganze Gesellschaft, und namentlich begann ein alter Herr, höherer Marineoffizier in holländischen Diensten, eine Seefahrt zu beschreiben, die viel Interesse darzubieten schien. Alle horchten aufmerksam zu. Da gebrauchte der Erzähler ganz zufällig das Wort Astrolabium (das bekannte Instrument, um Winkel nach Graden, Minuten usw. auf dem Meere zu messen), als Heine in ein solches schallendes Gelächter ausbrach, daß nicht nur der Erzähler ganz betroffen innehielt, sondern auch die ganze herumsitzende Gesellschaft mit dem größten Befremden den Dichter ansah. Die Gräfin D., die Wirtin des Hauses, bat den Erzähler fortzufahren, und als dieser das Wort Astrolabium wiederholte, begann aufs neue das Heinesche Gelächter.
Man befürchtete allgemein eine durch nichts provozierte maliziöse Bemerkung Heines; schon zeigte sich in den Mienen der Anwesenden Mitleid mit dem so plötzlich chokierten Fremden, als die Gräfin D. das Wort rasch ergriff und sagte: „Lieber Heine, haben Sie die Güte, frei heraus zu sagen, was Sie in der so ernsten Erzählung, die uns alle so interessierte, so außerordentlich lächerlich gefunden haben?“ Jetzt sammelte sich Heine, stand auf, ging zum Fremden, gab ihm die Hand und sagte: „Mein Herr, ich bin Ihnen Genugtuung schuldig, und die Achtung vor dem Hause verlangt, daß ich nicht einen Augenblick zögere. Erlauben Sie mir eine kleine Erzählung. Die jungen Damen mögen mich ruhig ansehen, die älteren dürfen die Augen niederschlagen. Als ich vor einigen Jahren in Göttingen Student war, ritt ich zuweilen und benutzte zur Bequemlichkeit eine Leibbinde, von den wissenschaftlichen Bandagisten Suspensorium genannt.
„Ich hatte eine sehr gewissenhafte Wäscherin, die jeden Gegenstand speziell mit dem Preise aufschrieb, und da las ich einst obenan: Ein leinenes Astrolabium gewaschen, sechs Pfennige.
Gott weiß, wie meine Wäscherin an diesen maritimen Ausdruck gekommen und in diese Kapitalverwechslung geraten ist. Ich habe herzlich lachen müssen, und heute, wo ich so plötzlich und unerwartet das mir so lächerliche Wort gehört, überfiel mich ein so krampfhaftes Lachen, daß ich beim besten Willen nicht imstande gewesen, dasselbe zu unterdrücken, und ich bitte demütig, wenn noch einer von den Herren oder Damen etwas zu erzählen hat, mich auf das Wort Astrolabium gefälligst vorzubereiten.“
Man kann sich denken, welche allgemeine Heiterkeit dieser Erklärung gefolgt ist. Die Gräfin D. reichte aufs liebenswürdigste ihre schöne Hand dem Dichter zum Kusse dar, indem sie sagte: „Nicht mit Unrecht hat man Sie den ungezogenen Liebling der Grazien genannt.“