Читать книгу Der Palast der unsterblichen Dichter. Das größte Abenteuer seit Dumas' Monte Christo - Heinz-Joachim Simon - Страница 18
Оглавление»Du willst Julien also wie Dante durch die Hölle marschieren lassen«, stellte Balzac fest.
»Richtig. Doch sein Begleiter ist kein Vergil, sondern ein Zuchthäusler und Mörder«, stimmte Victor Hugo vergnügt schmunzelnd zu.
Zola zeigte dem Dichter von »Les Miserables« durch Nicken seine Zustimmung. »Mit einem Vergil würde er auch die nächsten Kapitel kaum überstehen.«
»Wenn er der werden soll, der mir vorschwebt, dann braucht es ohnehin so etwas wie ein Stahlbad«, warf Dumas diabolisch lächelnd ein.
»Oh je, das Château d’If«, stöhnte George Sand.
Flaubert machte sich durch ein Räuspern bemerkbar. »Ich sehe in ihm so etwas wie einen Odysseus, der ja auch durch die Unterwelt spazierte.«
»Wunderbar!«, begeisterte sich Balzac. »Flaubert, du sagst es. Die Odyssee ist der Schlüssel zu seiner Gestalt. Er ist ein Dulder, ein von den Göttern hin- und hergeworfener, der auf dem Weg nach Ithaka ist. Wir haben es!«
»Der in der Hölle lernt«, trumpfte Dumas auf. »Er eignet sich dort Eigenschaften an, die es ihm ermöglichen, Rache zu üben.«
»Nein. Und nochmals nein!«, widersprach George Sand vehement. »So sehe ich ihn nicht. Dulder, da stimme ich gern zu. Aber weder ein Rächer noch ein Übermensch, der seine ehemaligen Kameraden aus der Ecole bestraft. Auch sehe ich in Mercedes keine Penelope. Sie hatte sich längst gegen ihn entschieden.«
»Was war nun dieser Aufstand der Kommune? Wie ist er zu bewerten?«, fragte Flaubert, um wieder Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen.
»Zuerst war es der Mut der Verzweiflung, sich nicht der Niederlage gegen Preußen zu beugen«, erwiderte genauso sachlich Zola. »Dann brachte die Wahl überwiegend royalistische und bonapartistisch eingestellte Abgeordnete aus der Landbevölkerung ins Parlament, die Frieden um jeden Preis wollten. Das Bürgertum wollte keine Veränderung der Zustände und das Volk aus den Vorstädten und die besitzlosen Landarbeiter sahen die Chance, endlich ihr Elend zu beenden. Ich würde die Kommune mit einigen Einschränkungen positiv beurteilen. Es war der Anfang einer Bewusstwerdung: Wir sind das Volk und was habt ihr, ohne uns zu fragen, aus Frankreich gemacht?«
»Mit einer Einschränkung meinst du den Brand von Paris?«, fragte Balzac.
»Ja. Was für eine Dummheit. Der Brand hat Thiers die Möglichkeit eröffnet, die Kommune als Mörder und Brandgesellen zu diffamieren und die Geschichtsschreiber, alle mit bürgerlichem Hintergrund, haben dies gern aufgegriffen.«
»Es war das Wetterleuchten einer neuen Zeit«, sagte Dickens feierlich.
»Karl Marx würde sich über deine Worte freuen«, stimmte George Sand zu.
»Ist der Kommunismus das Ende der Geschichte?«, fragte Flaubert, sich nachdenklich das Kinn reibend.
»Dafür sind wir nicht geschaffen«, verneinte Balzac mit trauriger Miene. »Wenn alle Menschen die gleichen Voraussetzungen mitbringen würden in puncto Intelligenz und Empathie, dann könnten wir den Garten Eden betreten. Aber das Christentum ist seit zweitausend Jahren mit seinem ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹ nicht weitergekommen. Die Kirche hat längst akzeptiert, dass wir Barbaren geblieben sind und jeden Tag Jesus aufs Neue kreuzigen.«
»Lassen wir Julien ohne Gerichtsurteil ins Bagno verschleppen?«, fragte der nüchtern denkende Flaubert.
»Es wurden tausende von Franzosen nach Guayana verschleppt«, erläuterte Victor Hugo. »Mit Gerichtsurteilen hat man sich nicht aufgehalten. ›Weg mit dem Pack, das gegen uns revoltiert hat‹, war die allgemeine Stimmung.«
»Wenn das Volk nicht so will wie wir, weg mit ihm!«, höhnte George Sand.
»Ich mache jetzt weiter«, bot sich Dumas an.
Alle nickten zustimmend. Das Thema war ihnen peinlich. Alle wussten doch, was Napoleon Frankreich gegeben hatte. Der erste Napoleon, nicht die Komödienfigur. Auf den Code Civil war jeder Franzose stolz. Aber das Recht war während und nach dem Kommuneaufstand außer Kraft gesetzt.