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IIWECHSELFÄLLE DER LIEBE Zeig sie mir!
ОглавлениеDer König jagte in den Wäldern von Compiègne; an diesem Tage verfolgte er einen Hirsch bis nahe der Provinz Picardie. Dort verloren sie die Spur, der König und sein Großstallmeister Herzog von Bellegarde. Die Jagdgesellschaft war ihnen längst aus den Augen, die beiden Gefährten rasteten auf einer Lichtung. Der König nahm als Sitz einen gestürzten Baumstamm. Durch das Laub, das der Herbst schon lockerte, fielen Sonnenstrahlen, sie vergoldeten es, und verstreutes Licht umgab die beiden Gestalten, einen Vierzigund einen Dreißigjährigen.
„Wer doch etwas zu essen hätte!“ sagte der König. Zu seinem Erstaunen brachte der Großstallmeister augenblicklich, was man sich nur wünschte, legte alles auf den Baumstamm, und sie stillten Hunger und Durst. Während der Mahlzeit überlegte der König. Da Bellegarde in seiner Satteltasche die Vorräte mitgeführt hatte, mußte seine Absicht gewesen sein, die Jagd zu verlassen und zu verschwinden — wohin?
„Wohin wolltest du, Feuillemorte?“ fragte der König geradeheraus und erwartete mit listigem Gesicht die Antwort, die ausblieb.
„Du siehst hier noch gelber aus als sonst, Feuillemorte: das macht all das welke Laub. Sonst bist du ein schöner Mann und nur dreißig Jahre. Wer das noch wäre! Damals machten sie es mir meistens nicht schwer, und immer waren sie da. Blick doch scharf zwischen die beiden Eichen! Scheint es dir nicht, als wollte aus dem dunklen Raum eine hervortreten und wagt es nicht? Damals kamen sie gleich.“
„Sire!“ sagte da Bellegarde. „Wollen Sie meine Geliebte sehen?“
„Wo denn? Welche denn?“
„Sie ist sehr schön. Das Schloß steht nicht weit von hier.“
„Wie heißt es?“ — „Coeuvres.“ Schnell gefragt, pünktlich geantwortet, und der König wußte sogleich Bescheid. „Coeuvres. Dann ist sie eine d’Estrées.“
„Gabriele“, sagte der junge Mann, und in dem Namen schwang sein Herz mit. „Sie heißt Gabriele, sie ist reizend. Sie ist zwanzig, ihr Haar ist reines Gold, heller als hier das Licht auf den Blättern glänzt. Ihre Augen haben die Farbe des Himmels, und manchmal glaube ich, daß nur von ihnen der Tag schön ist. Ihre Wimpern sind braun, ihre schwarzen Brauen beschreiben zwei schmale, edel geschwungene Bogen.“
„Sie wird sie ausrasieren“, warf der König ein, worauf der Liebende erschrak und schwieg. Der Gedanke war ihm noch niemals eingefallen.
„Zeig sie mir! Heute seid ihr verabredet. Aber das nächste Mal nimmst du mich mit.“
„Sire! Gleich jetzt.“ Bellegarde sprang auf, er konnte es nicht erwarten, dem König seine schöne Geliebte zu zeigen. Auf dem Wege sprachen sie von der Familie; der König erinnerte sich:
„Der Vater deiner Schönen heißt Antoine und wäre Gouverneur von La Fère, hätte nur die Liga ihn nicht davongejagt. Ah! Die Mutter. Sie ist doch durchgegangen?“
„Mit dem Marquis d’Alègre, schon vor Jahren. Vorher soll sie versucht haben, ihre Tochter zu verkaufen. Was beweist das? Sire! Sie haben den Hof Ihres Vorgängers selbst gekannt.“
„Er ließ an Reinheit der Sitten manches zu wünschen. Aber Ihre Gabriele war zu jung, um verkauft zu werden.“
„Sechzehn, und damals noch dürftig von Wuchs. Dennoch bemerkte ich sie gleich. Aber glücklicherweise habe ich sie erst bekommen, als sie schon ausgereift war.“
„Ah! Ihre Schwester.“ Der König wollte sich weiter entsinnen. „Wie heißt sie?“
„Es sind sechs Schwestern. Aber Eure Majestät meinen die ältere, Diana. Sie hatte zuerst den Herzog von Epernon.“
Der König hätte fast gesagt: Und alle sechs mit der Alten müssen ein Regiment gehabt haben. Er rief sich auch ins Gedächtnis, daß sie zusammen die sieben Todsünden gonannt wurden. Er äußerte statt dessen:
„Eine schöne Familie, in die du kommst, Feuillemorte. Wirst du deine Gabriele heiraten?“
Der Herzog von Bellegarde erklärte voll Stolz: „Eine ihrer Ahnen mütterlicherseits wurde von Franz dem Ersten, Clemens dem Sechsten und Karl dem Fünften ausgezeichnet. Es liebten sie nacheinander ein König, ein Papst und ein Kaiser.“
Der König verließ indessen die galanten Damen, von denen die Geliebte seines Großstallmeisters sich herschrieb. Der Name des Herzogs von Epernon war gefallen, ein Name, beschwert mit alten Kämpfen, die keineswegs beigelegt waren. Alle Sorgen seines Königreiches ergriffen den König, da ließ er sein Pferd im Schritt gehen trotz großer Ungeduld seines Begleiters und sprach von seinen Feinden. Sie hatten das Königreich unter sich aufgeteilt, und jeder in seiner Provinz spielte den selbständigen Fürsten, der sich einem ketzerischen König nicht unterwirft. Sogar ein Epernon, er hat angefangen als Lieblingsjunge des vorigen Königs! Sogar der darf den Vorwand der Religion gebrauchen. Laut sagte er: „Bellegarde, du aber bist katholisch und mein Freund, sag mir, ob ich denn wirklich den gefährlichen Sprung tun muß.“
Der Edelmann verstand den König; er antwortete: „Sire! Sie haben bestimmt nicht nötig, die Religion zu wechseln. Wir dienen Ihnen, wie Sie sind.“
„Wenn das wahr wäre“, murmelte der König.
„Und Sie sollen meine Geliebte sehen“, rief sein Begleiter in heller Freude. Der König erhob die Stirn. Jenseits eines waldigen Tales und rauschenden Gewässers, über Hügel, über Wellen bunten Laubes, in Wipfeln und Himmelsbläue schwebte das Schloß. So scheinen sie oft von Ferne wie aus Luft gebildet, bevor wir sie dann kennenlernen, und ihre Dächer blinken. Was erwartet uns? Sie sind bewehrt mit Graben und Mauern, oben mit Geschützen bestückt, aber Rosen ranken hinauf. Was erwartet uns in diesem? Die zehrende Unruhe wegen seiner Feinde und das Bangen vor seiner Bekehrung, beides machte den König empfänglich für Vorgefühle. Er hielt an, sagte, daß es spät würde, und wollte umkehren. Bellegarde verlegte sich aufs Bitten, begierig wie er war, von seinem Herrn gerühmt zu werden wegen seines unvergleichlichen Besitzes. Der König hörte von purpurnen Lippen, zwischen denen Perlen schimmern sollten; von Wangen wie Lilien und Rosen, aber hindurch drangen die Lilien, und ebenso weiß ist der ganze Körper, der Busen aus Marmor, die Arme gehören einer Göttin, die Beine einer Nymphe.
Da ließ der König sich bewegen, und sie ritten denn hin.
Das Schloß lag hinter Graben und Zugbrücke. Es hatte einen Haupttrakt und vorgeschobene Flügel, ein jeder mit seinem Türmchen in durchbrochener Bauart. Das Mittelgebäude bestand aus zwei Stockwerken, hohem Dach, offenem Säulengang, mächtigem Portal und verzierten Fensterrahmen. Ursprünglich rauh, jetzt elegant verschönt war das Schloß, und überall rankten Rosen, die letzten entblätterten sich noch.
Der König wartete draußen, indessen sein Begleiter hineinging. Im Hintergrunde der Halle erhoben sich die beiden Arme einer gerundeten Treppe. Der Herzog de Bellegarde ging darunter weg in einen Saal, der grünes Licht empfing von dem jenseitigen Garten. Er kehrte wieder, neben sich eine dunkelhaarige junge Dame im gelben Kleid mit Rosenkränzen. Schnell und leicht kam sie dem Herzog zuvor und verneigte sich vor dem König. Aus der bescheidenen Stellung sah sie ihn schelmisch an. Die schmalen Augenspalten erteilten dem Herrn den Wink, die Bescheidenheit der hübschen Person nicht zu ernst zu nehmen, und das tat er nicht. Er sagte sogleich:
„Sie besitzen so viele Vorzüge, Fräulein, daß Sie ganz gewiß dieselbe sind, um derentwillen der Großstallmeister hierher zu kommen pflegt. Ich hatte nicht zuviel erwartet.“
„Sire! Sie sprechen gut: fahren Sie fort. Ihr Großstallmeister blickt inzwischen nach meiner Schwester aus.“ Wobei sie sich in die Halle zurückzog. Der König folgte.
„Sie sind Diana!“ rief er und stellte sich erstaunt. „Um so besser. Sie sind frei. Wir werden uns verstehen.“ Schlag um Schlag sagte sie:
„Ich bin niemals ganz frei. Wer mich aber verstehen wollte, müßte erfahren sein. Wissen Sie wohl, wie viele Frauen er gekannt haben müßte? Achtundzwanzig.“
Genau so viele Geliebte sollte der König gehabt haben, flüchtige Bekanntschaften nicht mitgerechnet. Sie wußte Bescheid und zeigte ihren Witz.
„Sehr gut“, bemerkte auch er, und dachte daran, dem Fräulein eine Verabredung anzubieten. In demselben Augenblick sah er auf dem Podest der Treppe eine Gestalt erscheinen.
Ihr Fuß schwebte hernieder zu der höchsten der Stufen. Ihr Samtkleid war grün und schwankte im Reifen. Oben fiel der Schein des nahen Abends ein, darin erglänzte das goldene Haargeflecht, und die eingewobenen Perlen schimmerten. Der König tat eine Bewegung vorwärts, stockte sogleich, und die Arme sanken ihm an den Seiten hin. Alles kam von dem nie geahnten Zauber der Herniedersteigenden. ,Sie macht es wie eine Fee, wie eine Königin’ — dachte der König, als hätte er nicht häßliche Königinnen gekannt, aber er fühlte sich im Märchen. ,Wie gut, daß sie es als Fee und Königin doch kindlich unbedacht macht!‘ Eine ihrer Hände lag an ihrer Perlenschnur, über das Geländer glitt die andere — und wie ein Körper sich niedersenkt und herabläßt, jeder Schritt dies Wunder von Gehaltenheit, Gelöstheit, Spannung, Größe, alles in einem: der König hatte es nie gesehen. Er hatte noch nicht schreiten gesehen.
Er stand im Schatten, sie wußte es nicht oder suchte ihn doch nicht. Bellegarde hatte sie verfehlt, er war voreilig über den falschen Treppenarm geeilt: sie lachte ihn aus, sie wendete den Hals, eine Regung lebhaft und naiv. Ja, sie vergaß sich und sprang zwei Stufen hinauf, sie wäre zu ihrem Geliebten gelaufen. Ein Zeichen von ihm hielt sie wohl auf, sie setzte ihr strahlendes Schreiten fort. Der König erwartete sie nicht, er war rückwärts gewichen. Als sie unten ankam, befand er sich außerhalb des Portals.
Aus der Mitte seines Leibes stieg, äußerst schnell, ein Schluchzen auf, und im Hals angelangt, verhinderte es ihn zu sprechen. Da Gabriele d’Estrées ihm zugeführt wurde, war er stumm. Der Großstallmeister ließ die Hand des jungen Mädchens los, er erschrak. Sofort war ihm klar, was er getan hatte. Der König hatte die Sprache verloren, er erschien getroffen, erschüttert — entsetzt, mußte Bellegarde denken, und betrachtete das Gesicht seiner Freundin, ob es nicht in das Haupt der Medusa verwandelt wäre. Sie war aber ein Mädchen geblieben wie andere, gewiß schöner als andere, was Bellegarde am besten wußte. Sein Besitzerstolz verhinderte ihn nicht, den Eindruck, den sie auf den König machte, übertrieben zu finden, abgesehen davon, daß er gefährlich war.
Gabriele senkte vor dem König ihre braunen Wimpern, sie waren lang und beschatteten die hellen Wangen. Kein Blick oder Lächeln erlaubte dem König, ihre bescheidene Haltung für unecht zu befinden. Hier wollte eine Frau ihm weder gefallen noch von ihm beachtet werden, als ob eine weiß und blonde Göttin beiseite stehen könnte. War es ihr bewußt? Dann war es ihr gleichgültig. Der König seufzte, er bat die himmlische Erscheinung, sich seinetwegen keinen Zwang aufzuerlegen, und machte eine Bewegung nach seinem Großstallmeister. Dieser nahm die Hand des Fräuleins und führte es wenige Schritte weiter, wo an der Mauer noch Rosen sich entblätterten.
Diana sagte: „Sire! Jetzt werden Sie für alle meine Vorzüge blind sein, aber ich bin eine gute Schwester.“
Er fragte hastig, ob außer ihnen beiden niemand zu Hause wäre. Sie antwortete, nein, und ihr Vater wäre ausgeritten ihre Tante aber machte mit der Kutsche einen Besuch. „Ihre Tante?“ Er hob die Brauen. „Madame de Sourdis“, sagte sie, und mehr brauchte es auch nicht: er kannte sein Königreich genau. Madame de Sourdis, Schwester der durchgegangenen Mutter Gabrieles und selbst galant. Betrügt Herrn de Sourdis mit Herrn de Cheverny, dem abgesetzten Kanzler des vorigen Königs. Herr de Sourdis, früher Gouverneur von Chartres, in derselben Lage wie Herr d’Estrées: stellenlos. Alle sind stellenlos, sie werden viel Geld brauchen. ,Die Geschichte wird teuer werden‘ — dachte der König, hielt sich aber dabei nicht auf. Warum sich sträuben gegen die klare Gewißheit.
Während Diana noch mehr erzählte, starrte er mit Augen wie in der Schlacht hinüber auf Gabriele, und seine Lippen bewegten sich, so heftig und hingerissen fühlte er: ,Das ist sie.‘
,Das ist sie, und ich mußte vierzig Jahre werden, bis sie erschien. Marmor sagen sie zum Vergleich, von Purpur oder Korallen, von Sonn und Sternen sprechen sie. Leerer Schall, wer kennt das Namenlose außer mir. Wer anders als ich kann das Unendliche besitzen. Göttin oder Fee, was ist das? Königin will nichts sagen. Ich habe immer gesucht, immer versäumt, und dies ist sie.‘
Auch im Gespräch mit Bellegarde behält sie ihre bescheidene Miene, oder bedeutet es Kälte? Der Ausdruck der Augen ist ungewiß; sie versprechen und scheinen nicht zu wissen, was. ,Sie liebt Feuillemorte nicht!‘ behauptete Henri gegen seine Eifersucht, die ihn quälte. ,Hat sie mich denn aber beachtet? Sie hielt ja die Wimpern gesenkt. Jetzt neigt sie ihr Gesicht über eine Rose: ich werde nie vergessen, wie ihr Hals sich wendete und bog. Sie erhebt das Gesicht — wird mich ansehen, wird — gleich. Ah! nein. Nicht länger so.‘
Mit zwei langen Schritten war er dort und verlangte lustig: „Die Rose, Fräulein?“
„Sie wollen sie haben?“ fragte Gabriele d’Estrées höflich und sogar hochmütig: Henri bemerkte es und war einverstanden, denn Hochmut gebührte ihr. Er küßte die Rose, die sie ihm reichte; dabei entblätterte sich die Rose. Auf einen neuen Wink des Königs verschwand Bellegarde. Henri fragte sofort darauf los:
„Wie gefall ich Ihnen?“
Das wußte sie längst, so ungewiß und poetisch ihr Blick auch blieb, wenn sie ihn musterte. Sie entgegnete aber:
„Mir gesteht man sonst zuerst, wie ich gefalle.“
„Das hätte ich nicht getan?“ rief Henri.
Er hatte vergessen, daß er sprachlos gewesen war, und meinte, sie müßte alles verstanden haben.
„Reizende Gabriele“, sprach er vor sich hin.
„Wer hat es Ihnen gesagt? Ihr Blick ist anderswo“, erwiderte sie ruhig.
„Ich habe schon zuviel gesehen“, stieß er hervor — lachte aber leichtsinnig auf und begann ihr den Hof zu machen, wie sie es erwarten durfte. Er wurde süß, er wurde kühn, ganz der galante König der achtundzwanzig Geliebten, und vertrat seinen Ruf. Sie wehrte ab, ein wenig lockte sie auch, des Anstandes wegen, und weil man befriedigt ist, wenn jemand seinen Ruf bestätigt. Das war sein ganzer Erfolg, mehr nicht, und er fühlte es genau. Davon verwirrte er sich, ohne deshalb mit Reden aufzuhören, und so kam es auf einmal, daß er nach ihrer Mutter fragte. Ihr vollendetes Gesicht wurde kalt, Marmor wurde es wahrhaftig, und sie erklärte, daß ihre Mutter abwesend sei. „In Issoire, mit dem Marquis d’Alègre“, äußerte er obendrein, da er einmal in der Fahrt war, und gerade wegen der eingetretenen Kälte. Gleichzeitig erkannte er, daß sie sich jetzt abwenden mußte und es nur unterließ, weil er der König war. Ein Blick allerdings überflog ihn von Kopf bis Fuß, und davon wurde er plötzlich müde. Was sie erblickt hatte, als sie seine Erscheinung überflog, er verfolgte es in seinem Geiste, Zug um Zug. Die Nase fällt zu tief, wiederholte er innerlich einige Male, und immer nachdrücklicher, als ob es das Schlimmste gewesen wäre. Aber da war mehr.
Er sah sich nach Bellegarde um, er wollte vergleichen, sein eigenes verwittertes Gesicht und den schönen Menschen, der länger war, und was für Zähne. ,Als junger König von Navarra ließ ich sie mir mit Gold überziehen. Auch wir kannten das, war nur viel anderes zu tun seither.‘
Diana beobachtete den König, sie sagte: „Sire! Sie wünschen zu ruhen. Ein Zimmer steht bereit zur Nacht. Unser Teich hat herrliche Karpfen für Ihre Mahlzeit.“
„Geben Sie mir Brot und Butter, ich will die Hand küssen, die es mir hier vor die Tür bringt, bevor ich Abschied nehme. Das Haus des Herrn d’Estrées werde ich nur in seiner Gegenwart betreten.“
Alle diese Worte richtete er an Gabriele, sie war es auch, die hineinging, das Befohlene zu holen. Der König seufzte, es klang nach Erleichterung, worüber Bellegarde und Diana zusammen erstaunten.
Henri hatte gehofft, Gabriele würde die Treppe hinauf und sie nochmals hinunter schreiten. Indessen betrat sie einen der unteren Räume und war alsbald wieder hier. Der König aß im Stehen sein Butterbrot, während er scherzte, nach der Landwirtschaft und dem Nachbarnklatsch fragte. Von jedem Untertanen, den Bäckern in Mans, dem Ritter von der Pute, hätte er sich ähnlich unterhalten lassen. Dann stieg er mit seinem Großstallmeister zu Pferd. Nahm aber den Fuß aus dem Bügel, trat nahe zu Gabriele d’Estrées und sprach schnell, seine Augen waren lebhaft und geistreich, ihr war dergleichen nie begegnet und hätte ihr auffallen sollen: „Ich komme wieder“, sprach er. „Meine schöne Liebe“, sprach er. Saß auf, ritt voran, sah nicht zurück.
Als die Reiter unter Bäumen verschwunden waren, fragte Diana ihre Schwester, was der König ihr heimlich gesagt habe. Gabriele wiederholte es. „Wie!“ rief Diana. „Und das läßt dich so ruhig? Begreif doch, was das ist! Nicht mehr und nicht weniger als das Glück. Wir alle sollen reich und mächtig werden.“
„Wegen eines Wortes, das er in die Luft spricht.“
„Zu dir, ob du nun die Mühe lohnst oder nicht, hat er es gesagt, und keine andere wird dasselbe so bald von ihm hören, obwohl mindestens achtundzwanzig es vorher hörten. Wir sind beide nicht dumm und bemerkten genau, wie er sich hier verbiß.“
„Mit seinen schadhaften gelben Zähnen“, ergänzte Gabriele.
„Die wagst du zu erwähnen, bei einem König!“ Diana erstickte vor Entrüstung.
„Gib mir Ruhe“, verlangte Gabriele. „Schließlich ist er ein alter Mann.“
„Du tust mir leid“, sagte die Schwester. „Ein noch nicht Vierzigjähriger — und abgehärteter Soldat. Welch eine gestraffte Gestalt, so fest in den Hüften!“
„Die Haut wie geräuchert, zahllose Fältchen“, bemerkte die geliebte Frau.
„Laß einen Herrn sein Leben im Felde verbringen. Da kann sich einer den Bart nicht gleichmäßig schneiden.“
„Den grauen Bart“, ergänzte Gabriele. Ihre Schwester rief wütend:
„Wenn du es wissen willst: sein Hals war schlecht gewaschen.“
„Meinst du, es wäre mir entgangen?“ fragte Gabriele gelassen. Die andere ließ sich vollends hinreißen.
„Gerade deswegen hätte ich mich noch heut abend mit ihm hingelegt. Denn nur ein großer Sieger und hochberühmter Mann kann sich solche Seltsamkeiten erlauben.“
„Ich bin für das Übliche. Die Huldigungen eines Königs von Frankreich sind mir gleich, wenn er ein schadhaftes Wams und einen schäbigen Filz trägt.“
Damit entfernte Gabriele sich. Diana rief ihr nach, die Stimme lag höher als sonst:
„Dein langer Geck! Dein schön Frisierter! Dein Wohlduftender!“
Gabriele sagte rückwärts:
„Du erinnerst mich daran. Der König roch nicht gut.“