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Der Diener des Königs
ОглавлениеHiernach verließ er schnell und ohne Abschied die Stadt: d’Armagnac hielt immer die Reisesäcke fertig, die Pferde waren gesattelt. Henri dachte zwischen sich und die Familie d’Estrées einigen Abstand zu bringen, Krieg zu führen und unbeschwert, zu reiten. Aus Sehnsucht indessen nach Gabriele, und auch weil er sich ihrer zu schämen hatte, setzte er in den Laufgräben vor Rouen sein Leben aus. Die Königin von England verübelte es ihm empfindlich, wie er durch Briefe seines Gesandten Mornay erfuhr. Mehrere katholische Edelleute warnten ihn inzwischen, daß sie nicht länger zusehen könnten, bis er sich bekehrte. Mayenne gab ihnen eine letzte Frist, um zu der Mehrheit überzugehen. Sie hatten noch die genaue Zeit, bis die Ständeversammlung zusammentrat. Es stand aber fest: nur einen katholischen König wählte diese. Inmitten aller seiner Bedrängnisse sieht Henri eine Sänfte die Straße von Dieppe herniederschaukeln. Er weiß sogleich, wen sie ihm bringt, sein Herz schnellt hoch, aber es ist nicht Freude und heftiges Verlangen, wie das erstemal, daß die Sänfte ankam in Tal Josaphat. Dazwischen liegt viel.
Er ging in sein Haus und erwartete sie dort. Gabriele, still und allein, betrat das Zimmer. „Sire! Sie demütigen mich“, sagte sie — ohne Klage oder Vorwurf, in all ihrer gelassenen Schönheit, und diese quälte ihn wie etwas Verlorenes. An dem Vollkommenen entdeckte er Züge, die darüber noch hinausgingen: dies, während beide schwiegen, aus Furcht vor dem Gespräch, das sie führen sollten. Ein Anflug von Doppelkinn, sah Henri. Eine geringe Falte, sichtbar nur in einem gewissen Licht, aber wie über alle Maßen herrlich! „Ich bin bereit, Madame, Sie zufriedenzustellen“, hörte er sich sagen, so förmlich wie zu einer Fremden. Sie behielt dennoch ihre würdige Vertraulichkeit.
„Wie konnten Sie die Sache nur so falsch anfassen“, sagte sie mit Kopfschütteln. „Sie mußten meinen Vater und mich selbst in Schutz nehmen gegen die Leute von Noyon, die uns nicht mehr achten wollen.“
„Man kann es von ihnen nicht verlangen“, sagte er hart — winkte aber gleichzeitig nach einem Sessel, in den sie sich setzen sollte. Sie tat es und betrachtete ihn um so strenger. „Sie selbst haben alle Schuld. Warum bestraften Sie nicht auf der Stelle das dreiste Volk, das Herrn d’Estrées hei Ihnen verklagte.“
„Weil sie recht hatten. Die Einkäufe hingen meinem Gouverneur aus allen Schlitzen seiner Kleidung. Mir war zumute, als hätte ich es selbst getan.“
„Wie kindisch! Es ist eine kleine unbedeutende Schwäche von ihm, in letzter Zeit mag sie zugenommen haben. Wir waren daran gewöhnt; aus bloßer Vergeßlichkeit versäumte ich, Sie vorzubereiten. Wie oft schon war meine Tante de Sourdis zu den Kaufleuten gefahren und hatte den Irrtum aufgeklärt. Übrigens pflegt es sich um wertlose Gegenstände zu handeln.“
„Der Ring ist nicht wertlos“, stellte er fest und betrachtete mit Verblüffung ihre wunderbare Hand, wie sie auf der Lehne ruhte, wie der Stein daran glänzte. Der Ring, sie trug ihn!
„Ich staune“, äußerte er, obwohl eher Bewunderung aus seinem Ton sprach. „Aber, Madame, erklären Sie mir, was mein Gouverneur mit Spielsachen für Kinder macht.“
Sie sah ihn an, und ihr Blick verwandelte sich. Vorher hell und freimütig infolge des Zornes über empfangene Beleidigungen, trübte er sich jetzt von einer Zärtlichkeit. Oh! die hatte sie nicht absichtlich herbeigerufen.
„Gabriele!“ rief Henri halblaut; die schon erhobenen Arme sanken ihm wieder herab. „Wozu das Spielzeug?“ flüsterte er.
„Es liegt nun bereit für das Kind, das ich bekommen soll“, sagte sie — senkte die Stirn, bewegte die geöffneten Hände leise nach ihm hin. Demütig und ihres Rechtes gewiß, erwartete sie, geküßt und bedankt zu werden.
Bei ihrem nächsten Zusammensein verlangte sie mehr: der König sollte Herrn d’Estrées zum Großmeister der Artillerie ernennen. Er schulde ihrem Vater eine Genugtuung, darauf beharrte sie. Warum gerade diese? Sie erklärte es nicht. Henri versuchte den Fall leicht zu nehmen. „Was versteht Herr d’Estrées von dem Gebrauch des Pulvers. Den grauen Turm hat er nicht gesprengt.“
Sondern Baron Rosny hatte ihn gesprengt, als der König die Stadt Dreux belagerte. Rosny, der ein großer Rechner war, beherrschte auch die Kunst der Minen und Geschütze. „Die Mine des Herrn de Rosny“ war vor Dreux ein geläufiger Ausdruck des Spottes für die umständlichen Arbeiten eines ehrgeizigen Pedanten, sechs Tage und sechs Nächte, bis die dicken Mauern des grauen Turmes mit vierhundert Pfund Pulver ungefüllt waren. Das Hoflager mitsamt den Damen versammelte sich bei dieser Sprengung und erging sich in Witzen, als zuerst nur viel Rauch und ein dumpfer Knall kam, dann aber sieben und eine halbe Minute gar nichts. Die gelehrte Anmaßung des Hauptmanns schien bestraft — und dennoch, auf einmal spaltete sich der Turm von oben bis unten, einen Krach ergab es ohnegleichen, und er fiel ein. Niemand hatte es vorher geglaubt, auch die Belagerten nicht. Standen auf dem Turm und verunglückten in Massen. Einige Überlebende bekamen von dem König je einen Taler. Rosny, der Gouverneur hätte werden wollen, sah sich wieder einmal verdrängt, erstens, weil er „von der Religion“ war. Sein Gegner, der dicke Schurke d’O, konnte überdies dem König einen Teil der öffentlichen Gelder versprechen, soviel er selbst davon nicht stahl. Wie wäre er nicht Gouverneur geworden.
Aber die Großmeisterei der Artillerie, sie wenigstens blieb offen, und Henri war entschlossen, sie seinem verdienten Rosny zu geben. Er wollte ihn damit belohnen, wenn der Brave aus der Stadt und Festung Rouen zurückkehrte, wohin sein König ihn entsendet hatte mit dem Auftrag, den Preis der Übergabe auszuhandeln.
„Schöne Liebe!“ sagte Henri zu Gabriele d’Estrées. „Geliebte Herrin!“ bat er. „Erlassen Sie mir diesen Wunsch. Wählen Sie für Herrn d’Estrées, was Ihnen sonst in den Sinn kommt, nur die Großmeisterei nicht.“
„Wie könnte ich Ihnen hierin gehorchen“, antwortete sie. „Ich und mein Vater würden für gering geachtet werden vom ganzen Hof, gäben. Sie uns nicht diese Genugtuung.“
Ihr gesegneter Zustand erklärte vielleicht ihren Eigensinn. Henri half sich für den Augenblick mit einer unverbindlichen Zusage, und alsbald schickte er nach Rouen einen dringenden Brief an Rosny, damit dieser sich beeilte. Am Geld sollte er das Geschäft nicht scheitern lassen und jedenfalls seinem Herrn das Tor öffnen. Gabriele konnte die ganze Großmeisterei vergessen haben, zog sie erst einmal stolz mit ihrem königlichen Geliebten durch Ehrenpforten in die Hauptstadt des Herzogtumes Normandie.
Vorerst stand es derart, daß der Gesandte des Königs seinen Brief nur zu nötig hatte. Ja, leicht hätte ohne diesen Brief der König seine Stadt Rouen überhaupt verloren, der Gesandte Rosny aber sein Leben.
Mit Herrn de Villars, der für Mayenne und die Liga in Rouen befehligte, stritt Rosny schon zwei Tage gewissenhaft über den Preis, focht alle Bedingungen des Gouverneurs an und behauptete, der königliche Schatz könne sie nicht tragen. Dies, während Abgeordnete der Liga und des Königs von Spanien demselben Villars ungezählte Haufen Gold anboten, und zwar unter jeder Bedingung. Rosny in seinem vernünftigen Kopf, der ganz von der Art dieses nördlichen Landes war, kam nicht darüber fort, daß man besser die Türme hätte sprengen und die Stadt zerschießen sollen, anstatt gutes Geld zu verschwenden. Andererseits war Rosny, später Herzog von Sully, überaus auf seine Würde bedacht, er neigte ihretwegen sogar zum Prunk. Persönlich wäre er gewonnen worden, da Herr de Villars ihn im ersten Hotel von seinen eigenen Leuten bedienen ließ, ihm auch seinen Sekretär schickte und ihn in das Haus seiner Geliebten bestellte. Soweit wäre alles gut gewesen. Der Gouverneur indessen, eine gerade Natur, kam alsbald mit allen Forderungen heraus, wie er sie sich ausgedacht hatte; und natürlich waren sie angewachsen in dem Maße, wie die Gegenseite ihm Haufen Goldes versprach. Zuletzt hatte sich eine lange Liste ergehen: Ämter und Würden, Festungen, Abteien, eine Million zweimalhunderttausend zur Bezahlung seiner Schulden, überdies eine Jahresrente, und dann folgten wieder Abteien. Es war nicht mehr im Kopf zu behalten, Herr de Villars als ordentlicher Mann hatte alles aufgeschrieben und las es vor.
Rosny gab nicht sogleich Antwort, denn er dachte bei sich: ,Schnapphahn elender! Deswegen Ihre gute Bewirtung und der Empfang bei Ihrer Geliebten. Und streiche ich von der Liste einiges, dann verkaufen Sie sich an Spanien. Hätten übrigens recht, wenn nicht unsere Kanonen wären. Ich will Ihnen zeigen, wie man Pulver in Türme praktiziert. Das Ende wird sein, daß Sie hängen.‘
Hierauf begann er, blauäugig und ohne daß sein glattes Gesicht mehr als nötig ausgedrückt hätte, mit seinen vernünftigen Gegenvorschlägen; aber der Gouverneur unterbrach ihn, er hatte noch etwas vergessen. Wenigstens sechs Meilen um Rouen sollte der protestantische Gottesdienst verboten sein — eröffnete er dem Ketzer und Abgesandten eines ketzerischen Königs. Infolgedessen erhitzte sich die Unterredung, sie konnte an diesem Tage zu nichts mehr führen. Allerdings wurde ein Vorvertrag geschlossen, aber nur, weil Rosny die Papiere und Unterschriften so sehr liebte; und ohne ein Papier, mochte es nichtssagend sein, verließ er keine Verhandlung. Durch Kurier unterrichtete er den König von den unverschämten Bedingungen. Bevor nun der Bescheid eintreffen konnte, setzte Herr de Villars sich in den Kopf, der nichtsahnende Rosny wäre sein Mörder. Es war eine Verwechslung: irgendein Abenteurer hatte den Plan gefaßt, der Person des Gouverneurs habhaft zu werden und Lösegeld herauszuschlagen. Genug, als sie wieder zusammenkamen, dachte der Gouverneur mit hervorquellenden Augen nichts als Hängen und Würgen. Dasselbe hatte Rosny beim vorigen Mal erwogen, nur daß er es nicht so sehen ließ. Jetzt sagte ihm sein gesunder Verstand, daß einzig noch eine Wahnsinnsszene helfen und das Schlimmste verhüten konnte. Daher überbot er unvermittelt das Wüten des Gouverneurs, ja, er nannte den Edelmann einen ehrlosen Verräter: worüber dieser in solchem Grade erstaunte, daß es ihm die Rede verschlug.
„Ich — ein Verräter? Sie sind zornig, Herr.“
„Sie selbst sprechen nur im unvernünftigen Zorn von einer Mordgeschichte, deren erstes Wort ich nicht kenne; ja, wollen sogar Ihre Treue brechen, denn ich habe einen Vorvertrag!“
Diese eindringlichen Worte riefen Herrn de Villars halbwegs zu sich, so daß er beim Eintritt seiner Geliebten sagte: „Schreien Sie nicht, Madame, ich schreie auch nicht mehr.“ Dennoch hätte seine Besänftigung, die mehr ein Erstaunen war, schwerlich vorgehalten. Die Unschuld des Herrn de Rosny bedurfte dringend eines greifbaren Beweises, oder es konnte ihm immer noch übel ergehen. Genau in diesem Augenblick überbrachte einer seiner Diener ihm den Brief des Königs. Es war der Bescheid wegen der unverschämten Forderungen des Gouverneurs von Rouen. Aber die Forderungen der Dame de Liancourt waren der nächste Anlaß dieses Briefes gewesen: sonst wäre er vielleicht so erwünscht nicht eingetroffen. Übrigens bleibt unentschieden, ob der Gesandte Rosny ihn nicht eigentlich schon vorher in seinem Gasthof erhalten hatte. Die Wirkung des Überbringens hier während des spannenden Auftrittes war zu merkwürdig, bei späterer Überlegung glaubte man nicht mehr an Zufall. Die Geliebte des Gouverneurs äußerte bald Zweifel.
Gleichviel, der König nahm alle Bedingungen an, bis auf das Verbot der Religionsübung, wovon er nichts erwähnte, und so überging auch Herr de Villars diesen Punkt: sollte er doch Großadmiral werden. Dem Gesandten gab er alsbald Genugtuung, weil er ihn fälschlich für seinen Mörder gehalten hatte. Ein Handlanger des wirklichen Mörders war zum Glück gefangen worden. Diesen ließ der Gouverneur herschaffen, warf ihm eigenhändig den Strick über, und seine Leute hängten ihn vor den Augen der Herren aus dem Fenster. Dies getan, blieb nur noch übrig zu feiern, was so glücklich ausgegangen war. „Die Liga ist verratzt“, rief der Gouverneur, rauh wie ein alter Soldat, aus dem Fenster, das schon die Aufmerksamkeit des Volkes erregt hatte, wegen des Gehenkten. Der Gouverneur befahl: „Ruft alle: Hoch der König!“ Das tat das Volk, und seine Stimmen erschallten bis an den Hafen, wo die Schiffe ihre Schüsse lösten. Auf den Festungswällen wurden Salven abgegeben, und keine Kirchenglocke, die nicht fröhlich schwang. Dankgottesdienst in Liebfrauen, mit Rosny in der ersten Sitzreihe; Empfang der städtischen Körperschaften und ihr Geschenk an den Gesandten des Königs, ein prachtvolles Tafelgerät aus vergoldetem Silber: hiermit verließ Rosny diese Stadt.
Als er während der Schlacht bei Ivry unter einem Birnbaum mit seinen Wunden lag, hatte er auch dort gesiegt und sogar einige reiche Gefangene gemacht, denn dieser Mensch gefiel dem Glück. Diesmal konnte er durch sein Verdienst, wozu das Glück nur beiträgt, dem König eine der besten Städte erwerben. Der gute Diener des Königs ist hier wahrhaftig seines Lohnes gewärtig. Indessen trifft er ein, wird umarmt, hält eine schöne Rede: das Tafelgerät aus vergoldetem Silber gehöre dem König; sein Diener nehme grundsätzlich von niemandem Geschenke an. Worauf der König ihm das Gerät beläßt und dreitausend Goldtaler noch dazu legt. Soweit gut. Als Rosny aber um die Großmeisterschaft der Artillerie bittet, umarmt der König ihn nochmals und ernennt ihn zum Gouverneur der Stadt Mantes. Rosny besinnt sich nicht. Mit kühner Stirn entgegnet er dem König, daß er undankbar ist. Hierauf der König, in seiner alten Bewitzelung der ernsten Dinge — Rosny hat niemals Sinn dafür gehabt: „Undankbar, das sagt man längst. Aber lassen Sie sich das neueste vom Hof erzählen.“
Nicht lange, so wußte Rosny alles. Er Schloß sich eine Stunde ein, dann ging er zu Madame de Liancourt. Sie begriff sogleich, daß er wegen der Großmeisterei kam, obwohl niemand ihm etwas anderes angesehen hätte als seine gewohnte Würde. Auf den Kleidern trug er viel Schmuck. „Madame, ich habe um die Ehre gebeten, Ihrem Erheben beizuwohnen. Der König bedient sich meiner, es wäre möglich, daß Sie mich einmal brauchen.“
Gabriele antwortete unbesonnen: „Danke. Der König bekommt meine Briefe, wenn er im Feld ist, durch Herrn de Varennes.“ Das war ein früherer Koch und trug jetzt Liebesbriefe aus. Rosny erbleichte; die obstähnlichen Farben seines Gesichtes vergingen deshalb nicht, nur matter wurden sie. Gabriele sah wohl etwas dergleichen, versäumte aber, sich sofort zu entschuldigen, und sooft sie dies später versuchte, es gelang niemals mehr. Hätte sie in diesem Augenblick ihre Tante de Sourdis bei sich gehabt, sie wäre beraten worden, vielleicht hätte sie noch vermeiden können, sich diesen Feind für das Leben zu machen. Statt dessen, kaum daß sie ihren Fehler bemerkte, verstockte die Ärmste sich, sie betrachtete Herrn de Rosny hochmütig, so daß ihr Mädchen aufhörte, ihr die Haare zu pflegen, und eine große Pause eintrat.
Zuletzt ließ Herr de Rosny das Knie auf einen Schemel nieder und zog der Dame den Pantoffel wieder an: in der Erregung hatte sie ihn vom Fuß geschleudert. Gabriele sah ungeduldig zu und dachte bei sich, daß er auch damit nicht Großmeister der Artillerie werden könne, das war Herr d’Estrées. Der Beleidigte gab nichts zu erkennen, er sprach ein Kompliment über ihren kleinen Fuß und nahm Abschied. Kaum war er nicht mehr zugegen, erschrak Gabriele bis in das Herz: sie hatte ihn nicht beglückwünscht, hatte der ruhmvollen Erwerbung der Stadt Rouen nicht einmal gedacht. Jetzt war er gewiß unterwegs zum König. „Lauf! Hol ihn zurück!“ befahl sie ihrem Mädchen. Vergebens, Rosny kam nicht. Er fragte sich, warum er diese schöne Frau aus tiefster Seele haßte. Noch fand er das Eigentliche nicht: ihre und seine Ähnlichkeit. Zwei Blonde aus dem Norden, helle Farben, kühle Verständigkeit. Dem König, einem Mann des Lachens und der Tränen, durch ihren Vorteil verbunden; aber langsam wächst beiden etwas zu, das über die Erfahrung ihres Wesens hinausgeht — ein Gefühl, nur der Mann aus dem Süden kann es sie derart lehren. Bald verlangt jeder mehr: nicht nur von der Gunst des Königs, auch von dem Vertrauen des Geliebten. Zwei Eifersüchtige, die beide denselben lieben, wollen einander schaden — und dies bis an das Ende.
Der König hatte sich schon nach Saint-Denis verfügt, woselbst er nachher seinen Glauben abschwören sollte. Davon wußte er noch immer nichts Gewisses und war im Herzen ungenau entschlossen, obwohl so viele Tatsachen feststanden, daß die letzte auch eingetreten wäre ohne Vorsatz. Indessen hielt er Konzile mit Geistlichen, horchte nach der Ständeversammlung drinnen in Paris, wartete nur lau auf Ereignisse, die abgelenkt hätten, wollte sich selbst hinhalten und mit seinem Gott vielleicht handeln. In seinen unruhigen Vorgefühlen war er begieriger als je nach der Gegenwart seiner schönen Liebe. Als er sie diesmal in einer anderen Stadt zurückgelassen hatte, fehlten ihm noch einige Erfahrungen, die er nächstens machen mußte: damit entschied sich allerdings, die beiden wären unzertrennlich. Der König wußte keinen besseren, ihm seine Geliebte sicher herzubringen, als seinen braven Rosny. Die Ergebenheit eines guten Dieners wird durch Enttäuschungen nicht erschüttert. Es ist unmöglich, daß er Gabriele nicht liebt, da er sein Heil in Henri setzt. So meinte Henri.
Rosny ordnete sogleich die Reise. Er mußte nicht erst bedenken, für wen er arbeitete und welchen Mittelpunkt die sorgfältige Veranstaltung bekommen sollte. Seine Feindin oder nicht, er war auf alle Fälle für einen abgemessenen Zug über Land und für ein feierliches Auftreten. Voran ritten er selbst und sein Gefolge, dann blieben hundert Schritte frei: dahinter gingen zwei Maultiere vor der Sänfte, worauf die Geliebte des Königs ruhte. Wieder Abstand. Nachher ein Wagen mit vier Pferden und den Frauen. Den Schluß machten, weit dort hinten, zwölf Tiere mit dem Gepäck. So war es feierlich und edel, mit ebensoviel ordnender Vernunft wie die anderen Unternehmungen des Barons. Hätte auch nichts geändert, wenn in der bedeutungsvollen Mitte die Königin Semiramis einhergefahren käme anstatt Gabriele d’Estrées. Leider sind nicht alle Wesen, wie Rosny, bloß sachlich und ihrer Verantwortung bewußt. Wo die Straße am schroffsten abfiel, stieg der Kutscher des vierspännigen Wagens vom Bock, anstatt wenigstens hier sein Bedürfnis zu bezähmen. Ein neckisches Maultier galoppierte trotz der Last, die es trug, bis zu den Kutschpferden, klingelte mit seinen Schellen und bewies, wie furchtbar es brüllen konnte — um nichts weniger als der Esel des Silen im Tal Bathos. Davon nahmen die vier Pferde Reißaus; schon sah man es kommen, daß die schwere Kutsche die leichte Sänfte überrannte, sie zerstückelte und in die Tiefe fegte, mit ihr das Kostbarste im Königreich. „Haltet auf! Haltet auf!“ riefen sie, aber niemand griff zu, infolge des allgemeinen Entsetzens. Die Deichsel indessen brach, der Wagen stand, die Pferde liefen allein weiter, und vorn wurden sie abgefangen von den Leuten des Herrn de Rosny.
Die Dame war einer so großen Gefahr entronnen, daß der Ritter nicht schnell genug zu ihr gelangen konnte. Der Schrecken verschlug ihm die Rede, nur Zeichen der Ergebenheit gab er von sich, und stieß heisere Freudenrufe aus, soweit er hierfür Stimme hatte. Die Dame schwoll zornig an, schon war sie stark gerötet. Niemand hatte sie bisher anders erblickt als in dem Schimmer der Lilien, diese überwogen bei weitem die Rosen. Der Ritter sah den Vorgang mit heimlichem Vergnügen, denn er gedachte mehrerer Geliebten des Königs, die dieser verlassen hatte, weil ihre Neigung, rote Flecken zu bekommen, ihm unerträglich wurde. Bei einer so jungen Person fehlten allenfalls zwanzig Jahre bis dahin; gleichviel. Rosny empfand Hoffnung und hätte einfach die Reise fortgesetzt. Dame d’Estrées dachte anders; jemand mußte ihren Zorn fühlen, und konnte nicht Rosny selbst es sein, dann sollte er doch mit eigener Hand den Kutscher durchprügeln für sein unzeitiges Bedürfnis. Das tat der große Diener des Königs, und etwas später lieferte er ihm die schöne Reisende ab, ganz in dem Schimmer der Lilien. „Alle waren bei dem Unfall vor Entsetzen grün“, erklärte er dem ungeduldigen Liebhaber. „Nur Madame de Liancourt bekam reizendere Farben als je. Sire! Daß Sie nicht dabei waren!“